Nicht mein Geschmack

IMG_3532Stefan Slupetzky: Der letzte große Trost
Daniel erhält einen Brief, in dem es um das Haus geht, das er als Kind mit seinen Eltern und seinem Bruder bewohnt hat. Deswegen fährt er dorthin, taucht ein in die Vergangenheit, findet natürlich was im Keller – dieses altbekannte Setting zielt immer darauf ab, dass das inzwischen erwachsene Kind sich erinnert plus was findet – und stellt darum alles in Frage, was er über den Vater zu wissen glaubt. Er spinnt sich seine eigene Version der Geschichte zusammen, die so absurd wie unglaubwürdig ist. Dann will er das, was er sich da zurechtgedacht hat, auch noch nachmachen, was umso bescheuerter ist. Was ich zudem an diesem Buch nicht mag: dass alles erklärt wird. Also wirklich alles. Wer wann wo geboren ist, was seine Eltern gemacht haben, mit wem er geschlafen hat, blabla schnarch. Es ist viel zu viel tell und viel zu wenig show. Dabei kann Stefan Slupetzky sehr gut schreiben, das wusste ich nach Der Fall des Lemming von 2005, ein origineller Krimi war das, aber was dieser Roman hier sein soll, ich versteh es nicht. Der Versuch, auch mal so eine Geschichte zu schreiben, wie sie jeder schreibt, über den Erwachsenen, der den Nachlass der Eltern durchschauen muss? Ich schwöre mir jedenfalls hiermit selbst, dass ich endlich wirklich, wie schon oft beschlossen, aufhören werde, Bücher mit diesem Handlungsverlauf überhaupt nur in Erwägung zu ziehen. Sie sind alle grottig, alle!

Freeman MotzCastle Freeman: Auf die sanfte Tour
Ein sehr ähnliches Problem hatte ich mit diesem Buch: Es erklärt und erklärt und erklärt. Die eigentliche Geschichte geht dabei völlig unter, ich konnte ihr auch nach 80 Seiten nicht auf die Spur kommen und habe – was ich ja nur selten tue – entnervt abgebrochen. Was so ein Deputy macht, wie der Vater seiner Freundin zu ihm steht, wer wann was gesagt hat, all das erfahre ich, aber die Handlung selbst bleibt auf der Strecke. Ich habe absolut nichts gegen sehr männliche, schnörkellose, schlichte Bücher, ich finde Daniel Woodrell gut und Pete Dexter, aber das hier, das ist für mich einfach nur unglaublich öde. So langweilig, dass ich nicht mal mehr wissen wollte, was denn nun eigentlich mit dem an den Baum gebundenen nackten Russen passiert ist. Und das will ja wohl was heißen! Ein Buch, so fad wie ein leiser Furz.

Mark Watson: Hotel Alpha
Das ist kein Buch, über das ich lästern könnte, aber Lobenswertes fällt mir auch nicht viel ein. Es ist wohl das, was man seichte Unterhaltung nennt, es ist nett und harmlos, dabei halt sehr unbedeutend. Mark Watson hat zusätzlich dazu hundert Kurzgeschichten geschrieben, die den „Kosmos des Romans“ erweitern, an denen ich aber null Interesse hatte und über die ich deshalb nichts sagen kann. Hauptfiguren gibt es zwei: Graham, der jahrzehntelang an der Rezeption des Hotel Alpha arbeitet und dem vermeintlichen Zauber des Hauses völlig verfallen ist, und Chaz, der als Kind bei einem Brand im Hotel erblindet und fortan dort aufwächst. Beide bekommen von der Außenwelt wenig mit, eine heile Welt ist die ihre aber auch nicht so ganz. Das alles klingt, als hätte Wes Anderson einen Film darüber machen können, nur wäre der mit Sicherheit viel besser.

