Netter Versuch: 2 Sterne

“Weil es schlimmer nicht mehr kommen kann und schlimmer kommen wird”
Helen und Joseph sind seit der Kindheit beste Freunde, als Helens Finger im Sandkasten von einem Kindergartenrowdy abgetrennt wurd und Joseph ihr beistand. Als Helen nun – etwa 50 Jahre später – zwei Mal von Josephs Tod träumt, den er freiwillig herbeiführt, indem er sich in einen Sarg legt und erstickt, erfasst sie Panik. Sie ist eine rationale, nüchterne Frau, eine Bibliothekarin, die das Kategorisieren verinnerlicht hat: “Sie weiß, wohin ein Buch gehört. Sie kategorisiert es, versieht es mit einer Signatur, bestimmt den Platz im Regal und die Links für die Internetrecherche. Es ist die Basis ihres Jobs, und mit Menschen verhält es sich nicht anders als mit Büchern.” Helens Leben ist auffällig leer, geradezu trostlos, ihre Ehe mit dem betrügerischen Ehemann geschieden, und sie weiß, was alle denken: “Es hat so kommen müssen mit ihr und der Einsamkeit.” Der junge, dicke Fernsehkoch Paco stellt ihr nach, und da die Mutter im Krankenhaus weilt, muss sie sich um Herrn Nienhaus – den sie niemals Vater nennt – kümmern. Die Angst vor Josephs unmittelbarem Tod bringt die kühle Helen aus der Fassung und zwingt sie dazu, die Augen zu öffnen und den Blick dorthin zu richten, wo all die Jahre nur Schatten war.

Die deutsche Autorin Husch Josten hat mit ihrem Erstlingswerk In Sachen Joseph ein sehr eigenwilliges, verqueres Buch geschrieben, das sich – was für Helen wohl eine Pein wäre – überhaupt nicht schubladisieren und kategorisieren lassen will. Ihr Schreibstil ist stellenweise elegant, dann wieder überladen, die Mischung aus fließenden Sätzen und abgehackten Wort-Punkt-Kombinationen ohne Verb ist irritierend, wie ein Auto mit ruckelndem Motor. Dies ist keine Sprache zum Schwelgen, sie ist klobig und zäh. Was die Beziehung zwischen Helen und Joseph betrifft, so bereitet sie mir von Anfang an Unbehagen, die Lektüre wirft eine Menge Fragen auf, warum treffen die beiden einander nie, wieso ist Joseph überhaupt nicht greifbar, weshalb gibt es kaum Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse? Ich wundere mich, was das für eine Freundschaft sein soll – und komme recht bald zu einer Überzeugung, die sich letztlich als richtig herausstellt. Das macht eine Bewertung nun heikel, denn obwohl ich die Konstruktion der Handlung durchschaubar fand und nicht überrascht war, ist der Roman dennoch sehr gefinkelt und wird mit Sicherheit viele Leser in Erstaunen versetzen und ihnen gefallen – wie etwa Ada und flattersatz. Es ist daher höchst subjektiv, wenn ich sage, dass der Handlungsverlauf bei mir keine Begeisterung ausgelöst hat. Sehr subjektiv ist auch, dass Helen für mich eine zutiefst unsympathische und uninteressante Frau ist, deren Schicksal – wenn man bei all der Ereignislosigkeit in ihrem Leben überhaupt von Schicksal sprechen kann – mich gleichgültig lässt. Dies ist kein Buch über Freundschaft im eigentlichen Sinne, eher über Einsamkeit und Stille, über die schweren Lasten, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden, über Fantasie und die Tatsache, dass nun einmal niemand das Alleinsein erträgt. Es widerstrebt mir, dieses Buch zu verunglimpfen, da ich glaube, dass es durchaus lesenswert ist – nur eben leider nicht mein Fall.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
das Cover ist okay, mit der Schrift Borgis Joanna MT verwendet bup eine sehr schöne Serifenschrift.
… fürs Hirn: die Wahrheit hinter allem und ihre Bedeutung. Die Tragik, die Tragik!
… fürs Herz: die schreckliche Geschichte aus Herrn Nienhaus’ Kindheit, die er Helen schließlich offenbart.
… fürs Gedächtnis: in meinem Fall nur der ungewöhnliche Vorname der Autorin.

