„Haben Sie schon einmal versucht, von jemandem grundlegende Achtung als Mensch einzufordern?“
„Und in manchen Fällen brauchen die Worte Jahre, um unseren Körpern folgen zu können, um zu sagen, was längst gesagt worden ist.“
In diesem Fall ist das so: Heute folgen die Worte, die junge Frau spricht. Sie spricht mit dem Arzt, der gerade ihre Genitalien untersucht, sie deckt ihn zu mit einem langen, sehr persönlichen, sehr intimen Monolog, spricht ihn immer wieder an als Dr. Seligman, hat aber selbst keinen Namen. Sie erzählt von ihren Eltern und ihren Sexträumen, in denen Hitler eine verstörend große Rolle spielt, von K, der ihr das Herz gebrochen hat, und der Gesellschaft, die sie nicht akzeptiert, wie sie ist. Es geht um Körperwahrnehmung und Body Dysmorphia in diesem Buch, um Nazis und Katzen und die Frage, wann wir Menschen endlich aufhören, einander in Schubladen zu stecken – und jene zu diskriminieren, die in keine Schublade passen.
Der Termin ist ein einziger, 120 Seiten langer Stream of consciousness, teilweise sehr scharf und wahr, teilweise sehr seltsam und verstörend. Es ist Katharina Volckmer, die in Deutschland geboren ist, aber in London lebt und das Buch auf Englisch verfasst hat, hervorragend gelungen, ihrer namenlosen Ich-Erzählerin eine eigenwillige Stimme zu geben. Und auch wenn schnell klar wird, worin der Kern des Romans in Wahrheit besteht – und um nicht zu spoilern, verrate ich euch das nicht –, finde ich das Thema wichtig und zeitgeistig. Selten wird es so bissig und schamlos auf den Punkt gebracht. Der Termin wirft einen entlarvenden, fast hämischen, aber auch völlig resignierten Blick auf die Welt, in der wir leben, auf die Kategorien, denen wir uns unterwerfen, tut dies anhand kleiner Alltagsbegebenheiten sowie mittels großer umwälzender Veränderungen am Körper und im Auftreten. Es ist ungewöhnlich, originell und im Ton oft herausfordernd, Berührungsängste mit Toilettenficks und Hitler darf man jedenfalls keine haben. Ich habe oft genickt, geschmunzelt, mich gegraust, und ich feiere das Buch für seinen düsteren Witz, die gnadenlose Ironie und den entwaffnenden Mut.
Der Termin von Katharina Volckmer ist erschienen im Kanon Verlag.
„Schönheit ist nicht nur ein Geschäft, sie ist vor allem eines: politisch“
„Ich habe das Gefühl, mich nie wieder in meinem Leben vor irgendetwas fürchten zu müssen“
„Ich musste es ihm nie sagen, und daher wusste ich, dass ich ihn liebte“
„Ich überlegte, ob es einen Stichtag gab, ab wann eine Person endlich aufhören musste, ihrer Mutter die Schuld für die eigenen Gedanken zu geben“
„Aber Wissen und Wissenwollen sind sehr verschiedene Sachen“
Commissario Brunettis dreißigster Fall
„Wir wachsen mit einem Mutterbild auf, bei dem die Frau an ein Stück Würfelzucker erinnert: immer zur Hand und zur Selbstauflösung bereit“
„When can I say your name and have it mean only your name and not what you left behind?“
Die Schönheit des entzauberten Alltags