Bücherwurmloch

Teresa Bücker: Alle Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit

„In unserer gegenwärtigen Arbeitswelt gilt es als kaum bemerkenswert, dass es über 80 gesetzlich anerkannte Berufskrankheiten gibt“

Ich finde, die Menschen denken zu wenig nach über die Aufgaben, mit denen sie ihre Zeit verbringen. Es beschäftigt mich, dass alle permanent erschöpft und überlastet sind, viele auch unglücklich, überarbeitet – aber nicht bereit oder in der Lage, das zu sehen. „Wer Karriere machen will, kommt um die Überstunden nicht herum“, sagen sie, „nach dem Burn-out ist er gleich wieder arbeiten gegangen“, sagen sie auch und: „Ich hab schon ewig kein Buch mehr gelesen, ich wüsste nicht, wann“. Sie haben keine Zeit für ihre Freund:innen, keine Zeit für Hobbys. Sie haben keine Zeit, ihre Eltern zu besuchen oder einfach mal nichts zu machen. Wer macht denn schon tatsächlich mal nichts? Sogar wenn wir krank sind, sogar nach Feierabend, beantworten wir E-Mails, sind wir noch erreichbar. Die Grenzen verschwimmen oder es gibt gar keine mehr. Und die Folgen sind verheerend, wir sind müde, wir sind am Ende, wir haben kaum noch Kraft – aber Hauptsache, wir haben eine „Karriere“, wir haben Geld und Erfolg.

„Zeit entsteht zwischen uns, wenn wir sie miteinander verbringen.“

Die bekannte Journalistin Teresa Bücker hat ein Buch geschrieben, das alle wichtigen Gedanken, Fragen und Antworten rund um das Thema Zeit versammelt. Es ist ein übersichtliches, klar formuliertes und sehr durchdachtes Werk geworden, das unsere Leistungsgesellschaft hinterfragt, unsere Aufteilung von Zeit, unsere Bewertung von Zeit. Es geht darin auch viel um unbezahlte Care-Arbeit und ihre Verteilung, um Politik und Kindheit. Es geht um Alltagszeit und Alleinerziehende, um Konsum und Macht – vor allem: um die Verteilung von Macht. Ist Zeit wirklich Geld? Und wenn ja, warum? Wieso lassen wir es zu, dass über unsere Lebenszeit bestimmt wird, warum verlangen wir nicht, dass wir selbst bestimmen dürfen? Und welche Lösungen gäbe es, wie könnte Zeit anders strukturiert werden, wie könnten wir leben? Ein sehr lesenswertes, kluges Buch, für das es wirklich an der Zeit ist.

„Die Erzählung, dass Zeit Geld sei, müssen wir um viele neue Erzählungen erweitern.“

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