Ich habe Vor dem Sturm von Jesmyn Ward geliebt. Lest dieses Buch, Leute! Und Was ich euch nicht erzählte von Celeste Ng – das ist ebenso grandios. Nur die zweiten Romane dieser beiden Autorinnen, soeben erschienen, die sind es in meinen Augen nicht. Und das ist tragisch, es spielt diesem alten Dilemma in die Hände, unter dem ich seit langer Zeit leide: Viele, viele Jahre lang hab ich, sobald mir ein Buch eines Autors gefallen hat, kein weiteres mehr von ihm gelesen. Und im Moment denke ich, ich sollte vielleicht wieder zu dieser Gewohnheit zurückkehren.
Ich schrecke nicht davor zurück, ein Buch abzubrechen. Wenn es mich nicht packt, verschwende ich keine Lebenszeit damit, ich gebe ihm 50 Seiten oder 70, ganz selten 100, und doch, ja, mit der Zeit lernt man: Wenn es bis dahin nicht funkt, funkt es auch später nicht mehr. Aber bei Ward und Ng wollte und wollte ich nicht aufgeben. Ich hab mich durchgequält, quergelesen, ich hab mich geärgert und geflucht, nur abgebrochen hab ich die Bücher nicht, weil ich dachte: Die anderen waren so gut. Da muss doch noch was kommen. Es kam aber nichts.
Und wie es aussieht, bin ich die Einzige, der es so ergangen ist – ich lese ausschließlich Lobeshymnen auf Kleine Feuer überall und Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt. Das macht es freilich jedes Mal noch schlimmer, als es eh schon ist. Wenn man weiß: Ich steh mit meiner Meinung ganz allein da. Alle haben dieses Buch verstanden, nur ich nicht. Alle haben sich verbunden gefühlt und sind begeistert, schreiben, dass das ihr Lesehighlight sei und eine großartige Empfehlung, bloß ich dachte Nein und Bitte nicht und Das kann doch nicht wahr sein.
Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt
Kennt ihr das, wenn ihr mit einem Buch beginnt und sofort wisst, dass das nichts wird mit euch? Als würdet ihr einen Menschen kennenlernen, der euch in der ersten Sekunde unsympathisch ist. So erging es mir mit Jesmyn Wards neuem Werk, und ich wollte es nicht wahrhaben, denn ich hatte mich richtig drauf gefreut, und meine Erwartungen waren hoch. Was also tun? Erst mal weitermachen. Das Gefühl ignorieren, den Verstand einschalten. Aber die Figuren bleiben unzugänglich, das Roughe daran viel zu übertrieben, die Handlung eindimensional und fad. Nur weil man zwischen Perspektiven wechselt, bedeutet das ja nicht, dass was passiert im Buch. Natürlich versucht mein Herz, Jojo zuzufliegen, weil er noch ein Kind ist, weil ich Mitleid habe mit ihm, weil ich ihn schützen will vor der lieblosen Umgebung, in der er aufwächst, aber es kommt nicht weit. Wie Jojo seine Schwester umhätschelt, dieses fast schon puppenhaft leblose Mädchen, das immer nur schluchzt, das ist mir too much, wie seine Mutter Leonie auf betont lässig und emotionslos macht, finde ich komplett unglaubwürdig, die Story mit den Drogen sehr klischeehaft. Und dann die Sache mit den Toten und den Geistern, nein, also ehrlich, da schwimmt so viel Zeug in dem Topf, dass ich es nicht auslöffeln kann und will. Der Ton strengt mich unheimlich an und stößt mich ab, ich komme nicht rein in das Buch, und was ihr alle daran gefunden habt, das weiß ich nicht.
Little fires everywhere
Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann ist das ein Roman, an dessen Anfang bereits das Ende steht – und an dessen Ende nichts Neues mehr kommt. Wozu soll ich das denn alles lesen, wenn ich sowieso schon weiß, was geschieht, wenn ich keinen Anreiz mehr habe, zu erfahren, was geschehen ist? Celeste Ng, die mit ihrem hochgelobten Buch Was ich euch nicht erzählte einen Riesenerfolg gelandet hat, hat anscheinend kurz vor ihrem zweiten Roman alles über Erzählstrategie verlernt. Am schlimmsten finde ich die Rückblenden in den Rückblenden, die nicht nur für völlige Verwirrung sorgen und mich immer mehr den roten Faden verlieren lassen, sondern auch stets etwas erzählen, das die Figur, um die es gerade geht, eigentlich nicht wissen kann. Und das ist auch der Autorin aufgefallen, denn ab und zu kommen Einschübe wie „Mrs. Richardson, of course, couldn’t know all of this.“ Ach nein? Aber dann schreib es doch bitte nicht über sie drüber, finde eine andere Möglichkeit! Und genauso schwach erscheint es mir, den Leser willkürlich mit Infos in Klammern zu füttern, also beispielsweise aus der Sicht der Teenagertochter zu schreiben und nebenbei zu sagen (ihr Freund, also der wird das später übrigens nicht mehr so sehen), sowas ärgert mich regelrecht, ich empfinde es als Faulheit der Autorin, sich nicht die Mühe zu machen, eine ordentliche Abfolge der Zeiten und Perspektiven zu finden. Davon abgesehen ist Little Fires everywhere eine uninteressante, langweilige Story mit typisch amerikanischer Moral, mit erhobenem Zeigefinger und klischeehaften Figuren: einer brotlosen Künstlerin und einer reichen Familie, in der die rich kids vor Langeweile nur Blödsinn machen. Nichts an diesem Buch hat mich auch nur in irgendeiner Weise angesprochen.
