“Für einen Augenblick habe ich Angst, dass ich in der Nacht gestorben bin”
Hohl ist das Leben von Alex, dessen Eltern in Amerika reich wurden und der sich dank ihres Erbes jegliche Extravaganz leisten kann. Und weil der Inhalt fehlt für seine Tage, füllt er sie mit Frauen und Wein, ganz im klassischen Sinne eines attraktiven Schwerenöters. Geldsorgen kennt auch Pia nicht, die ebenfalls vom Reichtum der verstorbenen Eltern profitiert, doch die Diagnose einer tödlichen Krankheit entzieht ihr ruckartig den Boden unter den Füßen- Pia hat alles außer Zeit, der Krebs frisst ihren Körper, raubt ihr die Kraft. Und Pia erinnert sich an Alex, den sie eins geliebt hat, den sie für den Einzigen hielt: “Seit ich weiß, dass ich krank bin, denke ich oft an die Menschen, die ich gekannt habe, an den einzigen Menschen, wie ich mir eingestanden habe, der für mich, von meiner Familie abgesehen, jemals von Bedeutung war.” Der nahende Tod drängt Pia dazu, in die Vergangenheit zu blicken, an jenen Punkt, als sie im Alter von 10 Jahren Alex traf – der schon damals mit ihr schlafen wollte -, an jenen Sommer, als sie 16 waren und mehrere Wochen lang allein Urlaub machten. Schließlich bricht sie auf, um Alex ein letztes Mal zu sehen.
Alexander Schimmelbusch hat mit Blut im Wasser eine zweistimmige Erzählung verfasst, eine sehr kurze, keinen Roman in meinen Augen – dafür fehlt es an der Ausarbeitung der Figuren, an einer Vertiefung der Geschehnisse, an einem Mehr an Handlung. Zwei Ich-Erzähler berichten aus einem sehr abstrakten Alltag, nichts Konkretes, und die beiden geschilderten Lebenswirklichkeiten scheinen derart verschieden, als hingen sie nur zusammen durch Pias Behauptung, es habe damals einen Berührungspunkt gegeben. Denn während Pia mit dem Ende ihres Lebens hadert, hat der gelangweilte Alex unbekümmert Sex, und während Pia ihn erinnert, denkt er nicht an sie, nicht ein einziges Mal. Dieser Gegensatz ist krass und lässt Pias Seite der Erzählung allzu sehr ins Dramatische kippen, widmen sich doch auf der Gegenseite Alex’ Gedanken nur dem Wein, dem Geschlechtsverkehr, dem Geld und seiner Mutter. Beide sind völlig allein, und Alexander Schimmelbusch säuselt ihnen die Frage ins Ohr: Was wäre gewesen, wenn … ihr euch anders entschieden hättet? Pia verspürt unversöhnlichen Zorn, Alex fühlt nur Gleichgültigkeit. Deshalb muss das Ende wohl sein, wie es ist: brutal und erbarmungslos wie das Leben selbst. Kein Mitleid gibt es für Pia und Alex, aber auch keine Seele, kein Gesicht. Blut im Wasser ist eine Abhandlung über die Oberflächlichkeit, die aufgrund ihrer Kürze selbst oberflächlich bleibt, die Figuren sind blass und stereotyp – reich und blasiert -, die Klischees nicht in gelebte Realität umgesetzt. Ein Versuch, der Talent und Intelligenz erahnen lässt, aber nicht vollständig gelingt.
Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge: ein Cover mit schönen Farben und einem Schuss Sinnlosigkeit.
… fürs Hirn: der Einblick in die Wir-haben-alles-Gesellschaft, der es – wir haben es tausendfach gehört und gelesen – aus Langeweile an Seelenleben fehlt.
… fürs Herz: das Herz bekommt kein Futter in diesem Buch, es wird stumm gehalten und betäubt mit Wein, weil die Leere sich sonst nicht ertragen lässt.
… fürs Gedächtnis: das bittere Ende.
Blut im Wasser ist erschienen im Blumenbar Verlag (ISBN 978-3-936738-58-2, 16,90 Euro).