 „Wenn dir einer blöd kommt, dann kommst ihm eben noch blöder“
„Wenn dir einer blöd kommt, dann kommst ihm eben noch blöder“
Drei Menschen erzählen von Georg: seine Mutter, sein Liebhaber und seine Ehefrau, drei Menschen erinnern sich an Georg, wie er war, als Kind, als junger Mann. Im ersten Teil berichtet seine Mutter von der beschwerlichen Arbeit auf dem Bauernhof, von Georgs Anderssein, das niemand verstehen und auch nicht annehmen konnte, von ihrer eigenen harten Geschichte. Der zweite Teil widmet sich dem schwulen Wien in den 70er- und 80er-Jahren, als man wissen musste, wo man hingehen konnte, um nicht in Gefahr zu geraten, als David Bowie in die Stadt kam und Gabriel bei Georg Unterschlupf fand. Vervollständig wird das „Portrait“ von Sara, einer gescheiterten Opernsängerin, die mehr wollte als sie konnte, und die Georg geheiratet hat, obwohl sie von seiner sexuellen Orientierung gewusst hat. Aus diesen drei Stimmen setzt sich das Bild eines Mannes zusammen, der selbst nicht zu Wort kommt, den man aber durch die Augen der drei anderen sehr deutlich vor sich sieht: wie er der Enge des Bauerndorfs entfliehen musste, wie er sich manche Dinge getraut hat und andere nicht, wie er – genau wie wir alle – nach Liebe und Zugehörigkeit gesucht hat.
„Und wie ich das denke, da will ich auch so sein: so traurig, aber vor allem so schön. Und wenn du dir anschaust, wie es mir heute so geht, da sag ich dir, pass auf, was du dir wünscht, weil es wird immer wahr, nur anders, als du es dir vorstellst.“
Jürgen Bauer hat seinen vierten Roman vorgelegt, und das Bemerkenswerte ist: Er ist ganz anders als seine bisherigen Bücher, und: Er ist richtig gut. Gleich auf den ersten Seiten hat er mich eingesaugt mit dem Österreichischen, mit meiner Sprache, den Worten und dem Satzbau, der mir zutiefst verinnerlicht ist, ich bin ebenfalls auf dem Land aufgewachsen, mich hat Georgs Mutter mit allem, worüber sie redet, abgeholt. Ich feiere Jürgen sehr dafür, dass er so kompromisslos im österreichischen Idiom geblieben ist, auch wenn manch deutsch*e Leser*in damit vielleicht Schwierigkeiten hat. Großartig ist zudem, wie sich die drei Erzählperspektiven sprachlich unterscheiden, Gabriel habe ich als sehr gehetzt empfunden, er hat Hunger auf das Leben in der Großstadt, auf Männer, auf Sex. Das ist wunderbar explizit, da wird nicht um den heißen Brei herumfabuliert, da kommt der heiße Brei direkt auf den Tisch. Sara dagegen drückt sich hochsprachlicher aus, ihr Teil ist melancholischer, durchzogen vom Gefühl des Scheiterns, des Älterwerdens, aber sie ist nicht wütend, mehr resigniert, milde.
„Mit meinem ersten Mann war ich nicht verheiratet, aber ich nenne ihn trotzdem bis heute meinen Mann, weil uns alles auszeichnete, was eine richtige Ehe auszeichnet: Vertrautheit, Abhängigkeit und Gewalt.“
Es geht um Identität in diesem Roman, um die Frage, woher wir kommen und wohin unser Weg uns führt. Sehr berührt hat mich, dass jede*r der drei – auch die vermeintlich „harte“ Mutter – Georg auf ihre/seine Weise geliebt hat, ohne dass, so wirkt es, ihm wohl je bewusst war oder er es annehmen konnte. Die Geschichte ist geprägt von Missverständnissen und jenen Momenten, in denen wir nicht aussprechen, was wir so dringend sagen sollten. Große Leseempfehlung!