MotzAdrian Barnes: Nod
Was wäre, wenn die Menschen plötzlich nicht mehr schlafen könnten? Was würde mit ihren Körpern geschehen nach drei Tagen, nach zehn, nach dreißig? Wie würden sie sich verhalten und wann würden sie sterben? Das sind die Fragen, denen sich dieses freakige englische Buch stellt, das mich genau aus diesem Grund interessiert hat. Die Antworten, die es liefert, sind allerdings reichlich enttäuschend, denn der Autor hat das Naheliegendste gemacht, was möglich war: Die Menschen werden nicht unbedingt zu Zombies, aber zu etwas Ähnlichem, sie verfallen dem religiösen Wahn, gründen eine Art Kult. Die Zivilisation zerfällt innerhalb kürzester Zeit, Strom und Internet werden abgedreht, alle plündern, alle morden. Das war zu erwarten, und das finde ich schade – ich hätte mir mehr Originalität erhofft.

 

 

Nicht mein Geschmack

Brandt MotzMatthias Brandt: Raumpatrouille
Schöner Titel, schönes Thema: Matthias Brandt ist Schauspieler und der Sohn von Willy Brandt. In Deutschland kennt ihn jeder, und auch in Österreich hat sein Name einen bekannten Klang. Sein Buch, in dem er Geschichten aus seiner Kindheit erzählt oder vielleicht eher andeutet, ist für mich das, was man hierzulande als „eh nett“ bezeichnet. Es ist gut geschrieben, interessante Sprenkler sind dabei, aber insgesamt ist es mir zu wenig, viel zu wenig. So ein schmales Büchlein, so wenig auserzählt, so viel offengelassen – das sind Anekdoten, kurze Einblicke, die man in einem Gespräch gibt, jemandem, der einen kennenlernt, oder jemandem, der diese Geschichten schon oft gehört hat. Ich mag das Kind, das Matthias Brandt einmal war, es ist ein sehr sympathisches, gewöhnliches Kind, und mein Herz fliegt ihm zu, das schon. Ernst ist dieses Kind, der Humor fehlt, Matthias Brandt hat das nicht so mit bitterem Witz gemacht wie Joachim Meyerhoff, aber gut, er ist Deutscher, wir nehmen euch ohnehin als sehr ernst wahr. Für viele Leser, die auch in den Siebzigern aufgewachsen sind, sind seine Erinnerungen bestimmt eine nostalgische Zeitreise, ich bin dafür noch ein bisserl zu jung. Womöglich wollte Matthias Brandt dann am Ende doch nicht so viel verraten über sein Leben, über seinen Vater, und hat sich deshalb nur hinter Andeutungen versteckt. Insgesamt hat mich das Buch hungrig zurückgelassen, hat mich nicht gesättigt, gelangweilt gar, und ich frage mich, warum das überhaupt gereicht hat für ein Buch, warum das durchgeht als Buch, wenn es nicht mehr als eine Sammlung kurzer Momentaufnahmen ist.

