Bücherwurmloch

IMG_8771Vor einer Weile war ich im Vorsommerurlaub, und es war einfach herrlich: Strand, Sonne, Meer und Gelatooo. Gelesen hab ich auch, und zwar fünf Bücher, die in ihrer Taschenbuchausgabe schon lang auf meinem SuB darauf gewartet hatten, endlich ausgewählt zu werden. Einige kennt ihr vielleicht. Und ich warne euch gleich: Das wird jetzt eine ziemliche Motzerei, denn bis auf einen mochte ich eigentlich keinen der folgenden Romane.

Paula Hawkins: The girl on the train
Um dieses Buch gab’s ja einen ziemlichen Hype. Ganz ehrlich? Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Da war ja Gone Girl noch besser! Die ersten 100 Seiten haben mich furchtbar gelangweilt und ich habe nur weitergelesen, weil ich a) im Urlaub war und nicht so viele Bücher mithatte und b) wissen wollte, was denn nun dran ist an dem Hype. Die trantütige Alkoholikerin Rachel ging mir wahnsinnig auf den Sack, sie ist selbstmitleidig und doof. In einer Nacht ist etwas geschehen, eine Frau ist verschwunden, aber sie war zu betrunken, um sich zu erinnern. Jö. Wie sie versucht, an Infos zu kommen, ist ebenso dämlich wie unglaubwürdig. Und keine Sekunde lang spannend. Ich seh’s mal wieder ein: Ich bin einfach nicht der Typ für Thriller.

Jan-Philipp Sendker: Das Herzenhören
Oh, wie herrlich kitschig! Das ist ein wunderbares Buch – und absolut perfekt für den Urlaub. Julia Win aus New York reist darin an einen völlig abgelegenen und fremden Ort: ein kleines Dorf in Burma. Sie sucht ihren Vater, der vor einigen Jahren verschwunden ist. „Was wissen wir von unseren Eltern, und was wissen sie von uns?“ Die rationale Julia bekommt eine berührende, zu Herzen gehende Geschichte erzählt, die sie nicht glauben kann und will und bei der sie doch spürt: Sie ist wahr. Einen Blinden und eine Lahme zusammenzutun, das klingt wie eine fast schon lächerlich einfache Parabel, ist aber so viel mehr: schlicht, ergreifend und klug. Zwar enthält das Buch Klischeesätze wie „Es gibt nur eine Kraft, die stärker ist als die Angst. Die Liebe.“ und „Muss man die Welt gesehen haben? Alle Gefühle, zu denen wir Menschen fähig sind, die Liebe und den Hass, die Angst und die Eifersucht, den Neid und die Freude, finden Sie in jedem Haus, in jeder Hütte.“ Schön ist es trotzdem und genau deswegen.

einzlkind: Gretchen
Das einzlkind geistert seit einer Weile herum, kam mir immer wieder unter, und während der Lektüre dieses Buchs dachte ich oft: „Was’n das?“ Ich weiß es nicht so genau. In Ansätzen witzig, aber in den Ausformulierungen hohl: So kommt Gretchen daher. Ich hab den Roman nur überflogen, konnte mich weder mit dem Stil noch mit der Geschichte anfreunden. Eine großkotzige Protagonistin, deren Überheblichkeit den Humorrahmen des Buchs ausmachen soll, Dialoge, die sich hochschwingen, aber sofort wieder abstürzen, und ein letztes Drittel, bei dem mir die Füße einschlafen. Die Autorenvita ist zudem die schlechteste, die ich je gelesen habe: Der Autor lebt. Sein Vorname ist vielleicht betamax. Obwohl er ja dann ein Videorekorder wäre. So viel aber kann verraten werden: Ein Videorekorder ist er nicht. Ansonsten gibt es kaum Neues zu berichten. Das zeigt schon, wie unlustig dieses Buch ist.

Cornelia Travnicek: Chucks
„Eine starke neue Stimme“ wurde die 1987 geborene Österreicherin genannt, als ihr Erstling 2012 erschien. Ich hab mir so einiges erwartet von ihr – und war reichlich enttäuscht. Da gibt’s eine, Mae heißt sie, die trägt die roten Chucks ihres Bruders, der tot ist, und verliebt sich in einen, der Aids hat. Das ist tragischer Stoff, der sich einem ins Herz bohren könnte. Stattdessen kommt der lahme, schmale Roman betont blasiert, versifft und uninteressiert daher. Als hätte er mit all dem, was in ihm steckt, nichts zu tun. Die faden, teilweise erstaunlich schlecht formulierten Sätze schaben nur an der Oberfläche, echtes Gefühl kommt keines zustande. Absolut zu vernachlässigen.

