Eine Liebe durch die Jahrzehnte
„Ich warte nie auf jemanden, schon gar nicht auf einen wie dich“, dieser Satz gehört zu den ersten Worten, die Louise an Léon richtet. Das ist noch während des Ersten Weltkriegs, im französischen Umland, wo sie einander kennenlernen – Léon arbeitet am Bahnhof, Louise für den Bürgermeister, während die Front immer näher rückt. Das wird ihnen zum Verhängnis, denn kaum haben sie sich verliebt, reißt ein Angriff sie auseinander und sie finden sich viele Jahre lang nicht wieder. Erst als Léon in Paris lebt, längst verheiratet ist und Kinder hat, trifft er unvermutet auf Louise, die er tot geglaubt hat. Und damit geht etwas weiter, das man nicht Beziehung nennen kann, auch nicht Freundschaft oder Affäre, vielmehr ist es eine lebenslange Verbundenheit, eine Liebe, die nicht verschwindet – nicht im Zweiten Weltkrieg, nicht durch Distanz, nicht durch Kontaktlosigkeit, einfach gar nicht.
So viel habe ich bereits über Alex Capus gehört, so oft wurde mir von ihm vorgeschwärmt – und nie habe ich etwas von ihm gelesen. Jetzt, wo ich Léon und Louise kenne, frage ich mich: Warum bitte nicht? Das ist perfekte Wohlfühlliteratur auf annehmbarem Niveau. Das ist schön und süß und grade so bitter, dass man ein bisschen weinen muss, aber auch versöhnlich genug, dass man glücklich ist am Ende. Das ist so ein Hach-Seufzer-Buch, ein Ach-wie-wunderbar-Buch, ein charmantes, entzückendes Buch. Besonders, weil der Ich-Erzähler der Autor selbst ist und Léon und Louise seine Großeltern sind. Was könnte es Tragischeres und Bewegenderes geben als zwei Liebende, die nicht zueinanderfinden können, weil die äußeren Umstände es verhindern? Das ist der Stoff von vielen Geschichten der Weltliteratur ebenso wie von SAT1-Schnülzchen. Viele Leute haben mir geschrieben, dass sie dieses Buch lieben, und hej, ihr, ich gehöre jetzt zu euch.
Léon und Louise von Alex Capus ist als Taschenbuch erschienen bei dtv (ISBN ISBN 978-3-423-14128-4, 320 Seiten, 10,90 Euro).
„St. Pauli ist eine riesige Melkmaschine!“
„Zwischen morgens und abends kann jemandem, den man liebt, so viel passieren“
Bei
Es ist „nur“ ein Buch, ich weiß das. Aber wenn es diesem Buch gelingt, bei einer Handvoll Lesern etwas zu bewirken, ein Nachdenken, ein Umdenken, ein Wütendwerden, ein So-nicht-mehr-Gefühl, dann ist das schon viel. Dann ist das alles, was ich mir wünsche. Erwartet also bitte keine Wohlfühlkuschellesezeit. Erwartet Zynismus und Biss und Witz und Traurigkeit und Bitterkeit. Ich weiß nicht, was diesem Roman und mir blüht und ob man unsanft mit uns umgehen wird, aber ich weiß: Es ist gut, dass ich ihn geschrieben habe. Weil Schluss sein muss damit, dass über diese Dinge geschwiegen wird.
„Als ich nach Machandel kam, hatte ich schon ein Leben hinter mir“
„Sie war in der Lage, das gesamte Universum in Flammen aufgehen zu lassen, aber der Brennstoff war sie selbst. Irgendwo in ihr drin war verbrannte Erde“
„Erwartete Yong-Hye, dass Äste aus ihr wachsen?“
„Wenn sie nicht die richtigen Worte fand, verlor sie den Boden unter den Füßen“
„Liebe, denkst du, ist nichts anderes als eine Vorgeschichte für die ganz große Scheiße, in der man unwiderruflich landet“
„Es gibt Seelen, die irgendwo einen geheimen Sprung haben, einen unsichtbaren Riss, der selbst denjenigen verborgen bleibt, die ihn in sich tragen“