BuderChristian Buder: Das Gedächtnis der Insel
Thriller! Mein Gott, was hab ich für eine problematische Beziehung zu ihnen. Wenn sie gut gemacht sind, nerven sie mich trotzdem, weil sie kaum jemals glaubwürdig sind, und wenn sie schlecht gemacht sind, kommt in ihnen alles Übel dieser Zunft zusammen. Bei guten Thrillern denke ich: Wow, ja, wie hat der Autor es geschafft, den Überblick zu behalten, alles am Ende zusammenzuführen, sich nicht zu verzetteln, eine realistische Erklärung zu finden? Und dann biegt Christian Buder mit Das Gedächtnis der Insel um die Ecke, und ich denke: Wenn man alles, also wirklich alles falsch macht an einem Thriller, kommt sowas dabei raus. Ich wusste nicht, dass das einer ist, ließ mich am Anfang noch in die Irre führen vom guten Schreibstil und den pointierten, melancholischen Sätzen. Das Setting wäre theoretisch interessant: Ein junger Mann namens Yann kehrt zurück auf die Insel, auf der er aufgewachsen ist, eine winzige Insel ist das, ein Felsbrocken, er hasst sie, aber sein Vater ist tot – und offenbar nicht freiwillig gestorben. Dreißig Jahre zuvor ist seine Mutter im Sturm auf dem Meer verschwunden, wurde nie gefunden, Yann, der noch ein kleiner Junge war, ist daran zerbrochen. Ausgerechnet jetzt ist auch eine junge Frau auf der Insel, Gwenn, die Yann einst geliebt hat, vor der er aber flüchtet, weil er überzeugt ist, dass er in ihrer Nähe mysteriöse Unfälle erleidet, die ihn das Leben kosten werden. Da fängt es schon an mit der Unglaubwürdigkeit, und es wird noch schlimmer. Ein Sturm zieht auf, so heftig wie vor dreißig Jahren, natürlich kommt der jetzt, wann auch sonst!, Yann und Gwenn rennen hin und her über die Insel, versuchen, herauszufinden, was damals geschehen ist, es wird immer windiger, immer gefährlicher, und dann kommt eine Verschwörung ans Licht, die so lachhaft ist, dass ich einfach nur grantig werde. Todesgefahr, Wasser überall, eine klischeehafte Rettung in letzter Sekunde, you know the scheme. Mitten im Buch wechselt der Autor plötzlich die Perspektive, ganz kurz nur, wechselt für zwei Seiten zum Täter und verrät alles, was passiert ist, zerstört die komplette Spannung, warum tut er das, ich habe keine Ahnung. Ein Horrortrip von einem Buch, aber aus den falschen Gründen.

Rosamunde Lupton: Lautlose Nacht
Und weil wir schon beim Thema sind, machen wir mit dem nächsten Thriller weiter. Ab und zu passiert es, dass ich zu Spannungsliteratur greife, weil ich was brauche, das mir das Hirn auflockert. Das ist so, wie wenn man in der Parfumerie mal kurz die Nase in die Kaffeebohnen steckt, um danach wieder freier gute Düfte beschnuppern zu können. Ich hab dieses Buch günstig bei medimops mitbestellt, und es zu lesen hat mich bei Weitem nicht so aufgeregt wie der Buder-Schwachsinn, aber: Ich hab mal wieder gemerkt, ich bin einfach nicht für Thriller gemacht. Da gurkt eine Mutter mit ihrer tauben Tochter durch die Antarktis, auf der Suche nach dem Ehemann, der als tot gilt, und ich denke dauernd: Was für ein Blödsinn. Das kann doch nicht sein. Die wären längst tot. Aha, jetzt machen sie das, wer soll das glauben? Vielleicht bin ich für diese Art Literatur zu rational, zu skeptisch? Ich weiß es nicht. Und als am Ende alles auffliegt, schüttle ich nur mit dem Kopf. War ja klar, dass es so kommen muss, so viele Möglichkeiten gab es nun mal nicht, waren eh nur die beiden allein in der Arktis unterwegs, und davon wusste kaum jemand. Die großen Bösewichte werden entlarvt, ich rümpfe die Nase vom Kaffeegeruch und widme mich wieder besseren Düften.