Judith W. Tischler: Roman ohne U
Halleluja! So viel Gutes hatte ich gehört von diesem Buch. Am Strand hab ich es endlich gelesen – und hätte schreien mögen. Vor Wut! Spannende Geschichte, durchaus, aber aufs Papier gebracht in einem derart schludrigen, sauschlechten Stil, dass es ein Graus ist. Wegen der vielen Schnitzer, abgeschmackten Formulierungen und Holprigkeiten war der Roman für mich beinahe unlesbar. Dabei hätte ich mich sehr wohl begeistern können für die Story über einen, der wegen eines dummen Streichs in ein sibirisches Lager geschickt wird, dort seine große Liebe trifft und mit ihr ums Überleben kämpft. Die furchtbar blöde Rahmenhandlung um ein Ehepaar mit vier Kindern, das sich nie geliebt hat, hat das zur Gänze kaputtgemacht. Am schlimmsten fand ich die Angaben über Alter, Lieblingsspeise und Zukunftspläne bei jeder Figur – das liest sich wie eine Charakterstudie zur Vorbereitung eines Romans, nicht wie ein eigentlicher Roman. Grauenhaft!

Bücherwurmloch

IMG_8788Blog goes Print
Seit Ende Mai habe ich eine eigene Kolumne im Salzburger Fenster und schreibe unter dem Namen Zuckergoscherl über das Leben mit Kindern, die Stadt Salzburg, das Frausein an sich und über alles, was mir so unterkommt. Das ist aber nicht das Einzige, was in diesem neuen Stadtmagazin mit einer Auflage von mehr als 160.000 Stück von mir zu lesen ist: Ab und zu erscheinen auch gekürzte Buchtipps mit dem Hinweis auf meine Domain, die ich mir ja, vielleicht erinnert ihr euch, extra deswegen endlich eingerichtet habe. Ich wähle dafür Romane aus, die mich über die Maßen beeindruckt haben und von denen ich denke, dass die breite Masse sie nicht kennt. Im besten Fall bekommen diese Bücher mehr Leser! Und mein Blog natürlich auch, hihi.

Bücherwurmloch

IMG_76851. Der wichtigste und ausschlaggebende Grund ist, dass ich Kinder habe und keinen Platz. Ja, das ist kausal gemeint: Seit die Kinder da sind, ist der Platz weg. Vor allem der Platz für etwas so „Überflüssiges“ (Entschuldigung!) wie Bücher. Sie mussten weichen, und sie wichen. Aus dem Büro und Bücherzimmer wurde ein Kinderzimmer, an die Stelle des Regals kam unser erstes Gitterbett. Als ich noch jung war und bei meinen Eltern wohnte, war ich umgeben von Büchern, und ich liebte es. Natürlich war es ein Schock, als ich mich Jahre später von meinen Buchschätzen trennen musste, kistenweise wanderten sie in den Keller, ich verschenkte sie, setzte sie mit Zetteln versehen aus. Das ist mir anfangs wahnsinnig schwergefallen. Aber es gab keine andere Möglichkeit.

2. Heute bin ich daran gewöhnt, Bücher wegzugeben. Ich habe gelernt, mich zu lösen und sie loszulassen. Ich bin sogar so sehr daran gewöhnt, dass es nur noch extrem selten vorkommt, dass ich ein Buch behalte. Inzwischen haben wir zwei Kinder, aber auch eine größere Wohnung, und mein Opa hat mir ein wunderschöness, selbstgezimmerte Holzregal gebaut. Auch hier ist der Platz begrenzt, aber das stört mich nicht mehr: Ich scheue den Abschied von einem Buch nicht, meine Einstellung von früher hat sich ins Gegenteil verkehrt.

3. Ich muss nicht alles besitzen. Und schon gar nicht die Bücher, die ich lese. Sie sind für eine Weile bei mir, begleiten und entführen mich, nehmen mich mit auf eine Reise – und IMG_7682wandern dann weiter. Ich lasse sie frei, und ich habe heute das Gefühl, dass das ihrem Wesen viel mehr entspricht: Geschichten zu erzählen, Wissen weiterzugeben. An so viele Menschen wie möglich.

4. Ich behalte ausschließlich Herzensbücher, nur die wenigen, die mich erschüttert, getroffen und berührt haben. Im Jahr 2015 waren das von über 100 Büchern, die ich gelesen habe, gerade einmal 15. Von ihnen umgeben zu sein, ist sehr schön, weil sie mir viel bedeuten.

