„Bei Leuten, die sich vor einen Zug schmeißen wollten, war Strottenheim eine große Nummer“
„Großmutter Lucia war so fest im Boden verankert, dass sich ihre Füße beim Gehen nur wenige Millimeter von der Erde lösten. Großmutter Lucias Fußabdrücke waren keine Fußabdrücke, sondern Furchen. Die Spuren meiner Mutter waren ganz anders. Wenn sie einen Weg entlanglief, sah man hier und da nur kleine Dreiecke im Schnee.“
Milla Enders lebt mit Mutter, Großmutter und Onkel Juno in einem kleinen Ort, der nur für eines berühmt ist: seine Lage an der Bahnstrecke. Die wird nämlich regelmäßig von Selbstmördern genutzt, die hier ihrem Leben ein Ende setzen. Bevor sie das tun, trinken sie ein letztes Bier und rauchen eine letzte Zigarette – in der Sportkneipe von Millas Oma. Milla und der drei Jahre ältere Juno, mit dem sie Dinge tut, die Nichte und Onkel nicht tun sollten, machen sich manchmal einen Spaß daraus, die Selbstmörder bis zum Bahndamm zu verfolgen. Eines Abends macht Milla das bei Kalle, der dann doch nicht stirbt, sondern wieder auftaucht. Dafür verschwindet Juno spurlos.
Vor knapp einem Jahr habe ich Franziska Wilhelm in Leipzig kennengelernt – sie hat die Lesungen in der Moritzbastei moderiert. Als ich erfahren habe, dass sie einen Roman geschrieben hat, wollte ich ihn unbedingt lesen. Was für ein heiteres, liebevoll gemachtes Buch! Angelegt als klassische Roadtrip-Story, überrascht der Roman mit dem langen Titel mit guten Plottwists und ungewöhnlichen Figuren. Es ist ja immer schön, wenn alle ein wenig schrullig sind. Da gibt es den Paketzusteller Kalle, der alle Pakete einfach selbst behält, den ruhelosen Juno, der plötzlich weg ist, und Protagonistin Milla, die leicht überspannt, innerlich auf der Suche und vor allem recht liebenswert ist.
Dies ist ein wirklich gut lesbares Buch, kauzig und anders und gerade in seiner Andersartigkeit besonders. Wer gern Geschichten liest, die schmunzeln machen, ist hiermit perfekt beraten. Well done, Franziska!
„Ich freue mich mit der Freundin, sage ich mir, ich freue mich mit der Freundin, und schon hat die Freundin das Kind und ich habe Verständnis“
Was habt ihr im Februar so für Wälzer in den Händen gehabt? Bei mir waren es eher dünnere Bücher und wie immer haben mich, wie könnte es anders sein, nur wenige davon überzeugt. Kurz und knapp hier ein bisschen mehr dazu:
„Das bittere Fazit ist, dass das Glück vor der Erkenntnis liegt“
„You wanna know the future? Look in the mirror“
„Gib mir, was ich will, ich flehe dich an, damit ich dir danach ins Gesicht spucken kann“
„Mella hatte ein Schicksal, und wer in ihrer Nähe war, bekam auch eines: Besser konnte es Marie nicht erklären“
„Eigentlich ist es überhaupt nicht seltsam, dass die Menschen sich umbringen. Viel seltsamer ist doch, wenn sie es nicht tun“
„Die schlimmen Erinnerungen brennen sich immer viel tiefer ein“
„In North Carolina gab es die schwarze Rasse nur an den Enden von Stricken“