IMG_3540Belinda McKeon: Zärtlich
Catherine ist ein sehr gewöhnliches Mädchen, studiert Literaturwissenschaften in Dublin, ist brav und zurückhaltend, hat noch nichts von Bedeutung erlebt. Da lernt sie James kennen, dessen WG-Zimmer sie bewohnt, und ist hin und weg, weil er frecher ist als sie, weltgewandter, witziger. Es ist nicht sehr schwer, Catherine zu beeindrucken. Seit sie James kennt, kreischt sie sehr oft vor Lachen, obwohl seine Witze reichlich lahm sind, und – eh klar – sie verliebt sich in ihn, was sollte sie auch sonst tun. Aber: James ist schwul. Das weiß er, das weiß Catherine, sonst aber wissen das nicht viele, weil er sich nicht traut, sich zu outen. Auf Catherines Gefühlserkenntnis folgen sprunghafte Gedankenfetzen, unzusammenhängende Fieberwahnträume, seiten-, seiten-, seitenweise, bei denen ich denke: Haben Sie es sich einfach gemacht, ja, Frau McKeon, wollten Sie das nicht erzählen müssen, weil es so klischeehaft ist und dämlich und langweilig? Das zu lesen, ist wahnsinnig anstrengend, ich habe es nur überflogen, weil ohnehin nichts passiert. Die irische Autorin, die in Amerika Kreatives Schreiben unterrichtet, hält nichts von Schlichtheit, sie stürzt sich voll ins Pathos. Jede Kleinigkeit ist wahnsinnig dramatisch an diesem Roman, die Figuren übertreiben bei allem, was sie tun, gnadenlos. Sie sind so unerträglich, ich möchte sie fesseln und knebeln. Ein superblödes Buch.

Nicht mein Geschmack

selasiTaiye Selasi: Ghana must go
Welt-Bestseller! Was wurde nicht schon alles über dieses Buch geschrieben. Weil: Afrika. Weil: Migration. Weil: amerikanischer Traum und so. Mich hat es völlig erdrückt und angestrengt. Diese Traurigkeit. Diese unglaubliche, wahnsinnige, alles zerfressende Traurigkeit. Eine Welle der Traurigkeit, die hin und her schwappt, über mir zusammenschlägt, mein Gott, ich, die melancholische Bücher liebt, ich konnte nicht mehr atmen.

… as if for a moment she’d ceased to exist: some new odd sort of sadness, part grief, part compassion, a helium sadness, too airless to bear.

Der Roman handelt von einer sechsköpfigen Familie, im ersten Teil stirbt der Vater Kweku Sai. Sehr lange stirbt er vor sich hin, dann ist er tot, und die anderen kommen zur Beerdigung, kommen nach Ghana, wo die Kinder (bis auf eine Ausnahme) noch nie waren: Olu, Taiwo, Kehinde, Sadie und Ex-Frau Fola. Keiner von ihnen hat überwunden, was geschehen ist, als Kweku die Familie verlassen hat. Jeder von ihnen kreist um sich selbst, um seine eigene Trauer, um die Gründe, aus denen die Beziehung zu den Geschwistern nicht funktioniert. Sie sind alle zerbrochen, die Familie als Ganzes und jeder als Einzelner. Das Buch ist eine Innenlebenstudie mal sechs, mit einer fast schon perversen Gefühlsgenauigkeit. Allen sechs Figuren geht es schlecht, sie haben einander und haben sich doch nicht, sie lieben ins Leere, alles schmerzt und nichts verheilt, es ist überaus deprimierend. Mir war das schlicht und ergreifend too much sadness.

tessaNicola Karlsson: Tessa
Tessa hat ein Problem: Sie trinkt. Sie nimmt außerdem Kokain und lässt sich, weil sie sich im Rausch nicht wehren kann, fast schon regelmäßig vergewaltigen. Eigentlich hat Tessa einen Freund namens Niki, aber die Beziehung ist krank und verzerrt, was an Tessas extremen Selbstzweifeln und ihrem irrationalen Verhalten liegt. Sie treibt Niki in den Wahnsinn, will seine Anerkennung, stößt ihn fort, sucht seine Nähe, schreit ihn an, schmeißt ihn raus, nur um ihm dann wieder nachzuweinen … Tessas einziger Lebensinhalt ist sie selbst, sie hat kein Geld und keine Jobs, sie rutscht immer weiter ab, verrennt sich in irgendeinen Scheiß. Ich aber frage mich: Woher kommt das? Was ist passiert? Von einer schlimmen Kindheit ist keine Rede, von anderen Traumata auch nicht, von gar keinem möglichen Grund. Die Autorin bietet mir keine Erklärung für den Hieb ihrer Protagonistin. Whatever happend? Und wohin soll das führen? Einen Weg, einen Konflikthöhepunkt, eine Lösung gibt es ebenfalls nicht. Das gesamte Buch läuft nach Schema F ab: Tessa wacht auf, hat einen schlimmen Kater, ihr ist schwarz vor Augen, der Geschmack in ihrem Mund ist pelzig (wie sonst), sie schwört sich, nie wieder zu saufen, dann treibt sie es zum Beispiel mit einem verheirateten Kerl, der nicht sofort nach dem Sex seine Frau verlässt, deshalb muss sie leider ausflippen und wieder trinken, und alles beginnt von vorn. Joah. Hätte nach dreimal schon gereicht, geht aber permanent weiter. Dieses Porträt zeigt eine erschreckende Abwärtsschleife, es kann als Warnung dienen, die Story an sich ist völlig sinnlos.