5. Ich ersticke nicht in Dingen und in materiellem Besitz.

6. Ich muss nie, wirklich nie Bücher aussortieren.

IMG_76837. Seien wir ehrlich: In die meisten Bücher schauen wir kein zweites Mal hinein. Wir lesen sie, stellen sie ins Regal, und da stehen sie dann. Wir würden sie nicht noch einmal lesen. Wozu sie also behalten?

8. Viele Bücher gefallen mir nicht, ihre Geschichten sind mittelmäßig, sie fesseln und begeistern mich nicht. Das ist für mich ohnehin ein Grund, sie wegzugeben.

9. Ich sehe darin auch eine Vorbildfunktion für meine Kinder. Sie sollen lernen, dass man nicht alles haben muss – dass auch wenig reicht, wenig Gutes vor allem. Wir leben ohnehin im Überfluss, und ich zeige ihnen, dass man sich auch Dingen trennen kann, die einem wichtig sind. Bei mir sind es Bücher, bei ihnen ist es Spielzeug, von dem sie auch ein großes Regal voll besitzen. Sie haben mehr als genug, und ich möchte, dass sie vorgelebt bekommen, dass Reichtum nicht in Quantität besteht, sondern in Qualität.

10. Ich habe nach langer Suche eine wunderbare Auffangstelle für meine Bücher gefunden: die kleine Bücherei in meinem neuen Heimatdorf. Denn das ist natürlich entscheidend: Was tut man mit den Büchern, die man weggibt? Sie bei ebay, rebuy oder einem der anderen Anbieter zuIMG_7684 verkaufen, ist mühsam und lohnt sich nicht. Mein Freundeskreis rollt nur genervt mit den Augen, und zum Wegschmeißen sind sie mir viel zu schade. Aber in der örtlichen Bücherei freut man sich über die Maßen: Hier gibt es wenige, aber sehr gute Bücher, die Leiterin achtet auf eine hochwertige Auswahl. Meine Bücher werden schön laminiert, bekommen ein NEU-Pickerl, werden ganz vorn positioniert und vor allem: Sie werden noch gelesen. Von vielen Menschen.

11. Ich kaufe nicht mehr so unüberlegt wie früher. Ich denke schon beim Buchkauf darüber nach, ob das ein potenzielles Buch ist, das ich behalten möchte. Wenn nicht, dann kann es gut sein, dass es gleich in der Buchhandlung liegen bleibt.

Nun interessiert mich natürlich: Wie haltet ihr es mit der Gretchenfrage? Gebt ihr jemals Bücher weg oder lebt ihr in einem wahrgewordenen Bibliophilentraum, umgeben von Buchtürmen? Könntet ihr euch vorstellen, so wie ich fast kein Buch mehr zu behalten?

Bücherwurmloch

thumb_IMG_6298_1024Willkommen im neuen Bücherwurmloch
Bestimmt kennt ihr den Spruch: Fühle mich wie neugeboren. Könnte schreien. So ging es mir in den letzten zehn Tagen während meines Blogumzugs. Einige von euch haben so etwas ja selbst schon mitgemacht und wissen, dass es nicht babyleicht ist. Das Exportieren der Daten, das Neugestalten und Umbauen kostet viel Zeit und Nerven. Zum Glück hatte ich Hilfe (danke an dieser Stelle!), denn allein hätte ich das weder gewagt noch geschafft.  Jetzt ist das Bücherwurmloch tatsächlich neu geboren. Nach sieben Jahren unter der Fuchtel von WordPress hat es ein eigenes Zuhause, und zwar (so viel Heimatverbundenheit muss sein) ein österreichisches, siehe oben:

buecherwurmloch.at.

Das Bücherwurmloch heißt ja Bücherwurmloch, weil ich einen Namen wollte, der leicht vulgär klingt. Ein bisserl nur. So, dass man es fast nicht merkt. Zudem fand ich freilich das Wortspiel aus Bücherwurm und Wurmloch reizvoll. Zur Geburtsstunde der neuen Domain, dachte ich, sollte ich vielleicht auch mal den Namen des Kindes erklären. Ganz spontan und kurz vor knapp habe ich, wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, entschieden, doch noch das Theme zu wechseln und die Fotos vom crazy Bookworm-Shooting mit Thomas Wozak zu verwenden. Wozu hab ich den Blödsinn denn sonst gemacht?! Jetzt hoff ich natürlich, dass euch das gefällt. Falls nicht, dann verschweigt es mir bitte – das kann ich nach all der Umzugsschwitzerei im Moment nicht verkraften … 😉

Hier wird es weiterhin in gewohnt flapsiger Manier Buchvorstellungen und Kurzinterviews geben sowie alles, für das ich in meinem chaotischen Halligallileben Zeit finde. Im Moment scharren schon Karen Duve und Sarah Kuttner in den Startlöchern. Ich freu mich sehr, wenn ihr mir auch hier folgt und die Treue haltet – und wenn ihr euch die Mühe macht, in euren Blogrolls den alten Link gegen den neuen auszutauschen. Vielen Dank!