In Sachen Joseph ist erschienen bei Berlin University Press (ISBN 978-3-86280-001-8, 19,90 Euro.)

Netter Versuch: 2 Sterne

“Für einen Augenblick habe ich Angst, dass ich in der Nacht gestorben bin”
Hohl ist das Leben von Alex, dessen Eltern in Amerika reich wurden und der sich dank ihres Erbes jegliche Extravaganz leisten kann. Und weil der Inhalt fehlt für seine Tage, füllt er sie mit Frauen und Wein, ganz im klassischen Sinne eines attraktiven Schwerenöters. Geldsorgen kennt auch Pia nicht, die ebenfalls vom Reichtum der verstorbenen Eltern profitiert, doch die Diagnose einer tödlichen Krankheit entzieht ihr ruckartig den Boden unter den Füßen- Pia hat alles außer Zeit, der Krebs frisst ihren Körper, raubt ihr die Kraft. Und Pia erinnert sich an Alex, den sie eins geliebt hat, den sie für den Einzigen hielt: “Seit ich weiß, dass ich krank bin, denke ich oft an die Menschen, die ich gekannt habe, an den einzigen Menschen, wie ich mir eingestanden habe, der für mich, von meiner Familie abgesehen, jemals von Bedeutung war.” Der nahende Tod drängt Pia dazu, in die Vergangenheit zu blicken, an jenen Punkt, als sie im Alter von 10 Jahren Alex traf – der schon damals mit ihr schlafen wollte -, an jenen Sommer, als sie 16 waren und mehrere Wochen lang allein Urlaub machten. Schließlich bricht sie auf, um Alex ein letztes Mal zu sehen.

Alexander Schimmelbusch hat mit Blut im Wasser eine zweistimmige Erzählung verfasst, eine sehr kurze, keinen Roman in meinen Augen – dafür fehlt es an der Ausarbeitung der Figuren, an einer Vertiefung der Geschehnisse, an einem Mehr an Handlung. Zwei Ich-Erzähler berichten aus einem sehr abstrakten Alltag, nichts Konkretes, und die beiden geschilderten Lebenswirklichkeiten scheinen derart verschieden, als hingen sie nur zusammen durch Pias Behauptung, es habe damals einen Berührungspunkt gegeben. Denn während Pia mit dem Ende ihres Lebens hadert, hat der gelangweilte Alex unbekümmert Sex, und während Pia ihn erinnert, denkt er nicht an sie, nicht ein einziges Mal. Dieser Gegensatz ist krass und lässt Pias Seite der Erzählung allzu sehr ins Dramatische kippen, widmen sich doch auf der Gegenseite Alex’ Gedanken nur dem Wein, dem Geschlechtsverkehr, dem Geld und seiner Mutter. Beide sind völlig allein, und Alexander Schimmelbusch säuselt ihnen die Frage ins Ohr: Was wäre gewesen, wenn … ihr euch anders entschieden hättet? Pia verspürt unversöhnlichen Zorn, Alex fühlt nur Gleichgültigkeit. Deshalb muss das Ende wohl sein, wie es ist: brutal und erbarmungslos wie das Leben selbst. Kein Mitleid gibt es für Pia und Alex, aber auch keine Seele, kein Gesicht. Blut im Wasser ist eine Abhandlung über die Oberflächlichkeit, die aufgrund ihrer Kürze selbst oberflächlich bleibt, die Figuren sind blass und stereotyp – reich und blasiert -, die Klischees nicht in gelebte Realität umgesetzt. Ein Versuch, der Talent und Intelligenz erahnen lässt, aber nicht vollständig gelingt.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ein Cover mit schönen Farben und einem Schuss Sinnlosigkeit.
… fürs Hirn: der Einblick in die Wir-haben-alles-Gesellschaft, der es – wir haben es tausendfach gehört und gelesen – aus Langeweile an Seelenleben fehlt.
… fürs Herz: das Herz bekommt kein Futter in diesem Buch, es wird stumm gehalten und betäubt mit Wein, weil die Leere sich sonst nicht ertragen lässt.
… fürs Gedächtnis: das bittere Ende.

Blut im Wasser ist erschienen im Blumenbar Verlag (ISBN 978-3-936738-58-2, 16,90 Euro).