Nicht mein Geschmack

Wer hier mitliest, weiß: Ich bin in diesem Jahr ein bisserl ungustelig. Ich hab einen extrem schlechten Lauf und motze deswegen mehr rum als normalerweise, aber in Anlehnung an den klassischen Schlussmachsatz sei gesagt: Es liegt NICHT an mir! Sondern an den Büchern. Die find ich einfach nicht gut, und ein bisserl hab ich auch das Blümchenbloggerische Bücherliebhaben satt, dieses In-den-Himmel-Loben von Lieblingstiteln und Unter-den-Tisch-fallen-Lassen von allem, was nicht ach so toll war. Heute trifft’s erneut zwei hochgelobte Titel, die allerhand gute Kritiken eingeheimst haben und die ihr vielleicht auch kennt.

stroutElizabeth Strout: Die Unvollkommenheit der Liebe
Ach, Elizabeth! Es hat so gut mit uns angefangen. Ich hab dein Buch Olive Kitteridge gelesen, und es war wunderbar. Aber dein jetziger Roman, was soll das sein? Der weinerliche Monolog einer langweiligen Frau, die monatelang im Krankenhaus liegt und nichts zu tun hat, im Ernst? Lucy erinnert sich an ihre Kindheit, weil ihre Mutter an ihrem Krankenbett sitzt, und schön war diese Kindheit nicht. Seltsam vage, verschwommen und distanziert sind diese Erinnerungen, und aus der Gegenwart will die Kranke nicht viel verraten. Wozu redet sie dann überhaupt mit mir? Das Buch ist der Bericht einer Fremden, kein Einblick in das Innerste einer Figur, eine Studie, als wäre es noch kein fertiger Roman. Ich hab es nur gelesen, weil ich im Flugzeug saß und sich die anderen Bücher im Koffer befanden. Im Lagerraum. Es hat mir die Zeit vertrieben, sonst jedoch nichts. Obwohl es ausschließlich von Emotionen handelt, legt es sie derart unbeteiligt auf den Tisch, dass keine von ihnen zur Geltung kommen kann. Elizabeth, was ist passiert? Was ist das für eine schmale Abhandlung, so leblos, fad und ohne einen einzigen golden glänzenden Satz? Ach, und dabei hat es so gut angefangen mit uns.