Mariki

Bücherwurmloch, Snacks für zwischendurch

thumb_IMG_6900_1024Kurze Meldungen zu 8 Büchern
In den letzten Wochen habe ich einige Bücher gelesen, über die ich nicht unbedingt schweigen will, zu denen ich aber auch nicht allzu viel zu sagen habe. Das bedeutet nicht zwangsweise, dass sie mir nicht gefallen haben – meine Gedanken dazu reichen nur ganz einfach nicht aus für eine umfassende Besprechung. Daher serviere ich euch hier ein paar Kurznotizen dazu und freu mich natürlich über Meldungen von eurer Seite: Kennt ihr einen der Romane? Und wie ist eure Meinung dazu?

 

  1. Jonathan Löffelbein: Besucher. Kladdebuchverlag, 180 Seiten, ISBN 978-3-945431-10-8, 19 Euro.

Jonathan Löffelbein ist erst 24 Jahre alt und hat bereits ein Buch veröffentlicht. Seit er ein Kind ist, steht er auf diversen Bühnen. Er ist jung und wild und kreativ – und hat sich für sein Debüt nicht zurückgehalten. Gleich der Teufel ist es, den er auftreten lässt: Protagonist Thomas, der sich eben noch umbringen wollte, bekommt Besuch von einer merkwürdigen Gestalt, die ihn zwingen will, sich nicht selbst zu töten, sondern jemand anderen. Was folgt, ist ein wirrer Reigen aus Wahnvorstellungen und unerklärlichen Ereignissen, aus verrückten Dialogen, Neid, Missgunst und Vorträgen über die Moral und/oder Scheinheiligkeit. Einerseits hat dieser Roman mich mit seiner Kraft und Kompromisslosigkeit beeindruckt, andererseits hat mich all der Irrsinn zum Teil derart überfordert, dass ich kaum weiterlesen konnte. Ein hochgradig merkwürdiges, bemerkenswertes, absurd krasses Buch.

  1. Richard Flanagan: The narrow road to the deep North. Man Booker Prize 2014, auf Deutsch: Der schmale Pfad ins Hinterland, Piper Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3492057080, 24 Euro.

Dies ist ein Buch über den Krieg. Dorrigo Evans ist gefangen in einem japanischen Lager, wo die Soldaten beim Bau der „Line“ – der Strecke für die Eisenbahn – am Burma Death Railway verheizt werden. Sie sterben im Namen des Kaisers wie die Fliegen, ohne dass Dorrigo, der als Arzt arbeiten soll, etwas dagegen tun kann. „A happy man has no past, while an unhappy man has nothing else“: Noch Jahrzehnte später denkt Dorrigo an die Erlebnisse im Gulag. Und er denkt immer noch an Amy, die Frau seines Onkels, in die er rasend verliebt war, bevor er in den Krieg musste. Nie hat er erfahren, was aus ihr geworden ist. Dieses Buch ist wahnsinnig traurig und deprimierend und brutal, es zeigt die Grausamkeit des Krieges in all seinen trostlosen Details. Stellenweise war es mir viel zu langatmig. Lieblingszitat: „A good book leaves you wanting to reread the book. A great book compels you to reread your own soul.“

  1. Martin Kordić: Wie ich mir das Glück vorstelle. Hanser Verlag, 176 Seiten, ISBN 978-3-446-24529-7, 17,40 Euro.

Ebenfalls dem Krieg widmet sich dieses Buch, das den Leser mitnimmt ins ehemalige Jugoslawien. Erzählt wird die Geschichte von einem Jungen, Viktor, der sich ganz allein durchschlägt – er sucht in zerbombten Städten nach Essen, er weicht den herumsirrenden Kugeln aus, er tut sich mit Weggefährten zusammen, die er später wieder verliert. Alles an diesem Buch ist furchtbar, jede Seite tropft vor Blut, jeder Satz weint vor Einsamkeit. Viktor hat die schrecklichste Kindheit, die man sich vorstellen kann – und die viele Kinder in der Realität tatsächlich erleben. Ich hatte während der ganzen Lektüre einen Kloß im Hals. Ein Roman, der mitten ins Herz schneidet.

