„Auf sinkenden Schiffen war schon immer gebetet worden“
Die Lehrerin Eva Lohaus macht sich mit ihren Aussagen, dass die Menschen aufhören müssen, Kinder zu bekommen, weil der Planet auf eine Katastrophe zuschlittert, viele Feinde. Befeuert wird der Hass, der ihr entgegenschlägt, auch von einem Interview, das die Journalistin Sina mit ihr führt. Sina versucht selbst seit einiger Zeit, schwanger zu werden – ist sich aber nicht sicher, ob sie das tut, weil sie selbst ein Kind will, oder eher, weil der Mann, den sie liebt, unbedingt Vater werden möchte. Sinas Schwester Mona dagegen hat bereits Kinder – und weiß nicht genau, wie sie ihre Rolle als Mutter und Ehefrau weiter gestalten soll. Eva wiederum zieht wegen der massiven Anfeindungen hinaus aufs Land, wo hoffentlich niemand sie findet, aber da lebt jemand, der auf sie gewartet zu haben scheint.
Verena Keßler hat ein ungemein schlaues Buch über Mutterschaft, die Klimakatastrophe und das Frausein geschrieben. Vier Frauen kommen zu Wort, ihre Geschichten sind miteinander verbunden, und das ist sehr klug gemacht – während des Lesens habe ich begeistert genickt, was den Plot und die Schnittstellen angeht. Es gelingt der deutschen Autorin, deren Debüt für zahlreiche Preise nominiert war, mit ihrem zweiten Roman, auf ihre Themen aus unterschiedlichen Winkeln zu schauen, die einander ergänzen. Ich liebe es, dass nun Räume eröffnet werden für Bücher wie dieses, das zum Nachdenken anregt und deutlich macht, dass es für Frauen nicht den einen richtigen Lebensentwurf gibt. Dass man die Biografien von kinderlosen Frauen und Müttern auch nicht gegeneinander aufrechnen kann, dass keine Summe am Ende dabei rauskommt, dass alles Vor- und Nachteile hat – und jeder Mensch mit Uterus selbst entscheiden darf. Ein hervorragendes Buch, ich hab es wirklich gern gelesen.