Netter Versuch: 2 Sterne

Shockingly boring
Eine kleine Stadt namens Grouse County, die nichts Besonderes zu bieten hat. Ein Sherrif namens Dan, der dort für Recht und Ordnung sorgt. Die Fotografieassistentin Louise und ihr Mann Tiny Darling, von dem sie sich scheiden lässt. Das ist das Setting von Tom Drurys hochgelobtem “modern classic” The end of vandalism, das unter die “best of 45 years” gewählt wurde. Das Leben ist beschaulich in Grouse County, träge, ereignislos, und nach der Trennung von Louise und Tiny heiratet die Frischgeschiedene den Sheriff. Man liebt sich nicht unbedingt über alle Maßen, aber man kommt gut miteinander zurecht. Beide gehen ihren Berufen nach, Louise hat eine nervtötende Mutter, Tiny trauert ihr ein wenig nach und weiß ansonsten nichts mit sich anzufangen, und ab und zu gibt es eine halbwegs interessante Veranstaltung in der Stadt. Meistens jedoch nicht. Denn in Grouse County passiert eigentlich nichts. Genau wie in diesem Buch.

The end of vandalism gilt als Klassiker und wurde sogar mit einem Vorwort versehen. Darin heißt es, das Buch sei “an intelligent and kindhearted examination of a group of economically adrift characters in the modern American Middle West. And it’s fucking funny”. In der Tat ist es jedoch eher shockingly boring. Tom Drury, der auch mit Die Traumjäger sehr erfolgreich ist, hat zwar eine Szenerie geschaffen – ein verschlafenes Nest – und sich ein paar Figuren erdacht, er hat nur leider über 300 Seiten lang vergessen, seinem Roman mit Handlung Leben einzuhauchen. Die Konstellation Louise, Tiny und Dan könnte eine vielversprechende Dreieckskonstellation ergeben – davon kann aber nicht die Rede sein. Es gibt keine Eifersucht, auch keine Liebesgeschichte, keine Prämisse, keinen Spannungsbogen, keinen Höhepunkt. The end of vandalism ist am ehesten noch eine Studie des amerikanischen Lebens – was ich aber eigentlich nicht hoffen möchte, denn dann wäre dieses unendlich fad. Die Beschreibungen im Buch sind schrecklich öde: “After getting the groceries, Tiny had to pick Joan Gower up and bring her home. They were still living in the basement of the church in Margo, and Joan served three nights a week as a volunteer at the Saint Francis House animal shelter in Wylie. It was a b it of a jaunt from Margo to Wylie, and Tiny wished she had found an animal shelter or some other volunteer outlet closer to home.” Und so weiter, und so fort – auf diese Art ziehen sich die drögen Sätze seitenweise. Zudem führen die Menschen in diesem Roman keine normalen Gespräche, sondern erzählen einander nur völlig irrelevante Fakten. Als dann doch einmal etwas geschieht, als Dan und Louise mit einer privaten Tragödie konfrontiert werden, wird diese kaum thematisiert und dann, nachdem genug Zeit vergangen ist, einfach vergessen. Zu allem Übel hört das Buch sehr unvermittelt auf – und ich bleibe verwirrt und genervt zurück. Eine Haltung, mit der ich ziemlich allein dastehen dürfte, denn The end of vandalism bekam beste Kritiken und wurde sogar vorab in Auszügen im New Yorker publiziert. Ich kann nicht aufhören, mich darüber zu wundern.

8

Netter Versuch: 2 Sterne

Es war einmal …
… ein kleines Büchlein voller höchst ungewöhnlicher Geschichten, in denen Armut und Hunger, Mord und Seuchen vorherrschen. Der Untertitel verrät, dass die Autorin, eine der populärsten Figuren des russischen Untergrunds, in dieser Sammlung allerhand Schauerliches verarbeitet hat. Man stirbt sehr schnell bei Ljudmila Petruschewskaja, doch die Toten können sich je nach Wunsch noch einmal bei den Lebenden melden – Irreales ist hier nämlich ganz normal: “Plötzlich entdeckte er am Hals ein winziges Loch, aus dem Tränen flossen, als sei es noch ein zusätzliches Auge” heißt es etwa, oder: “Es war einmal ein Mädchen, das starb und zurück ins Leben fand.” Ein Zauberer macht aus zwei dünnen Mädchen ein einziges dickes, ein Kind lebt in einem Kohlkopf, und eine Frau bildet sich einen Poltergeist ein. Das ist kurios, wundersam und amüsant.