  1. Simon van Booy: Die Illusion des Getrenntseins. Insel Verlag, 207 Seiten, ISBN 978-3-458-17592-6, 18,95 Euro.

„Liebe ist auch eine Verletzung und kann nicht ungeschehen gemacht werden“, schreibt Simon van Booy in diesem Buch, das ebenfalls den Krieg zum Thema hat. Es geht darin um einen Mann, der als Baby mitten in einem Getümmel voller Nazis von einer mutigen Frau gerettet wurde. Um ein blindes Mädchen, das sein Leben sehr selbstständig führt und die Liebe findet. Um einen Mann, dem im Krieg der halbe Kopf weggeschossen wurde und der nie mehr als der lebte, der er eigentlich war. Gut geschrieben ist dieser Roman, wenn auch ein wenig verwirrend in seinem steten Zeiten- und Personenwechsel. „Wir werden alle durch etwas bestimmt, das wir nicht ändern können.“ Im Fall des Krieges ist das auf jeden Fall wahr.

  1. Gudrún Eva Mínervudóttir: Alles beginnt mit einem Kuss. Btb Verlag, 384 Seiten, ISBN 978-3442746095, 9,99 Euro.

Bücher aus Island haben stets etwas merkwürdig Geheimnisvolles. Zumindest gilt das für jene, die ich bisher gelesen habe – wie etwa dieses hier. Es geht darin um eine Frau, die Adoptivmutter des Erzählers David, die ihrer Meinung nach einen Musenkuss erhalten hat. Er hat sie zur Künstlerin gemacht, und sie kann ihn weitergeben. Doch als sie das tut, geschehen verrückte Dinge, die schließlich den Tod bringen. Jahre später versucht David endlich herauszufinden, was damals geschehen ist. Das ist alles mehr als seltsam, aber interessant und unterhaltsam zu lesen. Am coolsten und zugleich am schrägsten in diesem Buch sind die Comics und Zeichnungen.

  1. Germán Kratochwil: Scherbengericht. Picus Verlag, 312 Seiten, ISBN 978-3-85452-682-7, 22,90 Euro.

2012 war dieses Buch für den Deutschen Buchpreis nominiert. Der Autor, der in Österreich geboren ist, wanderte als Kind nach Patagonien aus. Dort spielt auch sein Roman, in dem er zwölf Leute zu einer Geburtstagsfeier versammelt. Doppelbödig soll das sein, schwarzhumorig und konfliktträchtig. Viel kam davon jedoch nicht bei mir an, weil mich die Geschichte absolut nicht gepackt hat. Ich hab versucht, mich durchzuwühlen, konnte aber keinen Gefallen daran finden. Es war mir zu langweilig, leiernd, nichtssagend.

  1. Elisabeth Tova Bailey: Das Geräusch einer Schnecke beim Essen. Nagel & Kimche, 176 Seiten, ISBN 978-3312004980, 8,99 Euro.

Dafür, dass dieses Buch ein völlig unspektakuläres Thema behandelt, hat es für recht viel Aufsehen gesorgt. Die Autorin erzählt darin auf sehr persönliche Weise von einer ebenso schweren wie mysteriösen Krankheit, die sie für sehr lange Zeit ans Bett gefesselt hat. Die einzige Ablenkung in dieser Zeit war für sie eine Schnecke auf einer Topfpflanze, die sie geschenkt bekam und fortan beobachtete. Davon berichtet sie – gemischt mit viel Wissen über die Schnecke an sich. Dieses Buch ist kurzweilig und interessant, für mich aber kein Highlight. Was man durch die Lektüre lernen kann: Entschleunigung.

  1. Sandra Weihs: Das grenzenlose Und. Frankfurter Verlagsanstalt, 192 Seiten, ISBN 978-3627002206, 19,90 Euro.

Vor einer Weile hab ich die ersten 50 Seiten dieses Buchs als Manuskript bekommen, ein wenig redigiert und mit Feedback zurückgeschickt. Als ich dann auf der Leipziger Buchmesse von dieser Story erzählt bekam, dachte ich: Moment – das kommt mir doch bekannt vor! Die Österreicherin Sandra Weihs hat den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung bekommen und ihr Debüt veröffentlicht. Ich war natürlich sehr darauf gespannt, zu lesen, was aus dem Manuskript geworden ist. Auf den ersten Seiten war sofort klar, dass es viel, viel besser ist – kraftvoller, lebendiger, witziger. Sandra Weihs hat auf jeden Fall Talent. Ein wenig schade finde ich, dass das Buch in der zweiten Hälfte schwächer wird und in vorhersehbaren Kitsch abdriftet. Für einen Erstling ist das ganz in Ordnung, der große Clou ist es noch nicht.

