Bücherwurmloch

Madeline Miller: Das Lied des Achill

„Die Männer Griechenlands sind wie Hunde, die um einen Knochen kämpfen“
Jeder kennt ihn: Achill, den strahlenden Kämpfer, Sohn der Meeresgöttin. Schon als Kind wird ihm eine glänzende Zukunft als unvergessener Held vorhergesagt. Als er den verstoßenen Patroklos kennenlernt, der ihm so gar nicht gleicht, weil er nicht musikalisch ist, nicht sportlich, nicht stark, entsteht zwischen den beiden Jungen eine so enge Freundschaft, dass alle anderen im Palast neidisch sind. Achill hält gegen alle Widersacher – allen voran seine Mutter, der diese Freundschaft ein Dorn im Auge ist – an Patroklos fest, und Patroklos folgt ihm an jeden noch so gefährlichen Ort. So landen die beiden später in den Wirren des Trojanischen Krieges, sie geraten in die Intrigen von Agamemnon, Odysseus und der Götter, die um das Schicksal der Menschen würfeln. Hier soll sich Achills Schicksal erfüllen. Und Patroklos ist bis zum Ende entschlossen, ihn nicht zu verlassen.

Madeline Miller hat zwei Talente: Zum einen weiß sie ausgezeichnet über die griechische Mythologie Bescheid, zum anderen kann sie sehr gut schreiben. In Kombination ist aus diesen beiden Talenten das herausragende Buch „Ich bin Circe“ entstanden, das ich letztes Jahr sehr gefeiert habe. Sie hat darin zum ersten Mal aus weiblicher Sicht das bekannte Heldenepos nacherzählt, mit dem viele von uns sich in der Schule gequält haben. Man muss aber sagen: Wenn es einem jemand mit eigenen, wohlklingenden Worten nacherzählt, ist das keine Qual mehr, ganz im Gegenteil, dann werden diese Geschichten sehr interessant. Michael Köhlmeier konnte das, Madeline Miller kann es ebenfalls: Sich den mythischen Stoff aneignen, ihn wiedergeben, sodass man ihn versteht – und sie versetzt ihn zusätzlich mit einer eigenen Note. Circe bekam female empowerment, Achill und Patroklos bekommen eine wunderschöne, intime, queere Liebesgeschichte. Die natürlich im alten Griechenland, in dem die Knabenliebe hochgehalten wurde, niemanden empört hätte, und darum geht es auch gar nicht: Nicht die Tatsache, dass sie beide Männer sind, steht im Vordergrund, sondern ihre Gefühle füreinander. Die Leidenschaft, das Pathos, die Liebe. Wer die griechischen Mythen kennt, wird sich in diesem Buch aufgehoben fühlen, wird vieles wiedererkennen und grinsend nicken. Wer sie nicht kennt, kann sich ihnen mit diesem Roman nähern, auf unkomplizierte und verständliche Weise. So oder so absolut lesenswert! Ich bin gespannt, welcher bekannten Figur Madeline Miller sich als Nächstes annimmt.

Das Lied des Achill von Madeline Miller ist erschienen im Eisele Verlag.

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