„It takes patience to see what is true in this world“
Es ist ein sonniger Tag, an dem vier Menschen aus verschiedenen Gründen zum Circular Quay in Sydney fahren, wo das Opernhaus und die Harbour Bridge begehrte Fotomotive für Tausende Touristen sind. Ellie will sich nach vielen Jahren mit James treffen, der mit 14 ihre erste große Liebe war, sie denkt ständig an ihn und alles, was sie miteinander erlebt haben. James dagegen, der inzwischen als Lehrer arbeitet, ist nach einer Trägodie am Boden – und findet keinen Weg, neu anzufangen. Einen schweren Verlust verkraften muss auch Catherine aus Dublin, deren Bruder bei einem Unfall gestorben ist. Und Pei Xing lebt schon sehr lange mit dem Schmerz, den der Tod ihrer Eltern während der Kulturrevolution für sie bedeutet. Sie besucht regelmäßig jene Frau im Altersheim, die ihr einst viel Leid zugefügt hat. Vereint sind alle vier im Zufall, der sie an diesem Tag an diesen Ort bringt, so auch ein entführtes kleines Mädchen unterwegs ist …
Gail Jones scheibt überraschend träumerisch, mit einer seltsam schleppenden, melodischen Sprache, die nicht wirr, aber dennoch schwer zu durchdringen ist. Die australische Autorin verwebt in Five Bells das Schicksal von vier Figuren, von denen nur zwei sich kennen: Ellie und James, deren Liebesbeziehung schon ein halbes Leben zurückliegt. Der Roman umfasst nur einen einzigen Tag – und viele Erinnerungen. Jeder Charakter kommt gleichermaßen zu Wort und erhält die Möglichkeit, von sich und seinem Leben zu erzählen. Wieso ist jeder Einzelne von ihnen hier? Welche Abzweigungen haben sie auf ihrem Weg genommen, welche Entscheidungen haben sie getroffen, was ist ihnen zugestoßen? Davon berichten sie auf ebenso emotionale wie resignierte Weise: Das Leben ist, wie es ist. Und dann geht es zu Ende.
Es gibt Bücher, denen man anmerkt, dass der Autor seine Figuren sehr gern hat, dass er liebevoll mit ihnen umgeht, mit ihnen leidet, sie einspinnt in einen Kokon aus Worten. Dazu gehört Five Bells. Ein solcher Umgang mit den Charakteren färbt immer auf mich ab: Ich mag sie dann auch. Ich will nicht, dass ihnen etwas Böses geschieht. Schließlich müssen sie ja wohl liebenswert sein. Ich nehme Anteil an ihrem Schicksal, gewöhne mich an sie und vermisse sie, wenn ich das Buch ausgelesen habe. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Autor so ausgezeichnet schreiben kann wie Gail Jones. Ich werde Ellie, James, Catherine und Pei Xing deshalb in guter Erinnerung behalten, auch wenn ich mit dem Romanende nicht ganz einverstanden bin. Ein sehr schönes, melancholisches, intelligentes Buch – von meiner Seite eine große Leseempfehlung.
Five Bells von Gail Jones ist auf Deutsch erschienen unter dem Titel Ein Samstag in Sydney bei Edition Nautilus (ISBN 978-3-89401-778-1, 256 Seiten, 22 Euro). Eine Rezension dazu findet ihr bei Sophie von Literaturen.
Ganz unterhaltsam, aber richtig mitreißen konnten mich die Figuren nicht. Die Grundidee und auch den Schluss find ich wiederum richtig gut.
Versteh ich absolut!