obrehtTéa Obreht: Die Tigerfrau
Ein Buch, das um die Welt ging – und überall wohlwollend aufgenommen wurde. Es geht darin um den Krieg im damaligen Jugoslawien, um eine junge Frau, die ihren Großvater betrauert, und um einen Tiger. Nun ist euch ja von vornherein klar, dass ich den Roman nicht sonderlich mochte, weil ich ihn hier eingereiht habe, aber die Frage ist natürlich: Warum nicht? Zum einen: Mir fehlte der Zauber. Der Krieg, der hatte nicht den geringsten Zauber, natürlich nicht, aber die Erinnerungen an den Großvater hätten ihn haben können. Seit ich Wie der Soldat das Grammofon repariert von Saša Stanišic gelesen habe, vergleiche ich alle Bücher über diesen Krieg damit, und sie verlieren, eins nach dem anderen. Das ist nicht fair, aber er hat vorgemacht, wie’s geht, und bisher hat es ihm keiner nachmachen können. Bei Téa Obreht bekomme ich irgendwann den Eindruck: Die Aufmerksamkeit hat sie auch nur deshalb auf sich gezogen, weil sie als Einwandererkind den tabuisierten Jugoslawienkrieg thematisiert und weil sie was Mystisches reinspritzt, was Altes, Unheimliches, das irgendwie gewichtig wirkt. Aber die Geschichte mit dem Tiger – sie hat für mich keine Botschaft. Sie ist gut und lesbar, einen Zusammenhang zu den Teilen in der Gegenwart hat sie nicht. Überhaupt: die Zeitebenen. Téa Obreht mischt und springt wild hin und her, bricht alles auf, wechselt von einem Kapitel zum anderen Zeit und Perspektive ohne Marker, an denen ich mich orientieren könnte. Erst nach der Hälfte des Buchs hab ich beispielsweise kapiert, dass „mein Großvater“, wie er immer heißt, in manchen Kapiteln erst elf Jahre alt ist. Vielleicht denkt ihr jetzt, ich sei eben nicht schlau genug, aber im Ernst: Soll das ein Buch interessanter machen, wenn der Leser sich nicht auskennt? Es verwirrt und langweilt mich einfach nur. Zu guter Letzt hat mich auch die Gefühllosigkeit der Protagonistin gestört. Ihr Opa ist tot, und sie reagiert mit: Aha, who cares. Vielleicht will sie sich vor dem Schmerz schützen. Aber Téa Obreht hätte ihn trotzdem spürbar machen können, darauf habe ich den ganzen Roman über gewartet. Er ist da, er sitzt zwischen den Zeilen, und doch scheint sie ihn zu ignorieren. Hätte ich mit diesem Buch auch machen sollen.

Nicht mein Geschmack

Nix1Fast ein Jahr lang ist in der Kategorie “Nicht mein Geschmack” nichts erschienen. Und ich hab mich auch absolut an meinen Plan gehalten, euch mehr Gold und weniger Schrott zu präsentieren. Welche Bücher es 2014 nicht in den Blog geschafft haben, verrate ich euch Ende des Jahres. In der Zwischenzeit könnt ihr hier ein paar Bilder von Romanen sehen, die mir nicht im Geringsten gefallen haben – und zwar so dermaßen gar nicht, dass ich nicht einmal etwas dazu zu sagen habe. Sie haben micht gelangweilt, konnten mich nicht erreichen, waren mir sprachlich zu exaltiert oder inhaltlich zu bedeutungslos. Dabei handelt es sich durchaus um Werke, die mit viel Lob bedacht wurden und die zum Teil ziemlich bekannt sind. Wie ist das bei euch, kennt ihr eins dieser Bücher? Fandet ihr es auch enttäuschend oder, ganz im Gegenteil, herausragend gut? Und warum? Ich bin gespannt auf eure Meinungen!

Nix2 Nix3

Nicht mein Geschmack

Nix2Sabrina Janesch hat mich mit Katzenberge unglaublich begeistert – mit Ambra ist ihr das nicht gelungen. Ein hochgelobtes Buch, dem ich durchaus auch etwas abgewinnen konnte, das mir aber insgesamt mit all den Stimmen und Einschüben viel zu wirr war. Ich habe zwischendrin ganz einfach die Geduld und die Lust verloren, auch sprachlich konnte mich die junge Autorin dieses Mal nicht packen. Zeigt mal wieder: lieber nur ein Buch lesen, besonders, wenn es gut war, oft kommt danach eine Enttäuschung.

Der Liebhaber meines Mannes? Ja. Sehr vorhersehbar. Und dadurch richtig langweilig. Eine Liebe zwischen zwei Männern und eine eifersüchtige Frau – das Setting bietet nichts Neues, Sprache und Inhalt tun es auch nicht. Die Erzählerin ist in meinen Augen recht mitleidheischend und weinerlich. Spannende Momente, lesenswerte Sätze – Fehlanzeige.