 „Erst jetzt merkt sie, dass sie einen braunen und einen schwarzen Schuh anhat“
„Erst jetzt merkt sie, dass sie einen braunen und einen schwarzen Schuh anhat“ „Ein Garten, den man nicht bestellt, ist wie ein Nachbar, für den man nicht stehenbleibt auf der Straße“
„Ein Garten, den man nicht bestellt, ist wie ein Nachbar, für den man nicht stehenbleibt auf der Straße“ „Wer bin ich, wenn ich mit ihm zusammen bin – bin ich dann anders, weniger, mehr?“
„Wer bin ich, wenn ich mit ihm zusammen bin – bin ich dann anders, weniger, mehr?“
 „It’s fucked up. But it’s kind of beautiful, too“
„It’s fucked up. But it’s kind of beautiful, too“ „Meinst du, man kann jemandem, den man liebt, nicht wehtun?“
„Meinst du, man kann jemandem, den man liebt, nicht wehtun?“ Ich habe so einen Hunger. Ich sehne mich nach queeren Geschichten, nach neuem Stoff, nach Büchern von weiblichen Autorinnen, nach all dem, was mir so viele Jahre lang vorenthalten wurde – auch, weil ich nicht wusste, dass ich danach hätte suchen müssen. Das habe ich nicht gelernt, weder an der Schule noch an der Uni. Wenn ich heute drüber nachdenke, wie viele Bücher von Männern ich gelesen habe, kann ich es kaum glauben, und doch: Das war ganz normal. Ich bin mit fünfzehn, sechzehn zur „literarischen“ Leserin geworden, die Verteilung von männlichen/weiblichen Schreibenden war kein Thema für mich, niemand hat mich jemals darauf aufmerksam gemacht. Das musste erst wachsen, in mir drin. Der Wunsch musste erst entstehen, meine Aufmerksamkeit musste sich neu ausrichten. Mittlerweile ist das passiert, und das Erstaunliche ist: Alles ist in sein Gegenteil gekippt. Während früher die Nabelschau der Autoren das war, was mir literarisch, niveauvoll, lesenswert erschien, ertrage ich sie heute kaum noch: Been there, read that. Ich bin damit durch, ich habe das wieder und wieder vorgekaut bekommen. Ich will die weiblichen Stimmen, und dieses Wollen wirkt wie eine unbewusste Kraft in mir. Sie treibt mich bei der Wahl meiner Lektüre viel mehr an, als ich gedacht habe. Das merke ich an der Zahl der gelesenen Bücher in diesem Jahr: 82 waren von Frauen, 38 von Männern. Dahinter steckt keine Absicht, kein einziges Buch habe ich ausgewählt, WEIL es von einer Frau war. Sondern weil es mich interessiert hat, vom Setting, von der Geschichte, von der Idee. Erst hinterher, erst jetzt, sehe ich, dass ich den Pfad, auf den Schule, Uni und Feuilleton mich gelockt, nein, geschubst haben, verlassen habe. Ich suche im Dickicht nach dem anderen. Ich suche nach dem, was ich nicht kenne. Und ich finde es bei den weiblichen Schreibenden. Das hatte ich nicht geplant, und es freut mich enorm. Ich feiere es, dass ich dieses Jahr so viele großartige Romane von Autorinnen entdeckt, gelesen und empfohlen habe. Ich teile sie mit euch, und dahinter steckt natürlich Aufwand, steckt natürlich Arbeit, die ich investiere, weil ich finde: Das Ungleichgewicht braucht ein Gegengewicht. Es ist mehr als an der Zeit, dass Autorinnen eine große Bühne bekommen. Nicht, weil sie Frauen sind. Sondern weil sie gut schreiben. Ich bin stolz, dass so viele Titel von Autorinnen in meinem Regal stehen. Dass ich so viele Autorinnen kenne – hätte man mich vor zwanzig Jahren gefragt, ich hätte fast nur Männer nennen können. Das hat sich extrem stark geändert, und das ist gut so. Welche Bücher von Frauen habt ihr in diesem Jahr entdeckt? (Ein großes Dankeschön für das Bild geht an Evelyn (Instagram @bookbroker)