Ich habe Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte einzig wegen des genialen Titels gekauft. Ljudmila Petruschewskaja wartet mit sehr unkonventionellen Ideen auf und präsentiert einen Reigen an absurden Einfällen. Manche ihrer Geschichten sind tatsächlich ordentlich schaurig, andere lösen bei mir reines Unverständnis aus. Womöglich ist mir der russische Schmäh ein Rätsel, zumindest lassen mich einzelne Kapitel in absoluter Ratlosigkeit zurück. Ich habe stellenweise auch das Gefühl, als verberge sich subtile Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen, die ich aber nicht ganz entschlüsseln kann. Andere Geschichten dagegen sind unterhaltsam und schön originell. Am besten sind in der Tat stets die ersten Sätze: “Es war einmal ein Vater, der seine Kinder nicht finden konnte” oder “Es war einmal ein sehr dickes Mädchen, das nicht ins Taxi passte.” Ein Buch wie dieses habe ich definitiv noch nie gelesen, es garantiert angenehmen Grusel, aber auch viel Verwirrung.

Lieblingszitat: “Der Mensch fürchtet die Anwesenheit unbekannter Wesen, er fürchtet Insekten, winzige Ameisen im Bad, er fürchtet sogar eine einzelne betrunkene Schabe, die im narkotisierten Zustand vor der Ausrottungsschlacht der Nachbarn geflohen ist.”

Netter Versuch: 2 Sterne

Ach Johnny, geliebter Johnny
Bogus bekommt ein Kind mit der amerikanischen Skiläuferin Biggie, die er in Österreich kennengelernt hat und die ihren Spitznamen ihrer Statur verdankt. Die Ehe der beiden ist jedoch nicht von Dauer – wie sonst auch alles in Bogus’ Leben. Er kämpft seit Jahren mit seiner Doktorarbeit und dreht merkwürdige Filme mit dem Möchtegernregisseur Ralph. Sein Penis macht Probleme beim Urinieren, weshalb Bogus vor und nach dem Sex mit seiner Geliebten Tulpen viel Wasser trinken muss. Und Tulpen will auch noch ein Baby von ihm …

Ich habe schon oft und mit vielen Leuten über John Irving diskutiert, der offenbar in die Kategorie “Love it or leave it” fällt. Ich bin pro Johnny, wollte aber nach Until I find you kein Buch mehr von ihm lesen, sondern die Genialität von Garp und Owen Meany in Ehren halten. Dann aber habe ich Die wilde Geschichte vom Wassertrinker geschenkt bekommen und konnte es natürlich nicht einfach stehen lassen im Regal. Doch, ach, es war enttäuschend: Dies ist in meinen Augen der schlechteste Irving. Ich kenne alle seiner Ansätze: die schwierige Vater-Sohn-Beziehung, das Ringen, die Liebe zur Stadt Wien, die Bären. Dies alles kommt in Die wilde Geschichte vom Wassertrinker aus dem Jahr 1972 bereits vor, in den nachfolgenden Büchern ebenfalls immer wieder. Ich vermisse aber den Witz und Esprit von Hotel New Hampshire oder das Absurde von Die vierte Hand. Dieser Roman ist im Vergleich recht eintönig und langweilig. Besonders öde finde ich die vielen Briefe. Auch den Perspektivenwechseln zwischen 1. und 3. Person kann ich nicht leiden. Ich habe mit John Irving schon viele schöne und heitere Stunden verbracht – allerdings nicht in Zusammenhang mit dem Wassertrinker. Ich denke, dabei sollten wir es nun belassen, etwas Besseres kann nicht mehr nachkommen und ich will diese Freundschaft in guter Erinnerung behalten.

Netter Versuch: 2 Sterne

“Schön soll das Leben sein, schön!”
“Mathematik ist wie Poesie. Jede Zeile, jede Formel muss sich auf die nächste reimen, nur dann wird alles ein langes und schönes Gedicht.” Ein solches Gedicht will der russische Mathematiker Boris schaffen: Seit vier Jahren beobachtet er für seine Doktorarbeit die Bahnen seiner Fische. Als ein katastrophaler Eisregen über Toronto hereinbricht, steht Boris wegen des Stromausfalls vor dem Ende seiner Forschung. Doch dann kommt er bei der Stripperin Julie unter … Schuldig am Eisregen fühlt sich der elfjährige Ich-Erzähler. Der hat sich nämlich gewünscht, dass “der Himmel etwas machen soll”, damit seine Eltern sich nicht trennen. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten sieht es ganz so aus, als würde sein Wunsch in Erfüllung gehen …

