Bücherwurmloch

Bregje Hofstede: Verlangen

„Wer bin ich, wenn ich mit ihm zusammen bin – bin ich dann anders, weniger, mehr?“
Eine junge Frau heiratet ihre Jugendliebe, den Mann, den sie kennt, seit sie ein Teenager war, den sie liebt, seit sie ein Teenager war. Die beiden sind sehr früh ein Paar geworden und im Gegensatz zu anderen jugendlichen Liebschaften sind sie es geblieben. Aber war das eine kluge Entscheidung? Wie entwickelt man sich so nah an einem anderen dran zu einem eigenständigen Erwachsenen? Wer ist man ohne den anderen? Eines Nachts packt die Frau ihre Tagebücher in einen Rucksack und verlässt die gemeinsame Wohnung. Während sie in Airbnb-Zimmern unterkommt, jeden Tag woanders schläft und nicht weiß, wie es für sie weitergehen soll, analysiert sie diese einzige und dadurch wichtigste Beziehung ihres Lebens.

„Während du auf dem Bett saßt, saß ich dir direkt gegenüber auf einem Stuhl und versuchte dich zu zeichnen. Du hast durchaus gespürt, dass ich dich nicht nur anschaute: Jedem Strich ging insgeheim ein Streicheln voraus.“

Es geht um Zärtlichkeit und Intimität, um Zuneigung und Liebe, aber auch um den elenden Zahn der Zeit, der an allem, allem, allem nagt: auch an der Monogamie. Wer ist jemals verliebt geblieben? Was uns anfangs am Partnermensch fasziniert, nervt später, die Gefühle werden blass und schal. Das hat Bregje Hofstede in diesem Buch geradezu meisterhaft eingefangen.

„Du und ich haben fast täglich dieselben Worte wiederholt, wie ein Gebet oder eine Beschwörung (Ich liebe dich, Du bist so schön), sodass unsere Sprache sich asymmetrisch abnutzte: Wie eine Skulptur, die dort anfängt zu glänzen, wo sie besonders oft berührt wird (am Kopf, an den Händen, an den Zehen), ansonsten aber von einer dunklen Patina überzogen ist.“

Sie schreibt hervorragend, sehr poetisch und am Punkt, für viele Empfindungen, für die man selbst nicht einmal eine Bezeichnung hat, hat sie eine so exakt treffende Formulierung, dass man nur nicken kann. So ist das. So fühlt es sich an. Vermutlich steht fast jeder, der monogam mit einem Partnermensch lebt, irgendwann vor der Frage: Gehen oder bleiben? Mir persönlich war es etwas zu viel: zu viele Seiten, zu viel Tagebuch, zu viel vom selben – wie in jeder Beziehung eben, so schließt sich der Kreis.

„Ich nehme es dir übel, dass du begonnen hast, mich zu spiegeln, ja meine festgefahrensten Eigenschaften zu übernehmen. Ich habe dich mir so lange einverleibt, bis ich dich als mich selbst gehasst habe.“

Verlangen von Bregje Hofstede ist erschienen bei Oktaven.

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