Bücherwurmloch

Best of 2018

Mehr als 120 Bücher hab ich in diesem Jahr gelesen. Kranker Scheiß, ey, ich weiß nicht genau, wie ich das geschafft habe, es muss an den vielen Zugfahrten für meine Lesereisen gelegen haben. So oder so: Derart viele waren es noch nie (zum Vergleich: Letztes Jahr waren es 83). Dabei habe ich aber nur jene gezählt, die ich wirklich gelesen habe, ich sortiere ja sehr schnell aus und breche ab, was mich nicht fesselt. Um die Quantität soll es aber heute gar nicht gehen, sondern, das ist ja immer wichtiger, um die Qualität: Bedeuten mehr Bücher auch mehr GUTE Bücher? Offenbar nicht unbedingt, zu den absoluten Highlights, die ich 2018 gelesen habe, gehören trotzdem nur sieben Titel. Und das sind sie:

Mariana Leky hat mich mit ihrem hochgelobten Bestseller Was man von hier aus sehen kann erst sehr spät überzeugt, dafür aber umso mehr: Es ist ein fein ausbalanciertes, melodisch komponiertes Buch mit einer großen Portion Verrücktheit, es ist nicht alltäglich, und das macht es originell. Es ist bittersüß und zart, es hat liebenswerte, kauzige Charaktere, Handlung hat es nicht viel, aber eine meisterhafte, verspielte Sprache, die durchgängig bis zum Schluss den Ton hält. Am Ende ergibt alles einen Sinn, und das ist vielleicht das Beste, was man über einen Roman sagen kann.

Jacqueline Woodson hat mit Ein anderes Brooklyn ein intensives Buch geschrieben, das ich auf einer eineinhalbstündigen Zugfahrt inhaliert habe. Es kribbelt auf der Haut während der Lektüre, es rumort im Magen und im Herzen auch. Man kann nicht genau festmachen, woran das Unwohlsein liegt, warum es so sticht und schmerzt. Idealerweise klingt in Büchern wie diesem, die so viel ungesagt lassen, genau das Ungesagte noch viel lauter. Das ist hier der Fall, und es ist sehr gut.

Mit The Power hat Naomi Alderman mich total geflasht, weil die Idee hinter dem Buch sehr gut, sehr originell und sehr konsequent umgesetzt ist. In dieser Geschichte sind die Frauen den Männern überlegen. Es dauert nicht lange, bis sie ihre neue Gabe nutzen, bis sie sich auflehnen und aufbegehren, sich wehren und die Ketten sprengen, in die das Patriarchat sie gelegt hat. Weltweit bricht eine nie dagewesene Revolution los. Unbedingte Leseempfehlung!

Jennifer Clement hat mit Gun Love einmal mehr bewiesen, was für eine herausragende Schriftstellerin sie ist: Sie sticht einem mit dieser Geschichte mitten ins Herz. Ich hab geweint, unter Tränen gelacht, ich war schon von der ersten Seite an ergriffen, ich hab diesen Roman seither sogar bei meinen eigenen Lesungen empfohlen, und ich hab ihn zu Weihnachten mehrmals verschenkt. Weil er einfach so gut ist. Weil er viele Leser finden muss. Weil er mein Jahreshighlight ist.

Wie großartig Sibylle Berg ist, lässt sich kaum in Worte fassen. Sie ist eine Meisterin, ein Genie. Im Frühsommer habe ich ihren Roman Vielen Dank für das Leben gelesen und mich bei so vielen Sätzen im Innersten erkannt gefühlt. Nur sie kann mit einem derart nüchternen, klaren Blick auf die Menschheit schauen und beschreiben, wie sie funktioniert, wie sie ausgrenzt und verlacht, wie sie tötet, manchmal schnell, mit gezielten Hieben, manchmal langsam, mit Liebesentzug und Ignoranz. Dieses Buch ist grausam und authentisch und echt, es ist traurig, unfassbar traurig, es ist schwarz und scharf und klug und pointiert. Es ist, wie die Menschen sind: gnadenlos. Und es tut weh.