Ähnlich erging es mir mit dem ebenfalls vielgepriesenen Buch Rückkehr nach Missing von Abraham Verghese. Vielleicht hat mich auch die Dicke abgeschreckt … jedenfalls habe ich sehr lange darauf gewartet, dass ich mich für die Geschichte interessiere und mich mitgerissen fühle. Das ist nicht geschehen. Ich fand es langatmig und habe es immer wieder so lange liegen lassen, dass ich den Faden verloren habe. Schade!

Auch Stefan Mosters Buch Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels hat die Kritiker überzeugt, mich leider nicht. Das Wechselspiel von Mutter und Sohn, die sich beide auf einem Schiff befinden, das aber nicht wissen, fand ich unerträglich fad. Die Sprache schillert nicht so, wie ich es erwartet hatte, sie ist mehr Guglhupf als Sachertorte. Und der Konflikt war mir auch nicht groß genug, um mich bei Laune zu halten und meine extreme Ungeduld zu zähmen.

Lauter vermeintlich gute Bücher, von denen ihr sicher auch das eine oder andere kennt – haben sie euch besser gefallen als mir? Ich bin ja bekanntlich schwer zu beeindrucken und überaus kritisch … und auf eure Meinungen und Einwände (oder euer zustimmendes Nicken) gespannt.

Nicht mein Geschmack

NixA gate at the stairs von Lorrie Moore hab ich zunehmend als sehr verstörend empfunden. Zuerst rätselt man lange, worum es eigentlich geht, und als das Geheimnis ans Licht kam, fand ich es so schrecklich, dass ich kaum weiterlesen konnte. Die Handlungen der Personen waren für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

In Bed von David Whitehouse legt sich ein junger Mann ins Bett und beginnt zu fressen. Er steht nie wieder auf, wird dicker und dicker und dicker und … ja, sonst passiert eigentlich nicht viel.

In Ein schönes Attentat von Assaf Gavron entgeht der erfolgreiche Eitan Einoch gleich drei Mal einem Attentat in Tel Aviv. Das wirft ihn ein wenig aus der Bahn. Die zweite Stimme gehört dem Palästinenser, der die Attentate verübt hat. Mich konnte jedoch die rasante, wirre, sehr männliche Sprache nicht überzeugen, ich fühlte mich überrannt, und die coole Art der männlichen Protagonisten hat mich – in Anbetracht der ernsten Lage – eher angewidert.

Im Gegensatz zu den begeisterten Kritikern und Mara von buzzaldrins Bücher konnte ich Alan Hollinghursts Roman A stranger’s child nichts abgewinnen. Die Idee klingt gut und interessant, das erste Kapitel ist es auch, doch dann folgen große Zeitsprünge und alles, was passiert wird, wird im Nachhinein erzählt. Mir ist es lieber, wenn es erlebt wird und ich daran teilhaben kann, anstatt dröge Berichte von Nachkommen lesen zu müssen, die gar nicht dabei waren.

Kennt jemand von euch eins dieser Bücher? Seid ihr vielleicht anderer Meinung und fandet es toll?

