Eine Hinrichtung in der Dunkelheit Islands
Wir schreiben das Jahr 1829, und das Leben in Island ist hart, geprägt von langen, gefährlichen Wintern, in denen ganze Familien erfrieren, von Armut, Arbeit und Einsamkeit. Einzig die Religion scheint eine Zuflucht zu bieten für die Herzen der Menschen. Das gilt auch für den jungen Assistant Reverend Thorvardur, der plötzlich vor der größten Herausforderung und Glaubensprüfung steht: Die verurteilte Mörderin Agnes Magnúsdóttir hat seinen Beistand erbeten. Er soll ihr in der Zeit vor ihrer Hinrichtung zur Seite stehen. Agnes, so heißt es, habe zusammen mit einem anderen Dienstmädchen und dessen Liebhaber den Herrn des Hauses, Natan, ermordet. Dafür droht ihr die Todesstrafe, doch bis es soweit ist, wird sie auf dem Hof Kornsá untergebracht, wo sie bereits als Kind gearbeitet hat. Die Menschen haben Angst vor ihr, doch die Hofherrin und die Töchter behandeln sie so normal wie möglich und nutzen vor allem ihre Arbeitskraft. In den dunklen Nächten erzählt Agnes ihre Geschichte. Sie hat Natan geliebt. Und sie will nicht sterben.
Der Roman Burial Rites der Australierin Hannah Kent ist auf sehr kuriose Weise entstanden: Eigentlich handelt es sich dabei um eine Studiumsabschlussarbeit. Als die Autorin 17 Jahre alt war, verbrachte sie ein Austauschjahr an einem abgeschiedenen Ort in Island, wo sie zum ersten Mal die wahre Geschichte von Agnes Magnúsdóttir hörte: Sie war die letzte Frau, die in Island hingerichtet wurde. Viele Jahre später war Hannah Kent immer noch fasziniert von Island und von Agnes, und sie beschloss, ihre Abschlussarbeit über sie zu schreiben. Sie recherchierte zwei Jahre lang in Archiven, Kirchen und auf Höfen. Dann setzte sie sich hochdiszipliniert jeden Tag an den Schreibtisch und verfasste ihr Manuskript, mit dem sie später den Writing Australia Unpublished Manuscript Award gewann – und das Buch wurde veröffentlicht.
Die Mischung aus Realität und Fiktion ist Hannah Kent ausgezeichnet gelungen. Man merkt dem Roman an, dass sie tief in die Geschichte und die wahren Fakten eingetaucht ist, all das wirkt sehr fundiert. Obwohl sie keine Isländerin ist, kennt sie sich erstaunlich gut mit dem Land, der Sprache und den Menschen aus – inzwischen lebt sie wohl auch dort. Ebenso glaubwürdig und dicht gewebt sind aber auch die fiktionalen Teile: War es so, hat Agnes Natan geliebt? Ist sein Tod tatsächlich so geschehen? Wir werden es nie erfahren, aber es klingt durchaus plausibel. Burial Rites ist die Geschichte einer Frau, die eine schwere Kindheit und ein hartes Leben hatte ohne Aussicht auf Glück, die stets fremdgesteuert war und schließlich einem grausamen Ende entgegenblickt. Die von allen gefürchteten Mörderin ist ein Mensch mit Ängsten und Sehnsüchten. Fasziniert haben mich die unheimliche, fast gruselige Atmosphäre, das Dunkel, die Furcht, der Schnee, die durch die Seiten kriechen und mich frösteln lassen. Ein sehr besonderes und sehr gutes Buch.
Auf Deutsch ist Burial Rites von Hannah Kent unter dem Titel Das Seelenhaus bei Droemer Knaur erschienen.
Noch mehr Futter:
– „Kent hat sich mit dem Schicksal der Agnes Magnúsdóttir nicht nur dem Leben einer bedauernswerten Frau gewidmet. An ihrem Schicksal und dem der Menschen, denen sie begegnet, zeichnet sie ein eindrucksvolles Bild einer unsäglich armen und entbehrungsreichen Lebens, in dem der Tod täglich reiche Ernte hält…“, schreibt Flattersatz.
– „Dieser Roman geht unter die Haut und wahrlich erreicht Agnes eine gewisse Unsterblichkeit und dieses Buch bleibt seinen Lesern einfach unvergesslich“, heißt es auf lesefieber.ch.
Ging es in “Das Seelenhaus” von ihr nicht auch um diese Agnes?
Das war auch sehr gut!
Das ist das gleiche Buch!
Hätte mich auch gewundert *ggg*
😉
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