Ein Reigen aus elf Episoden
Eine Nachbarschaft mit ganz gewöhnlichen Menschen: Zwei Frauen leben dort, Emilie und Maria, die gemeinsam alt werden, in einem Bett. Zusammen urlauben sie in einem tschechischen Kurhotel, wo die Dinge ein wenig außer Kontrolle geraten. So ergeht es auch dem achtzehnjährigen Leonhard, der Silvester allein zuhaus verbringt. Als er am Neujahrsmorgen aufwacht, liegt eine fremde Frau in seinem Haus. Sie ist wesentlich älter als er – und völlig verrückt. Sie jobbt in einer Bäckerei und hat eine erfundene Tochter namens Ronja. In der nächsten Nacht verliert Leonhard seine Jungfräulichkeit an sie – bevor sie wieder verschwindet. Währenddessen sind Leonhards Eltern und Schwestern im Urlaub, wo auf sehr unspektakuläre Weise eine Scheidung beschlossen wird. Was all diese Menschen verbindet? Eine Person: ein Klavierlehrer mit langen Haaren, Retter in der Not, Anlass für Eifersucht, Todbringer.
Was ist das Glück? Wo finden wir es und wie? Das sind Fragen, die sich wohl alle Menschen stellen – genau wie die Figuren in den elf Episoden dieses Buchs. Die bekannte Autorin Judith Kuckart schreibt in diesen kurzen Interlinking Storys über Leute, die einander kaum kennen, in der Nähe voneinander leben, aber nichts miteinander zu tun haben. Wie bei einem halben Adventskalender öffnet sie elf Türchen und lässt mich in die Häuser sehen, für einen Moment nur: Wer lebt dort mit wem? Lieben sie sich? Haben sie Geld? Und: Sind sie glücklich?
Judith Kuckart kann wahnsinnig gut schreiben, schlicht und schlau und schön. Nicht jede dieser Kurzgeschichten begeistert mich, die eine gefällt mir, die andere nicht. Insgesamt sind sie alle wunderbare Mini-Kaleidoskope, die fiktive Leben in ihre bunten Aspekte zerlegen. Der Interlinking-Aspekt macht dabei großen Spaß: Taucht in einer Story jemand auf, den ich bereits aus einer anderen Geschichte kenne, freue ich mich, ihm wieder zu begegnen – und noch mehr über ihn zu erfahren. Ein Buch mit einem poetischen Titel und kleinen, feinen Episoden über Menschlichkeit und Verlust, überraschende Ereignisse und das Glück.
Dass man durch Belgien muss auf dem Weg zum Glück von Judith Kuckart ist erschienen im Dumont Buchverlag (ISBN 978-3-8321-9807-7, 220 Seiten, 19,99 Euro).
Schön, dass es dir auch gefallen hat! Das sind ganz ähnliche Leseeindrücke wie bei mir. Ich habe es ja schon vor geraumer Zeit gelesen und interessanterweise ist es DAS Buch, was auf meinem Blog am meisten Leser hat … ein wenig liegt es vielleicht auch am schrägen Titel, der einfach neugierig macht: https://literaturleuchtet.wordpress.com/2015/08/26/judith-kuckart-dass-man-durch-belgien-muss-auf-dem-weg-zum-glueck-dumont-verlag/
Oh! Das ist wirklich überraschend, es ist ja eigentlich gar nicht so bekannt? Aber umso besser, wenn es mehr Leser bekommt …! 🙂
Das Buch hat es tatsächlich geschafft, sich völlig meiner Aufmerksamkeit zu entziehen. Was schade ist, denn es klingt super – ich steh auf diese interlinking-Geschichten. Das guck ich mir auf jeden Fall mal genauer an, vielen Dank!
Ja, mir macht Interlinking auch immer total Spaß. Da hat man das Gefühl, dass alles zusammen irgendwie mehr “Sinn” macht, wenn du verstehst, was ich meine … 😉
Das erste Buch in der Art, das ich gelesen habe, war “Simple Storys” von Ingo Schulze. Das ist jetzt mehr als zehn Jahre her und ich kann gar nicht mehr sagen, ob das wirklich gut war (“Neue Leben” von ihm fand ich eher langweilig), aber es war eine Offenbarung, wie auf einmal alles ineinander gepasst hat. Seitdem liebe ich solche Bücher.