Nicht mein Geschmack

Eine große Veränderung im Bücherwurmloch
Es gab eine Zeit, da wollte ich meine Meinung kundtun, wenn ein Buch mir meine Zeit stahl, ich wollte erklären, warum ich es nicht mochte und weshalb es mir leid war um die Bäume, die dafür hatten sterben müssen. Dies war sogar einer der Gründe für das Ins-Leben-Rufen des Bücherwurmlochs. Zwar lag es mir nie, mich großartig über Unbedeutendes aufzuregen, doch bei Büchern ging oft die Leidenschaft mit mir durch. Doch seither sind ein paar Jahre vergangen, und in letzter Zeit habe ich immer öfter festgestellt, dass es mir widerstrebt, hier ein Buch in Papierstreifen zu zerreißen, dass ich nicht mehr schimpfen und zetern und verbal um mich treten mag, im Gegenteil, ich wünsche mir, nur die Guten hereinzulassen durch die Blogtür und allen anderen den Zutritt zu verweigern. Was bedeutet das? Dass sich jetzt etwas im Bücherwurmloch ändert: Ab sofort wird es von Büchern, die mir nicht gefallen haben, keine ausführlichen Rezensionen mehr geben. Ganz unerwähnt lassen möchte ich sie aber auch nicht, denn vielleicht ergibt sich ein Austausch oder eine Diskussion, womöglich hat jemand von euch eins dieser Bücher besonders goutiert und sagt mir, warum, oder ein anderer stimmt mir zu. Deshalb werde ich in Kürzestform diese Romane, die mir nicht geschmeckt haben, in der neuen Kategorie “Nicht mein Geschmack” vorstellen. Einigermaßen wertfrei, denn wir wissen ja alle, wie subjektiv die Lesermeinung ist. Konzentrieren werde ich mich in Zukunft – nach prominentem Vorbild vieler meiner lieben Bloggerkolleginnen – auf die Goldnuggets unter den Büchern, die Perlen, die Gustostückerln. Büchern, die mir meine Zeit stehlen, möchte ich in Zukunft nicht noch mehr Zeit widmen, indem ich über sie schreibe.

NMG 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Da ich seit Monaten über diese Entscheidung nachdenke, hat sich hier ein Stapel ungeliebter Bücher angehäuft, die gleich heute den Anfang machen.

Die Augen des Meeres von Ioanna Karystiani hat mich durch seine gestelzte, verschraubte Sprache abgeschreckt und inhaltlich leider gelangweilt. Die Geschichte des erblindenden Kapitäns, der sein Schiff nicht verlassen will, klang spannender, als sie es letztlich war.

Die Eismalerin von Kristín Marja Baldursdóttir ist ein interessantes Porträt einer vergangenen Zeit und zeigt eindringlich, wie Frauen im fernen Island früher lebten und wie hart sie arbeiten mussten. Diesen Einblick fand ich faszinierend, die Geschichte bot mir aber zu wenig Fantasie, sie ist so gleichförmig wie die Aneinanderreihung der ewig gleichen, eintönigen Arbeiten an der Nähmaschine, beim Fischen, Melken und Putzen.

Drei starke Frauen von Marie NDiaye ist ein wichtiges Buch, das viele Leser und Kritiker begeistert hat. Es thematisiert die Gewalt, das Leid, die Unterdrückung der Frau. Ich konnte jedoch zu den drei Geschichten keinerlei Zugang finden, ich fühlte mich regelrecht abgestoßen von der teilweise wirren, anstrengenden Beschreibung. Die Figuren waren mir unsympathisch und sogar einerlei, ihr Schicksal hat mich getroffen, aber nicht berührt.

Die blinde Küste von Carlos María Domínguez ist kurz und knapp, aber dennoch zäh zu lesen. Dieser große Zufall, der die beiden Figuren im Buch zusammenbringt, ist mir suspekt.

Das Kind, das vom Ende der Welt träumte von Antonio Scurati ist sehr dröge, unfassbar nüchtern und langweilig geschrieben, das Thema – ein angeblicher Missbrauch von Kindern – wird sehr journalistisch und leblos angegangen. Im Nachhinein habe ich Kritiken gelesen, die das Buch als Abfall bezeichneten, das hätte ich mal vorher tun sollen.

Der Zauber der ersten Seite von Laurence Cossé erzählt eine durchaus mitreißende Geschichte, die vor allem bibliophilen Menschen gefallen dürfte, denn es geht darin in erster Linie um Bücher. Ich hab es brav durchgelesen, fand es aber stellenweise viel zu langatmig, und am Ende habe ich es ganz plötzlich wieder vergessen.