In Bei Kälte ändern die Fische ihre Bahnen wird es arktisch kalt – und deshalb rücken die Menschen näher zusammen. “Die wahre Natur des Menschen zeigt sich, wenn er in der Scheiße sitzt!”, schreibt der kanadische Autor Pierre Szalowski und lässt den Leser in eine Siedlung in Toronto blicken, in der die Bewohner plötzlich aufeinander angewiesen sind. Ein schwules Pärchen, der Alkoholiker Alexis und sein vernachlässigter Sohn oder die Eltern des elfjährigen Jungen: Das eisige Wetter bringt sie dazu, sich miteinander zu beschäftigen, einander zuzuhören, aufeinander zuzugehen. In einer simplen, liebevollen Sprache erzählt Pierre Szalowski von Menschen, die sich eingeigelt haben in ihrer Selbstsucht – und auf einmal daran erinnert werden, dass es auch andere gibt. Das ist schön, herzerwärmend und sehr, sehr kitschig. Das vorhersehbare Happy End ist wirklich happy – nicht umsonst heißt eines der Kapitel “Ende gut, alles gut” – und lässt gleich alle Wünsche auf einmal wahr werden. Ich habe da gar nichts dagegen, fühle mich am Schluss aber doch etwas übersättigt von all der Süße. Pierre Szalowski hat in diesem Roman nette Begebenheiten gesammelt, Tiefgang hat die Geschichte aber nicht. Dies ist ein Buch wie Zuckerwatte: duftig, locker, köstlich, aber auch ein bisschen gehaltlos und klebrig. Manchmal muss es jedoch einfach was richtig Süßes sein.

Lieblingszitat: “Viele Menschen nutzen die Zeit unter der Dusche gerne zum Nachdenken. Mein Vater und meine Mutter mussten doppelt so viele Gedanken haben, da sie zu zweit darunter standen.”

Netter Versuch: 2 Sterne

Eine Bombe, ein Soldat und jede Menge Politik
Es ist etwas faul im Staate Pakistan: Der Diktator General Zia soll gestürzt werden, seine Getreuen schmieden ein Komplott. Ganz persönliche Gründe, den korangläubigen General Zia zu beseitigen, hat der junge Soldat Ali Shigri. Er ist der Sohn des berühmten Colonel Shigri, der eines mysteriösen Todes gestorben ist – und den Ali rächen will. Eine spezielle Freundschaft verbindet ihn mit seinem Kollegen Obaid. Als dieser überraschend aus der Kaserne verschwindet, wird Ali von den Befehlshabern verhaftet und gefoltert, er gerät mitten hinein in politische Machenschaften, in deren Zentrum eine Flugzeugbombe steht – oder ist Ali doch nicht so unbeteiligt, wie es scheint?

Ich finde lange nicht hinein in dieses Buch – oder womöglich gelingt es mir nie, denn auch am Ende ist mir der Zugang versperrt zu A case of exploding mangoes, das für so viel Aufsehen in der Szene gesorgt und gute Kritiken bekommen hat. Anfangs verwirren mich die vielen Namen und militärischen Rangbezeichnungen, auch erschwert es mir das Verständnis, dass die Handlung sozusagen von hinten aufgezäunt wird. Die Flugzeugbombe bzw. deren Explosion steht sowohl am Anfang als auch am Ende des Romans, dazwischen entfalten sich die Ereignisse, die zum Tod der Regierungselite Pakistans geführt haben. Das große Manko daran: Der Schluss hält nichts Überraschendes mehr bereit, ein Aha-Erlebnis bleibt aus. Worum geht es also in diesem Buch? Um Meinungsfreiheit in einer Diktatur, um Machtgeilheit, Militärwillkür, um Folter und um Rache. Der Ton des Ich-Erzählers Ali ist spöttisch und distanziert, der vermeintliche Humor hinter den Geschehnissen trifft bei mir jedoch nicht ins Schwarze. Ich amüsiere mich durchaus zeitweise über den höhnischen Sarkasmus, insgesamt ist mir das Buch aber zu lahmarschig und uninteressant. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, mich einzulassen auf diese Satire über eine Militärdiktatur, aber gelungen ist es mir nicht. Mehr als ein gleichgültiges Schulterzucken ist nicht geblieben.