Und bald wird sich die Frage stellen: Lese ich ein drittes Buch von Ward und Ng oder lasse ich es endgültig bleiben?
Stefan Slupetzky: Der letzte große Trost
Castle Freeman: Auf die sanfte Tour
Adrian Barnes: Nod
Matthias Brandt: Raumpatrouille
Christian Buder: Das Gedächtnis der Insel
Belinda McKeon: Zärtlich
Taiye Selasi: Ghana must go
Nicola Karlsson: Tessa
Elizabeth Strout: Die Unvollkommenheit der Liebe
Téa Obreht: Die Tigerfrau
Aller guten Dinge sind drei, und dann ist auch mal wieder Schluss: Hier folgt der dritte und letzte (g)rantige Draufdrescher auf folgende Bücher, die mir das Leben schwergemacht haben.
Letzte Woche hab ich euch ja schon mein Leid geklagt: Insgesamt ELF (!) schlechte Bücher sind mir nacheinander vors Auge gelaufen, wobei ich eins davon schon nach wenigen Seiten abgebrochen und in die Ecke gepfeffert habe. Wer nun Part I dieses Rants gelesen hat und außerdem herausragend gut rechnen kann, der weiß: Da fehlt ja noch was. In der Tat. Und deswegen geht’s heute weiter mit Marikis Motzparade.
Ich hatte da einen Lauf. Und zwar im negativen Sinne: In letzter Zeit hab ich sehr viele schlechte Bücher gelesen, viele davon direkt hintereinander, was noch schlimmer ist, denn da sinkt meine literarische Laune auf den Nullpunkt, und ich werde richtig grantig. Diesen Grant, meine Damen und Herren, merkt man auch meinen Bemerkungen über die folgenden Bücher an:
9 Tage, 10 Bücher: Das ist die Bilanz meines Sommerurlaubs 2018. In den Urlaub nehme ich seit vielen Jahren ausschließlich Taschenbücher und dadurch automatisch Backlist-Titel mit, wegen des Gewichts natürlich, aber auch, weil ich da oft die Zeit nutzen möchte, um endlich mal wegzulesen, was sich im Regal angesammelt hat. Auch englische Titel packe ich ein, ebenfalls im Taschenbuchformat, weil ich die nicht so schnell lesen kann und mich sozusagen selbst austricksen will. Diesmal waren nur vier der zehn Titel von Autoren, die ich nicht kannte, die anderen sechs sozusagen Wiederholungstäter. Das ist ungewöhnlich für mich, die ich ja eigentlich eine Ein-Buch-pro-Autor-Politik verfolge. Und habe ich das bereut? Aber ja. Sehr sogar.
Der Hals der Giraffe von Judith Schalansky fand ich gut, aber gar nicht so gut, wie alle gesagt haben. Ich mochte das Zynische, das Nüchterne daran, diese ausgebrannte Abgeklärtheit einer alternden Lehrerin, diesen endlosen Monolog über die Dummheit der Schüler, über ihre Grenzen und auch die eigenen. Generell ist mir nur einfach zu wenig passiert in diesem Buch, ich hab gewartet, dass die Handlung in die Gänge kommt, und das tut sie nicht, dass Gefühle entwickelt werden, wie der Klappentext ankündigt, dass es es gewisse Einfälle gibt, die es aber eben nicht gibt. Ja, ein kluges, sehr lesenswertes Buch, wenn auch nicht so sensationell wie erwartet.
The English teacher von Lily King hat mich außerordentlich fadisiert. Und das ist ein Drama, weil ich
They both die at the end von Adam Silvera war ein Spontankauf, ich habe es mitgenommen, weil ich den Titel so originell fand. Es ist ein Jugendbuch mit folgender Story: Zwei Achtzehnjährige bekommen eines Nachts den Anruf, den jeder fürchtet, sie werden darüber informiert, dass sie innerhalb der nächsten 24 Stunden unweigerlich sterben. Über eine App namens Last Friend finden sie zusammen und versuchen, so viel Leben wie möglich in die Zeit zu stopfen, die ihnen noch bleibt. Das ist eine coole Idee, finde ich, gut geschrieben ist es auch, wenn natürlich eher leicht und nicht gerade raffiniert. Die Botschaft, sein Leben zu leben, weil man nie weiß, wann es zu Ende ist, ist mir zu aufdringlich, aber das liegt freilich in der Natur der Sache.
Der Klang der Trommel von Louise Erdrich hat mir ebenfalls wieder mal vor Augen geführt, dass nicht jeder Roman einer Autorin, die ich vergöttere, mir gefällt. Wie sehr habe ich