Der Trafikant von Robert Seethaler ist ein Roman, den ich ausnahmslos jedem in die Hand drücken würde. Weil er so gut ist. Weil er dringend gelesen werden muss. Weil er vielleicht etwas bewirken, etwas verändern kann. Robert Seethaler kann etwas, das nicht viele können: Er erzählt mit einer beneidenswerten Leichtigkeit. So easy hört sich das an, so fließend, dass man gar nicht merkt, dass es da um die großen, um die größten Themen überhaupt geht, um die Liebe, um den Tod, um den beginnenden Holocaust. Alles kann er erzählen, alles, ohne dass es schwer zu sein scheint, und deswegen mag ich ihn so. Ein richtig, richtig gutes Buch, das auch ihr lesen und jedem in die Hand drücken solltet.

Überrascht hat mich Sina Pousset mit ihrem Debüt SchwimmenEs ist ein Buch über die Freundschaft und jene Grenzen, an denen Freundschaft ausfranst, sich verwandelt, wenn man es zulässt, an denen sie aber auch zugrunde gehen kann, wenn man nicht aufpasst, wenn man den Zeitpunkt verpasst, immer wieder. Es ist außerdem ein Buch über die Unfähigkeit weiterzumachen nach einem Verlust, der so umfassend ist, dass man sich wie ausgehebelt fühlt danach, als sei oben unten und unten oben, als habe man kein Ziel mehr und keinen Anker. Und es erzählt in einer hervorragenden Sprache.

Und nun, meine Damen und Herren, folgen in zufälliger Reihung ebenfalls außerordentlich gute Bücher, die ich 2018 gelesen habe:

Chris Kraus: Sommerfrauen Winterfrauen
Andrea Gerk: Lob der schlechten Laune
E. Lockhart: We were liars
Sabrina Janesch: Die goldene Stadt
Willi Achten: Nichts bleibt
Karosh Taha: Beschreibung einer Krabbenwanderung
Ruth Cerha: Traumrakete
Garth Greenwell: Was zu dir gehört
Helmut Krausser: Geschehnisse während der Weltmeisterschaft
Lucy Fricke: Töchter
Arno Frank: So, und jetzt kommst du
Matthew Heiner: Alles über Heather
Juli Zeh: Unterleuten
Ian McGuire: Nordwasser
Yael Inokai: Mahlstrom
Marie Gamillscheg: Alles was glänzt
Andrew Sean Greer: Less
Kirsten Fuchs: Signalstörung
Kathrin Weßling: Super, und dir?
Paulus Hochgatterer: Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war
Anja Kampmann: Wie hoch die Wasser steigen
Brit Bennett: Die Mütter
Leila Slimani: Dann schlaf auch du
Torsten Seifert: Wer ist B. Traven?
Davit Gabunia: Farben der Nacht
James Baldwin: Von dieser Welt
Édouard Louis: Im Herzen der Gewalt
Gerhard Jäger: All die Nacht über uns
Nell Leyshon: Die Farbe von Milch
Wolf Haas: Junger Mann
Bret Anthony Johnston: Remember me like this
David Whitehouse: Der Blumensammler
Lina Wolff: Die polyglotten Liebhaber
Virginie Despentes: King Kong Theorie
Chloe Benjamin: The Immortalists
Karoline Menge: Warten auf Schnee
María Hesse: Frida Kahlo
Kai Wieland: Amerika

Es war, wie ihr sehen könnt, ein sehr abwechslungsreiches, literarisch ausgefülltes Jahr. Habt ihr manche dieser Titel auch gelesen? Und freut ihr euch, wie ich, schon auf das Frühjahrsprogramm?

2 Comments to “Best of 2018”

  1. chouette22

    Habe eben diese Liste gefunden, da ich wieder vermehrt auf Deutsch lesen, oder deutsche Hoerbuecher hoeren moechte. Ich lebe in den USA und kann via audible.com Hoerbuecher in Fremdsprachen runterladen (ist erst seit so 2 Jahren moeglich), zum Glueck. Da brauche ich eben gute Tipps und freue mich, dass es bei dir nicht allzu viele Buecher aus englischen Uebersetzungen gibt, denn die finde ich natuerlich leicht hier.

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