2

Netter Versuch: 2 Sterne

Die Türkei in Aufruhr
Am 1. Mai 1977 gerät der 18-jährige Eiche mitten hinein in die Unruhen: “Schlägereien und Schusswechsel zwischen Faschisten, revolutionären Studenten und der Polizei waren an der Tagesordnung.” Eine junge Frau namens Zuhal rettet Eiche aus der Gefahr, und als sich ihre Wege später erneut kreuzen, kommt Eiche mit dem revolutionären Gedankengut in Kontakt. Er lebt sehr behütet, er geht in ein Internat und plant, seine Freundin Ayfer zu heiraten. Doch durch die Berührung mit der Politik und die Anziehungskraft, die Zuhal auf ihn ausübt, nimmt sein Leben eine Wende: Eiche und Ayfer trennen sich, er beginnt ein Literaturstudium. Aber während Zuhal ernst macht, in den Untergrund geht, sich den Terroristen anschließt und Menschen tötet, kann Eiche sich nicht dazu überwinden, die Theorie vom freien Leben in die Praxis umzusetzen, er glaubt nicht an die Gewalt. Und so kann es für ihn und Zuhal niemals einen gemeinsamen Weg geben.

Zwei Beweggründe hatte ich, mir dieses Buch zu kaufen: Zum einen hatte ich eine sehr positive Rezension gelesen, zum anderen wusste bzw. weiß ich sehr wenig über die Türkei in den 1970er- und 1980er-Jahren und dachte, das könnte interessant werden. Das war es prinzipiell auch, allerdings sollte man wohl dennoch in Grundzügen über den geschichtlichen Hintergrund der Ereignisse Bescheid wissen, um sie zu verstehen. Schwarzer Himmel, schwarzes Meer ist ein sehr unstrukturiertes Buch, der Autor folgt seinem Protagonisten Eiche und dem Ziel seiner Sehnsüchte, der Aktivistin Zuhal, mal mehr, mal weniger nah, er lässt die Jahre vergehen, die Handlung verläuft enttäuschenderweise irgendwie im Sand. Da es – obwohl sie das Zweierpaar dieses Romans sind – nur wenige Überschneidungen zwischen Eiche und Zuhal gibt und ihr Erleben parallel geschildert wird, wartet man als Leser ständig auf einen großen Knall, ein Aufeinanderprallen, eine Lösung. Ab Seite 160 kommt auch Zuhal plötzlich selbst zu Wort, zuvor hat sie keine eigene Perspektive – dieser unerwartete Wechsel hat mich sehr irritiert. Ich hätte mir mehr Berührungspunkte zwischen den beiden Helden gewünscht, man kann in ihrem Fall ja nicht einmal von Sehnsucht oder gar Liebe sprechen.

Izzet Celasin war ins einer Jugend selbst politisch aktiv und hat einige Zeit im Gefängnis verbracht. In diesem Roman beschreibt er die Nöte und Pläne der türkischen Jugend von dazumals, die auf der Suche war nach der ultimativ gültigen Weltansicht. Während Eiche seltsam unentschlossen bleibt und nie richtig Stellung bezieht, wirkt Zuhal wie eine gar zu hochstilisierte Symbolfigur ohne eigene Persönlichkeit, die klischeehafte Terroristin, die nicht davor zurückschreckt, für ihre Ziele zu töten oder selbst in den Tod zu gehen. Alles in allem ein Buch über eine aufregende Epoche in der Geschichte der Türkei, dessen Handlung jedoch wegen vieler zäher Schwachstellen zu wünschen übrig lässt. Ein wenig versöhnlich stimmt mich der passende, wenn auch pathetische Schluss.

Netter Versuch: 2 Sterne

Eine japanische Komödie in 5 Akten
“Dieser Typ war wirklich nicht reifer als ein fünfjähriges Kind.” Die Rede ist von Dr. Irabu, der als Psychiater arbeitet und seine Klienten mit ungewöhnlichen Ideen überrascht und – manchmal – von ihren Marotten heilt. Statt einem Trapezkünstler bei seinen Problemen zu helfen, schwingt er, der dicke, kleine Mann, sich selbst auf dem Trapez durchs Zirkuszelt, und mit einem verzweifelten Baseballer, der nicht mehr treffen kann, schlägt er Bälle im Garten und amüsiert sich königlich. Er hört nie zu, benimmt sich wie ein Kind, und hat eine seltsame Vorliebe für Spritzen – allerdings nur, wenn sie seinen Patienten in den Arm gejagt werden. Ab und zu sind seine Methoden erfolgreich, und dann wirken sie raffiniert, meistens scheinen sie jedoch so hilfreich zu sein wie ein Loch im Kopf.

