Vom Lesen über das Lesen
Erst vor drei Jahren habe ich angefangen, mich mit der Blogwelt zu beschäftigen – als ich selbst das Bücherwurmloch gegründet habe. Die Zahl der Blogs geht wohl ins Unendliche, und viele davon haben die Literatur zum Inhalt. Dabei gibt es, wie ich schnell festgestellt habe, Blogs, deren Buchauswahl sich eher mit meiner deckt als die anderer. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich jene Perlen gefunden habe, die heute meine Blogroll schmücken und die ich sehr schätze. Je intensiver ich mich mit der Art, wie Blogger rezensieren, auseinandergesetzt habe, umso mehr ist mir etwas aufgefallen: der große Unterschied zwischen dem Feuilleton und den Buchblogs.
Dieser Unterschied besteht für mich in erster Linie darin, dass die professionellen Rezensenten gern den Eindruck vermitteln, allwissend zu sein, indem sie ihre subjektive Meinung als objektiv hinstellen. Sie zeigen sich gebildet und belesen, machen Querverweise und werfen mit Fremdwörtern um sich. Es ist beispielsweise von “karnevalesker Mythentravestie” die Rede, von “kapriolenschlagenden Versen”, “Sprachpartitur” und “der Kontrollierbarkeit von literarischen Eskalationsprozessen”. Das sind nun natürlich banale und nur kurz gefasste Gedanken über das Feuilleton, die so oder ähnlich in vielen Köpfen schwirren und nicht fundiert sind. Ich lese durchaus gern Rezensionen, die mich derart umfassend formulieren, aber ich finde sie auch oft genug anstrengend, obwohl ich einen Magistertitel habe.
Buchblogs dagegen machen’s persönlich. Sie sind anders, weil sie subjektiv sind – und das auch zugeben. Ein Blogger schreibt über ein Buch und erzählt, was es mit ihm gemacht hat, wie es sich angefühlt hat, diesen Roman zu lesen, was es ihm gebracht hat. Die Königin dieser Art des Rezensierens ist mit Sicherheit die Klappentexterin, die von ihren Fans und mir dafür geschätzt wird, dass sie die richtigen Worte für ihre Gefühle bei der Lektüre findet. Das gelingt auch der Bibliophilin, Caterina, Svenja und Ada, um nur einige wenige ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu nennen, bei denen ich gern stöbere.
Es hat seine Zeit gebraucht, bis ich meinen eigenen Weg gefunden habe, denn anfangs habe ich mich dagegen gewehrt, zu viel von mir in meine Rezensionen zu legen. Ich dachte, sie müssten so distanziert und altklug sein, wie ich es gelernt hatte. Und diese Rezensionen waren nicht gut. Erst als ich zugelassen habe, dass das Wörtchen “ich” in meinen Besprechungen vorkam, fiel es mir leichter, von meiner Lektüre zu berichten und Begeisterung oder Enttäuschung zu formulieren. Denn darum geht es doch: Bloggen ist, meinen Freunden zu sagen, was mir gefallen hat und warum.
Das Bloggen ist zudem kein Dozieren, sondern ein Miteinander, das is einem Medium stattfindet, in dem ganz einfach und direkt kommentiert und diskutiert werden kann. Die Blogger sind eine virtuelle Gemeinschaft, die sich eng vernetzt und durchaus zum “Multiplikator” für ein Buch werden kann. Die Erfolgsgeschichte mancher Titel – wie aktuell “Fifty Shades of Grey” – zeigen, dass die Blogger-Community eine Größe ist, die man ernst nehmen muss.
Es sei dahingestellt, wem welcher Stil besser gefällt, wer sich bei den Hobbyrezensenten oder den Profis besser aufgehoben fühlt. Es lässt sich mit Sicherheit viel darüber diskutieren, weil das Ansehen der Blogger oft nicht groß ist und sie als Laienrezensenten abgestempelt werden, denen man jegliche Ahnung über Bücher abspricht. Was aber bedeutet das? Muss man Literaturwissenschaften studiert haben, um eine Meinung über ein Buch haben und kundtun zu dürfen? Ist nicht vielleicht in der heutigen Zeit mit der neuen Art der Kommunikation ein direkterer, unverfälschter Weg besser bzw. spricht er nicht vielleicht mehr neue Leser an, die nicht die Sprache des Feuilletons sprechen? Darüber will ich nicht urteilen. Aber ich will sagen, dass ich Buchblogs mag.