Bücherwurmloch

Die Liste, die hier folgt, bezieht sich auf eine bestimmte Auswahl an Buchblogs, die von Männern geführt werden. Ich meine damit keine Blogs, auf denen Fantasy- oder Erotikromane rezensiert werden und auf denen es merkwürdige Gothic-Schriftarten gibt. Mag sein, dass diese Liste hier sexistisch ist. Möge sie es sein! Und möget ihr alle die Ironie und das Augenzwinkern dahinter erkennen. Die Männerblogs, von denen die Rede ist, gibt es zum Großteil noch nicht allzu lang, und hier sind die Gründe, warum sie cool sind.Bildschirmfoto 2015-12-28 um 20.24.17

  1. Lesende Männer sind sexy. Nicht umsonst hat der Instagram-Account Hot Dudes Reading, der lesende Männer zeigt, mehr als 774.000 Follower. Ich interessiere mich für Männer. Und für Bücher. Beides in Kombination? Jackpot!
  2. Männer lesen eigentlich nicht. Oder geben es zumindest nicht zu. Andrea Gerk schreibt in ihrem Buch Lesen als Medizin. Die wundersame Wirkung der Literatur (Rogner & Bernhard, 2015): „Bis heute behaupten viele Männer, keine Romane, sondern nur >>vernünftige<< Texte zu lesen, womit sie vor allem Sachbücher und Zeitungen meinen.“ Sie zitiert die Schriftstellerin Siri Hustvedt, der zufolge Männer denken, „dass Männlichkeit auf der Linie ernst zu nehmender Sachbücher liegt, während Weiblichkeit mit albernen Romanen, erfundenen Geschichten assoziiert wird“. Sich über dieses merkwürdige Geschlechterbild hinwegzusetzen, sich als lesender Mann zu „outen“, ist cool.
  3. Männer lesen andere Bücher. Auf ihren Blogs entdecke ich Lesestoff, nach dem ich selbst nicht gegriffen hätte oder den ich eher skeptisch beäugt habe.
  4. Männer haben schlichtere Blogs ohne Feenstaub und fragwürdige Farbkombinationen.
  5. Viele männliche Buchblogger sind arrogant oder – mit etwas Milde ausgedrückt – selbstbewusst. Sie nennen sich „Alternative zum Feuilleton“ und „last man reading“, bezeichnen sich als „Dorfschönheit, Intellektueller, Kulturphilosoph“. Sie positionieren sich sehr eindeutig. Und davon können wir Frauen auf jeden Fall was lernen: mehr Glaube an uns selbst und unsere Fähigkeiten. Und ein selbstbewussteres Auftreten nach außen.
  6. Männer rezipieren und rezensieren anders. Oft ist ihre Sicht auf ein Buch sehr interessant und zeigt mir Seiten daran auf, die ich nicht so oder anders wahrgenommen habe. Oder ich erkenne dadurch, dass ein bestimmter Roman ganz sicher nicht der richtige für mich ist.
  7. Buchblogmänner sind davon überzeugt, dass gelesen wird, was sie zu sagen haben, dass Interesse an ihren Worten und an ihrer Meinung besteht. Das ist quasi die Definition von Coolness. Natürlich ist es auch gut möglich, dass sie nur so tun als ob. Das weiß man bei Männern ja nie so genau.
  8. Sie kokettieren mit ihrem Standing und ihrem Seltenheitsfaktor. Sie wissen, dass es nicht allzu viele lesende Männer gibt – und schon gar nicht solche, die auch darüber bloggen. Sie schmücken sich mit diesen raren Federn, stellen ihre Pfauenräder auf. Das ist vielleicht berechtigt und in jedem Fall amüsant.
  9. Sie sind oftmals sehr belesen und kennen sich gut aus, vor allem mit den Klassikern. Das gibt ihrer Kritik eine Rechtfertigung, die nicht zwingend notwendig ist, sie aber sehr versiert wirken lässt.
  10. Sie sind eigenwillig und stur. Sie sind ausgeprägte Persönlichkeiten und wissen ganz genau, was sie (lesen) wollen.
  11. Sie bringen Vielfalt. Und Vielfalt ist immer cool.
Bücherwurmloch

WOZ0942-Mareike-11-2015Manchmal muss man Dinge tun, die man überhaupt nicht tun muss
Willkommen im neuen Jahr! Ich hoffe, ihr seid gut gerutscht. Ich möchte euch mit etwas ganz Verrücktem begrüßen: mit den Bildern von meinem Bookworm-Bitch-Shooting. Viele von euch haben vielleicht auf Facebook und Twitter mitverfolgt, dass ich im November mit einem Fotografenteam in einem unheimlichen alten Gebäude unterwegs war. Und zwar mit der Mission, ein paar richtig schräge und ungewöhnliche Fotos zu schießen.