Die seltsamen Methoden des Dr. Irabu ist ein heiteres kleines Buch mit einer verrückten und erfindungsreichen Hauptfigur, die sich nicht um Konventionen schert und ständig nur Spaß haben möchte. Mit einem seriösen Arzt hat Dr. Irabu nicht das Geringste gemeinsam. Trotzdem kommen seine Patienten wieder, sie können sich gar nicht wehren: “Dieses Sprechzimmer war wie ein Riesenrad: Wenn man einmal drinnen saß, war man ihm eine Umdrehung lang ausgeliefert.” Hideo Okuda bietet mit diesem Roman, der aus fünf Geschichten mit jeweils einem neuen Klienten besteht, intelligente Unterhaltung, angereichert mit viel Humor, originellen Einfällen und typisch japanischer Zurückhaltung. Wer sich ein paar unbeschwerte Lesestunden wünscht, ist mit Dr. Irabu bestens bedient, zu viel Gehalt oder Tiefgang darf man sich jedoch nicht erwarten. Die Lektüre hinterlässt zarte Schmunzelfalten und den Gedanken, sich doch öfter mal wieder zu verhalten wie ein Lausbub – dann ist das Leben einfach lustiger.

Netter Versuch: 2 Sterne

Ein Jugendbuch über eine Kämpferin
Als die 16-jährige Jenna im Krankenhaus erwacht, ist ihr Leben auseinandergerissen: Sie hatte zusammen mit ihrer Mutter einen schweren Autounfall auf einer Brücke. Jenna hat überlebt – ihre Mutter nicht. Die sportliche Schülerin kann das Trauma nur schwer verarbeiten. Sie hat Probleme mit dem Laufen, kein Zuhause mehr, und ihr Vater will sie zu sich und seiner neuen Familie holen, wo Jenna jedoch keinen Platz für sich sieht. Also setzt sie durch, dass sie zu ihrer Tante Caroline ziehen darf. In der neuen Schule trifft Jenna auf die drogensüchtige Trina, die ihre Freundin wird – und sie mit sich in den Abgrund zieht. Nur der charismatische Crow könnte Jenna vielleicht aus ihrer Traurigkeit befreien …

Der (ewig lange) Titel dieses Buchs ist Programm: Ein 16-jähriges Mädchen versucht, mit dem Schlimmsten, das ihm passieren konnte, zurecht zu kommen, verliert sich dabei in Drogen und Gewalt, und schafft es schließlich, wieder ein normales Leben zu führen – auch dank zarter Liebesgefühle. Für ein Jugendbuch ist der Stil angenehm poetisch und erwachsen – dennoch verlässt Joyce Carol Oates die Zielgruppe, für die sie schreibt, nicht. Einige Formulierungen und Gedanken wirken wie aus einem Teenager-Tagebuch übernommen, voller Selbstzweifel und Selbstmitleid, ganz ohne das Verständnis für die Macht der Zeit, Wunden zu heilen, wie man es für gewöhnlich im Erwachsenenalter hat.

Ich muss gestehen, dass ich zwar neugierig auf diese Autorin war, die so hochgelobt wird, dass für mich persönlich ein solches Buch aber letztlich leider zu banal ist. Die Spirale aus Selbstverletzung, in die Jenna gerät, und die Anziehung, die die falschen Freunde auf sie ausüben, sind mir zu typisch und klischeehaft, das Ende ist – natürlich – sehr vorhersehbar. Es hat mich außerdem eher negativ überrascht, einen Roman zu lesen, der – zwar subtil, aber dennoch – einen moralisch erhobenen Zeigefinger durchscheinen lässt und auf das so amerikanische Thema “Du kannst alles schaffen, wenn du dich nur bemühst und auf dem rechten Weg bleibst” pocht. Gut geschrieben und glaubhaft gemacht – aber so gar nicht meins.