Leben mit der Todesangst
Ada ist 25 Jahre alt, ausgebildete Schauspielerin, schön, eigenständig, klug. Und Ada hat Angst. Die Angst ist größer und stärker als Ada und hat die junge Frau so sehr im Griff, dass ihr zunehmend das Leben durch die Finger rutscht. Ada kann nicht schlafen, sie kann die Vorsprechen, zu denen sie eingeladen wird, nicht wahrnehmen, sie hat kein Geld, kaum Freunde, und die rosigen Aussichten werden auch immer weniger. Da Ada mit der Miete im Rückstand ist, bekommt sie völlig überraschend einen Mitbewohner in die Wohnung gesetzt: den jungen Goldschmied Juri, dessen Vater gestorben ist. Ada ist entsetzt und tut alles, um den Eindringling loszuwerden. Mit stoischer Geduld erträgt Juri ihre Kapriolen – bis es ihm reicht. Und erst da erkennt Ada, dass es so nicht weitergehen kann und dass es eigentlich die Angst ist, die sie endlich loswerden sollte …
Die Schweizer Autorin Simone Lappert nimmt mich in Wurfschatten mit auf eine ebenso unheimliche wie faszinierende Reise: in den Kopf eines Menschen, in dem ich Gedanken und Gefühle finde, die es in meinem eigenen Kopf nicht gibt. Das ist für mich extrem befremdlich und verstörend. Als Mensch, der sich überhaupt nix scheißt, möchte ich Ada am liebsten – ganz klischeehaft – schütteln und sagen: Mädel, was ist los mit dir? Andere haben Ebola, wo ist dein Problem? Aber mir ist natürlich klar, dass so eine Angst, wie Ada sie mit sich herumschleppt, genau das Gegenteil von rational ist und dass man sie nicht einfach so abschütteln kann. Genial finde ich die Idee der jungen Autorin, die bereits für ihre Lyrik ausgezeichnet wurde, ihrer ängstlichen Heldin einen fremden Mann in die Wohnung zu setzen und zu sagen: Na, Ada, was machst du jetzt? Das ist spannend, schafft Konfliktpotenzial und macht aus der Beschreibung eines von Angst gebeutelten Menschen eine echte Geschichte. Gekonnt weicht Simone Lappert dabei den Klippen der Klischees aus und schildert die Annäherung ihrer zwei Protagonisten so erfrischend, schön und unbedarft, dass ich ihr fast glaube, sie hätte das Ganze neu erfunden.
Wurfschatten ist ein kluges, kraftvolles und dabei doch leises Buch, das mit seinem ausgezeichneten Sprachstil aufhorchen lässt. Sehr elegant führt Simone Lappert ihr ängstliches Mädchen durch dieses Buch, sie hat Literarisches Schreiben studiert und weiß mit dem Werkzeug Sprache umzugehen. Ihre Sätze sind fein geschliffene Kunstwerke und übertreiben niemals, sehr klar und unbedarft kommen sie des Weges. Ein wunderbarer, lebensbejahender, grandioser Roman, den ich euch dringend empfehlen möchte.
Wurfschatten von Simone Lappert ist erschienen im Metrolit Verlag (ISBN 978-3-8493-0095-1, 207 Seiten, 20 Euro).
Noch mehr Futter:
– „Simone Lappert kann mit Worten jonglieren, sie nähert sich Ada auf behutsame Weise, kleidet in sprachliche Bilder, was sonst schwer zu erklären ist“, schreibt Sophie von Literaturen.
– „Wurfschatten ist ein wunderbar poetischer Roman. Eine Liebesgeschichte, die ganz zögerlich beginnt. Mit einem Flair für komische Situationen erzählt Simone Lappert leicht und beschwingt, wie die Heldin wieder langsam beginnt ins Leben zurückzufinden“, heißt es auf srf.ch.
– „Simone Lappert erzählt in ihrem Debütroman eine ungewöhnliche Girl-meets-boy-Story, durchaus morbide, doch dabei seltsam zärtlich“, erklärt Spiegel Online.
– Hier könnt ihr der Autorin beim Lesen zusehen.
– Und hier könnt ihr den Roman bei ocelot.de bestellen.