Nun ist es so, dass mir jegliches Heidi-wo-ist-mein-Foto-Gen fehlt, soll heißen: Mich fotografieren zu lassen, macht mir überhaupt keinen Spaß. Umziehen, posen und grinsen, nein, danke! Aaaber: Als ich von der Location gehört habe, war ich sofort Feuer und Flamme. Denn wann hat man als Bücherwurm jemals die Gelegenheit, in einem alten, abgefuckten Bücherzimmer, das niemand mehr nutzt, rumzuklettern? Eben. Da konnte ich trotz Modelabneigung nicht mehr Nein sagen.

Thomas und Brigitte Wozak und Make-up-Artist Amory Uhlmann sind bekannt dafür, keine spießigen 08/15-Bilder zu schießen, sondern freakiges Zeug. Also genau das Richtige für mich! So sind wir bei -4 Grad über halb zerrissene, angekokelte Bücher geklettert und haben Blödsinn gemacht. Fast schon zufällig sind dabei ein paar crazy Pics entstanden. Falls ihr euch wie meine Anverwandten fragt, warum ich das gemacht habe (Zitat: „Ich verstehe den Sinn davon nicht“), kann ich nur sagen, dass es keinen Grund und keinen Sinn gibt. Und ist das nicht herrlich?

 

Bücherwurmloch

WOZ0952-Mareike-11-2015.jpgDie Lieblinge aus dem Jahr 2015 im Bücherwurmloch
Ich kann kaum glauben, dass dieses Jahr schon zu Ende ist! Ich gehöre eigentlich nicht zu den Sentimentileuten, die ständig sagen, die Zeit verfliege. Aber: Heuer ging es mir irgendwie zu schnell. 2015 war so sehr angefüllt mit abenteuerlichen, anstrengenden, schönen und verrückten Ereignissen – und natürlich mit vielen, vielen Büchern! Ich bedanke mich herzlichst bei all den Verlagen, die mir freundlicherweise zahlreiche wunderbare Leseexemplare zur Verfügung stellen, und bei den Pressemenschen, die sich mit mir darüber austauschen. Ebenso grandios ist, dass es euch gibt, dass ihr hier mitlest, kommentiert und diesem Blog überhaupt erst einen Sinn gebt. Ich bin gespannt auf ein weiteres Jahr mit euch, in dem wir hoffentlich viele interessante, kuriose und berührende Lektüren entdecken werden. Neues Jahr, neues Lesevergnügen!

2015 musste ich nicht einmal einen Moment überlegen, um zu wissen, welche fünf Bücher meine Lieblinge sind. Es war mir schon während der Lektüre völlig klar. Und bei jedem Buch ist ein ganz bestimmter Grund ausschlaggebend dafür, dass sie von den über 100 Romanen, die ich heuer gelesen habe(n werde), für mich die allerbesten sind. Mit fünf von fünf Punkten bewertet habe ich insgesamt 13 Bücher. Herausragend waren davon für mich die folgenden:

Katja Kettu: Wildauge. Dieses Buch hat mich am meisten beeindruckt. Es ist wild und vulgär, sprachgewaltig und absolut einzigartig. Ein Wirbelsturm von einem Buch!

Dörte Hansen: Altes Land. Das ist der Roman, der mir 2015 mit seiner Story am besten gefallen hat. Er ist bissig und ironisch, poetisch und sehr klug, wunderbar menschlich, wehmütig und beeindruckend gut geschrieben.

J. J. Abrams & Doug Dorst: S – Das Schiff des Theseus. Das ist mit Abstand das schönste Buch in seiner Aufmachung. Diese fantasievolle Meisterproduktion hat mich auf eine rätselhafte Schnitzeljagd geschickt, es ist spannend, einmalig, gruselig und witzig, ein Wunderwerk von einem Buch, dem ich eine Blogparade mit mir selbst gewidmet habe.

Darragh McKeon: Alles Stehende verdampft. Dieses Buch hat mich 2015 emotional am meisten berührt. Es hat mich richtig weggefegt, es war eine Axt für das gefrorene Meer in mir. Es ist tragisch und traurig, sehr ergreifend und meisterhaft erzählt.

Valerie Fritsch: Winters Garten. Es gibt keinen Roman, den ich in diesem Jahr in sprachlicher Hinsicht so gut fand wie diesen. Er ist poetisch und intensiv, berauschend und intelligent. Wahre Sprachkunst.