Ich habe so einen Hunger. Ich sehne mich nach queeren Geschichten, nach neuem Stoff, nach Büchern von weiblichen Autorinnen, nach all dem, was mir so viele Jahre lang vorenthalten wurde – auch, weil ich nicht wusste, dass ich danach hätte suchen müssen. Das habe ich nicht gelernt, weder an der Schule noch an der Uni. Wenn ich heute drüber nachdenke, wie viele Bücher von Männern ich gelesen habe, kann ich es kaum glauben, und doch: Das war ganz normal. Ich bin mit fünfzehn, sechzehn zur „literarischen“ Leserin geworden, die Verteilung von männlichen/weiblichen Schreibenden war kein Thema für mich, niemand hat mich jemals darauf aufmerksam gemacht. Das musste erst wachsen, in mir drin. Der Wunsch musste erst entstehen, meine Aufmerksamkeit musste sich neu ausrichten. Mittlerweile ist das passiert, und das Erstaunliche ist: Alles ist in sein Gegenteil gekippt. Während früher die Nabelschau der Autoren das war, was mir literarisch, niveauvoll, lesenswert erschien, ertrage ich sie heute kaum noch: Been there, read that. Ich bin damit durch, ich habe das wieder und wieder vorgekaut bekommen. Ich will die weiblichen Stimmen, und dieses Wollen wirkt wie eine unbewusste Kraft in mir. Sie treibt mich bei der Wahl meiner Lektüre viel mehr an, als ich gedacht habe. Das merke ich an der Zahl der gelesenen Bücher in diesem Jahr: 82 waren von Frauen, 38 von Männern. Dahinter steckt keine Absicht, kein einziges Buch habe ich ausgewählt, WEIL es von einer Frau war. Sondern weil es mich interessiert hat, vom Setting, von der Geschichte, von der Idee. Erst hinterher, erst jetzt, sehe ich, dass ich den Pfad, auf den Schule, Uni und Feuilleton mich gelockt, nein, geschubst haben, verlassen habe. Ich suche im Dickicht nach dem anderen. Ich suche nach dem, was ich nicht kenne. Und ich finde es bei den weiblichen Schreibenden. Das hatte ich nicht geplant, und es freut mich enorm. Ich feiere es, dass ich dieses Jahr so viele großartige Romane von Autorinnen entdeckt, gelesen und empfohlen habe. Ich teile sie mit euch, und dahinter steckt natürlich Aufwand, steckt natürlich Arbeit, die ich investiere, weil ich finde: Das Ungleichgewicht braucht ein Gegengewicht. Es ist mehr als an der Zeit, dass Autorinnen eine große Bühne bekommen. Nicht, weil sie Frauen sind. Sondern weil sie gut schreiben. Ich bin stolz, dass so viele Titel von Autorinnen in meinem Regal stehen. Dass ich so viele Autorinnen kenne – hätte man mich vor zwanzig Jahren gefragt, ich hätte fast nur Männer nennen können. Das hat sich extrem stark geändert, und das ist gut so. Welche Bücher von Frauen habt ihr in diesem Jahr entdeckt? (Ein großes Dankeschön für das Bild geht an Evelyn (Instagram @bookbroker) Für alle, die einen Schmöker wollen:
Für alle, die einen Schmöker wollen: Apeirogon von Colum McCann
Apeirogon von Colum McCann Friday Black von Nana Kwama-Abjei-Brenyah
Friday Black von Nana Kwama-Abjei-Brenyah Das eiserne Herz des Charlie Berg von Sebastian Stuertz
Das eiserne Herz des Charlie Berg von Sebastian Stuertz Der Anhalter von Gerwin van der Werf
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Vom Land von Dominik Barta Ein Lied für die Vermissten von Pierre Jarawan
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Herr Rudi von Anna Herzig Women don’t owe you pretty von Florence Given
Women don’t owe you pretty von Florence Given „Die Männer Griechenlands sind wie Hunde, die um einen Knochen kämpfen“
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