Die acht weiteren Highlights 2015 für mich waren:
Natalio Grueso: Der Wörterschmuggler
Margaret Mazzantini: Herrlichkeit
Annika Reich: Die Nächte auf ihrer Seite
Giuliano Musio: Scheinwerfen
Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten
Doris Knecht: Wald
Molly Antopol: Die Unamerikanischen
Max Scharnigg: Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau (Rezension folgt)

Welche Bücher ebenfalls wahre Schmankerln mit vier von fünf Punkten waren, nämlich 35 an der Zahl, seht ihr hier.

Seit ich ein bisschen im Frühjahrsprogramm gestöbert und ein wenig an den neuen Titeln geschnuppert habe, freu ich mich schon auf 2016 – und hoffe natürlich, ihr seid dann hier wieder mit von der Partie. Da dies mein letzter Beitrag für 2015 sein wird, wünsche ich euch eine entspannte und harmonische Weihnachtszeit sowie einen guten Rutsch in ein erfolgreiches, schönes und unvergessliches neues Jahr – mit vielen guten Büchern.
Alles Liebe!
Mariki

IMG_5498.JPG

 

Bücherwurmloch

thumb_IMG_6368_1024Gratulation: Du hast gewonnen!
Bis gestern, 6. Dezember 2015, Mitternacht, lief das große Gewinnspiel zu „Das Schiff des Theseus“, und über 60 Teilnehmer haben ihr Glück versucht. Vielen Dank an euch alle fürs Mitmachen sowie für die vielen positiven und interessanten Kommentare zu meiner kleinen Blogparade! Das Los hat heute Früh entschieden, wer dieses besondere Buch bald in den Händen halten darf. Glücksfee durfte meine kleine zweijährige Tochter spielen, die ganz sicher nicht beeinflussbar ist, weil sie noch nicht einmal lesen kann. (Sämtliche Kinder wurden freilich für ihre Arbeit entsprechend entlohnt.)

thumb_IMG_6370_1024

Und jetzt der Trommelwirbel! Gewonnen hat:

thumb_IMG_6374_1024

Herzlichen Glückwunsch! Ich freu mich sehr für dich, liebe Seitengeraschel-Mareike. Bitte melde dich bei mir mit deiner Adresse! Das Buch bekommst du vom Verlag geschickt, quasi deinem persönlichen Christkind. Und bei manchen anderen, die heute nicht gewonnen haben, liegt das Buch ja vielleicht trotzdem unter dem Christbaum …

Bücherwurmloch, Für Gourmets: 5 Sterne

thumb_IMG_6195_1024Gewinnspiel! Gewinnspiel! Gewinnspiel!
Nun habe ich euch eine ganze Woche lang mit Beiträgen zu Schiff des Theseus zugespamt. Ich hoffe, es ist mir gelungen, euch meine Begeisterung für dieses einmalig schöne Buch zu vermitteln. Und natürlich weiß ich, dass es einen stolzen Preis hat, aber ich könnte mir kein schöneres Weihnachtsgeschenk für bücherliebende Menschen vorstellen. Oder für euch selbst! Hab ich euch eigentlich schon verraten, dass es sogar nach altem Buch riecht, weil es extra eingeduftet wurde? Nein? Am besten macht ihr noch bis Sonntag, 6. Dezember 2015, beim Gewinnspiel* mit, dann habt ihr nämlich die Chance darauf, bald selbst dieses Mammut von einem Buch in der Hand zu halten. Kommentiert dazu einfach hier oder unter einem der anderen S-Beiträge, es gibt ja jetzt genügend davon (feine Selbstironie bitte hier einsetzen).

Wenn ihr noch ein bisschen mehr Interessantes über Schiff des Theseus lesen möchtet, werdet ihr beispielsweise fündig bei Druckfrisch, der Süddeutschen Zeitung, Zeilensprünge, Lesestunden und der Welt. Hier findet ihr den schönen Buchtrailer, und hier könnt ihr Kossi beim Unpacking zusehen.

Abschließend bleibt mir zu sagen, dass dieses Buch mich persönlich sehr bereichert hat, weil es mir mit Einfallsreichtum, Fantasie und großem Produktionsaufwand gezeigt hat, wie schön es ist, zu lesen. Es hat mich daran erinnert, wie sehr ich als Kind literarische Schnitzeljagden von Thomas Brezina oder anderen Autoren mochte, mit Codes und Rätseln. Und es hat auf eine sehr greifbare, haptische Art bewiesen, dass man, wenn man fest an eine vielleicht verrückte Idee glaubt, alles erreichen kann. Das ist sehr amerikanisch. Und sehr schön.

*Unter allen, die bis 6. 12. 2015 um 0.00 Uhr einen Kommentar unter den Special-Beiträgen hinterlassen, wird ein Exemplar von Schiff des Theseus verlost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt.