Bücherwurmloch, Für Gourmets: 5 Sterne

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„Dieses Buch ist so besonders, dass wir es unbedingt publizieren wollten“

Ein Interview mit Mona Lang, Lektorat Kiepenheuer & Witsch.

„Das Schiff des Theseus“ wird allerorts als große Buchkunst gefeiert. Was hat Sie dazu bewogen, ein derart besonderes Buch ins Programm aufzunehmen, dessen Umsetzung so aufwendig ist? Deine Frage beinhaltet tatsächlich schon unsere Antwort: Dieses Buch ist so besonders, dass wir es unbedingt publizieren wollten. Schnell war klar, wer dieses Buch (damals noch die Originalausgabe) in Händen hält, macht große Augen und die erste Reaktion war eigentlich immer: „Das möchte ich unbedingt haben!“. So ging es uns selbst auch. Am Anfang konnte man den Aufwand schwer abschätzen, doch alle Kosten und Mühen haben wir gerne auf uns genommen, um dieses einzigartige Werk auf Deutsch nun einem breiten Publikum zugänglich machen zu können.

Was war die größte Herausforderung bei der Übersetzung? Ganz klar: Die Codes in den Fußnoten. Die Codes sind wirklich sehr ausgeklügelt und unsere erste Aufgabe war: verstehen, wie sie funktionieren. Die zweite Aufgabe: das auf Deutsch genauso toll hinzubekommen. Ein Beispiel: In Kapitel 4 wird das Codewort ermittelt, durch die Wörter nach den Worten, die mit „ex“ beginnen. Wir mussten also deutsche Wörter finden, die mit der Silbe „ex“ beginnen, gleichzeitig aber inhaltlich Sinn machen, denn die Fußnote beinhaltet ja einen sinnvollen Fließtext.

Wie sind die beiden Übersetzer Tobias Schnettler und Bert Schröder vorgegangen: chronologisch oder je nach Figur/Randnotiz? Zunächst muss ich sagen: Tobias und Bert waren ein Segen für mich. Die beiden sind mit vollem Elan an dieses Projekt herangegangen und wir hatten viel Spaß dabei, zusammen zu rätseln und Lösungen zu finden. Ganz konkret hat Tobias Schnettler den Romantext von V. M. Straka und Bert Schröder die Randanmerkungen und Beileger übersetzt. Die beiden waren in ständigem Austausch darüber, wie sie gewisse Redewendungen und Begriffe übersetzen, damit alles nachher kohärent ist.

Was gefällt Ihnen persönlich an „Schiff des Theseus“ am besten? Ganz klar: Dass es nicht nur ein Kunstwerk ist, über das man nur staunen kann, sondern auch ein wirklich guter Roman, ein wirkliches Stück Literatur. Denis Scheck brachte es für mich auf den Punkt, als er dieses Buch „eine literarische Schnitzeljagd“ nannte.

Du hättest auch gern ein Exemplar dieses besonderen Buchs? Dann hinterlass bis Sonntag, 6. Dezember 2015, hier einen Kommentar, um am Gewinnspiel teilzunehmen! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

Bücherwurmloch, Für Gourmets: 5 Sterne

DSC_3483_b„Und alle waren von dem Virus befallen, dass das das perfekte Buch werden soll!
Ein Interview mit Monika König, Herstellungsleiterin bei Kiepenheuer & Witsch.

„Das Schiff des Theseus“ wird allerorts als große Buchkunst gefeiert. Hatten Sie Lust drauf, ein solch aufwendiges Buch zu machen, oder waren Sie anfangs eher skeptisch? Nein, ich war überhaupt nicht skeptisch, es hatte gleich einen großen Reiz! Wir haben schon einige herstellerisch sehr aufwendige Bücher produziert. Aber ein Buchprojekt mit einer so außergewöhnlichen Komplexität hatte es noch nicht gegeben. Ich hatte große Lust, mein herstellerisches Wissen und meine Erfahrungen hier einzubringen.Und ehrlich gesagt wusste ich da ja noch nicht, was tatsächlich auf mich zukommt. Bei der ersten kurzen Inaugenscheinnahme der amerikanischen Originalausgabe vor ca. zwei Jahren auf der Buchmesse war mir das ganze Ausmaß der Herausforderungen noch nicht klar. Das kam erst bei Projektbeginn und immer wieder während des Projektes. Die Tücken wurden nicht auf den ersten und sogar zweiten Blick sichtbar, sondern nach und nach bei der Erarbeitung! Zum Beispiel habe ich erst ganz zum Ende der Produktionszeit gesehen, dass die Schließe, die außen an der Kassette ist, nicht nur auf beiden zu öffnenden Seiten perforiert ist, sondern dass der abgelöste Teil auch noch gummiert ist und als Sticker verwendet werden kann…

Was war die größte Herausforderung für die Herstellung? Vertragliche Vorgabe war, dass man sich in der Umsetzung strikt an der amerikanischen Originalausgabe zu orientieren hat. Unsere Ausgabe sollte exakt gleich aussehen. Bei der Druckabstimmung mussten wir aber feststellen, dass die amerikanischen Ausgaben, die wir uns besorgt haben, im Druckbild unterschiedlich waren, da sie aus unterschiedlichen Auflagen stammten. Die Farbtöne differierten. Wir haben kurzerhand eine Ausgabe als Master erklärt und daraufhin die Daten noch mal angepasst. Die größte Herausforderung bei „S.- Das Schiff des Theseus“ war, dieses extrem kleinteilige Projekt an sich in den Griff zu kriegen und zu steuern – bezogen auf Materialrecherche und rechtzeitige Materialbeschaffung, bezogen auf Personen (Handletterer für die handschriftlichen Kommentare, Setzerin, Drucker) und bezogen auf die technischen Möglichkeiten. Alle Entscheidungen, die man traf, waren immer auf den Gesamtzusammenhang zurückzurechnen. Echtes Zeit- und Projektmanagement!

Wie sind Sie bei der Produktion der vielen Einleger — Karten, Briefe, Servietten, Notizen — und beim Druck vorgegangen, wie macht man so etwas? Das war sehr komplex, ich sage es mal in Kurzform: Auch jedes Einzelteil musste perfekt der Originalausgabe nachgeahmt werden – dafür mussten wir auf dem gesamten europäischen Markt die richtigen Materialien suchen und finden – dahinter musste immer eine schnelle Lieferbarkeit stehen. Ein schönes Beispiel ist der bei uns im Haus berühmt gewordene „Pinöckel“(das ist kölsch). Wir haben sehr lange suchen müssen, bis wir diese kleine Metallöse im Durchmesser von 8 mm in der richtigen Farbe gefunden hatten. Und dann wäre die Herstellung der Decodierscheibe doch fast an der langen Lieferzeit des Ösenherstellers gescheitert. Dank der Hartnäckigkeit und des Findungsreichtums unserer tschechischen Druckerei konnte das Problem in letzter Minute behoben werden. Nicht zu unterschätzen waren auch die buchbinderischen Probleme: wie muss ein Buch gebunden werden, das 22 Beilagen enthält, ohne aufzusperren und nicht im Rücken durch die starke Belastung zu brechen? Die Lösung dieses Problems hat lange gedauert und war nur der Leidenschaft und Ausdauer aller Beteiligter zu verdanken. Und ihrem Mut, weil sie Standardvorgaben außer Kraft setzen mussten, um dieses Ergebnis zu erreichen. Der Druck aller Teile war natürlich ein enges Zusammenspiel zwischen Grafikerin, Herstellung, Druckerei, Verarbeitung und den Zulieferern. Und alle waren von dem Virus befallen, dass das das perfekte Buch werden soll!

Was gefällt Ihnen persönlich an „Schiff des Theseus“ am besten? Die Gesamtkonzeption. Das Buch ist einfach die perfekte Umsetzung seines Inhalts. Hier begeistert mich einfach alles!

Du hättest auch gern ein Exemplar dieses besonderen Buchs? Dann hinterlass bis Sonntag, 6. Dezember 2015, hier einen Kommentar, um am Gewinnspiel teilzunehmen! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

 

Bücherwurmloch

IMG_9078Einige von euch wissen schon um diesen Spleen von mir, immer nur ein Buch von einem Autor zu lesen. Das hatte sich nach vielen enttäuschenden Leseerlebnissen so eingebürgert, aber seit zwei, drei Jahren versuche ich, diese Gewohnheit wieder aufzubrechen – mit mäßigem Erfolg. Nun habe ich eine klassische Pro-und-Kontra-Liste erstellt, um in dieser Sache endlich auf einen grünen Zweig zu kommen.

Dafür spricht:

  1. Ich war mal ein Serienjunkie. Mit zwölf, dreizehn Jahren hab ich Stephen King verschlungen und Wolfgang Hohlbein, später in meiner Krimiphase waren es Andrea Camilleri, Elizabeth George, Henning Mankell. Mit 16 dann habe ich José Saramago entdeckt, Peter Hoeg, Javier Marias, und ich habe deren Bücher geliebt. Später habe ich John Irving geliebt, mit jedem einzelnen seiner Romane. Bei ihnen war ich in Sicherheit, auf sie konnte ich mich verlassen. Das war ein wunderbares Gefühl.
  2. Es ist schön, Lieblingsschriftsteller zu haben.
  3. Jeder Autor hat nach einem Fehlschlag eine zweite Chance verdient. Und oft hat man ja aus seinem umfassenden Werk vielleicht genau das eine Buch erwischt, das nicht so gut ist wie die anderen.
  4. Ich beneide Leser, die sich ganz wahnsinnig auf das neue Buch eines Schriftstellers freuen und das Gefühl haben, einen lieben Freund wiederzusehen.
  5. Es ist interessant, einen Autor in der Vielseitigkeit seines Werks kennenzulernen.
  6. Ohne diese Marotte wäre ich freier in meiner Auswahl. Von der heurigen Buchpreisliste wollte ich beispielsweise Lappert, Bronsky, Helle und Mahlke auf keinen Fall lesen, weil ich von diesen vieren bereits einen Roman kannte. Das ist wirklich sehr beschränkt von mir.

Dagegen spricht:

  1. Nach einem sehr guten Buch ist bei einem zweiten vom selben Autor die Erwartungshaltung sehr groß und meistens zu groß.
  2. Ich ziehe während der Lektüre des zweiten Buchs immer Vergleiche zum ersten, ohne es zu wollen. Ich bin in meiner Herangehensweise nicht mehr unbefangen, und das mag ich nicht.
  3. Ich bin extrem neugierig auf verschiedene Schriftsteller. So many writers, so little time!
  4. Manchmal passt es mit einem bestimmten Autor auf einmal nicht mehr. Meiner großen Liebe John Irving bin ich entwachsen, irgendwann hatte er seinen Zauber für mich verloren, und ich habe mich von ihm getrennt. Ich denke gern an ihn zurück. Und wo er einst war, herrscht immer noch Leere.
  5. Für zweite Chancen habe ich keine Zeit. Wer bei mir mal verschissen hat, der hat verschissen.
  6. Ich langweile mich schnell, sehr schnell, und viele (nicht alle!) Schriftsteller bringen letztlich doch immer Ähnliches zu Papier.
  7. Wenn ich ein Buch mochte und vom selben Autor noch eins lese, bin ich sehr oft enttäuscht. Und denke: Wärst du doch bei dem einen guten geblieben! Das ärgert mich, nervt mich und ich habe das Gefühl, als sei ein Versprechen nicht eingehalten worden. All diese Fälle hier aufzuzählen, würde den Rahmen bei Weitem sprengen, aber allein 2015 ist mir das bisher mit folgenden Autoren passiert: Lisa O’Donnell, Katharina Hartwell, Robert Seethaler, Heinrich Steinfest, Adam Johnson, Grégoire Delacourt, Carmine Abate, Hiromi Kawakami, Herman Koch. Bei den Massen an Büchern, die ich lese, sind das vielleicht nicht viele. Trotzdem ist es eine Zeitverschwendung, die ich mir hätte sparen können.

Die Frage ist nun: Hat mich diese Liste weitergebracht? Nicht im Geringsten. Wie haltet ihr es damit? Habt ihr Lieblingsschriftsteller, seid ihr Fans einer Serie, fiebert ihr dem Erscheinungstermin bestimmter Bücher entgegen? Oder könnt ihr dem Vorhaben, möglichst viele verschiedene Autoren zu lesen, mehr abgewinnen? Oder denkt ihr euch: Alter Schwede, Mariki, mach dir doch darüber nicht so einen Kopf und lies einfach, was dich interessiert, egal, ob du den Autor schon kennst oder nicht? Das ist nämlich der Gedanke, zu dem ich immer mehr tendiere. Ich bin gespannt auf eure Meinung!

Bücherwurmloch

  1. 11781779_1192092407473040_7961144644467498247_nPlötzlich ist da jemand, der die Welt der Fantasie noch nicht kennt. Dem ich die Tür in diese Welt öffnen kann, den ich einladen kann, mir dorthin zu folgen, wo ich seit so vielen Jahren zuhause bin.
  2. Durch das Vorlesen erlebe ich das Lesen neu. Ich teile es. Die Worte sind nicht mehr nur in meinem Kopf, die Geschichte kommt aus dem Buch heraus, alle können sie hören, mitfühlen, an ihr teilhaben. Ich kann meinen Kindern Abenteuer schenken.
  3. Mein Sohn war von Anfang an ein Sitzenbleiber und Zuhörer, und es gibt kaum einen bezaubenderen Anblick als den seines konzentrierten Gesichts, wenn er mit staunenden Augen und offenem Mund einer Geschichte lauscht.
  4. Jeden Morgen, wenn wir alle vier hektisch durch die Wohnung sausen, ich die Kindergartenjause und das Frühstück mache und den Großen wieder und wieder bitte, zieh dich an, iss dein Brot, geh aufs Klo, zieh dich an, verdammt!, steckt seine Nase in einem Buch. Dabei kann er noch gar nicht lesen. Und ich kann nicht schimpfen, obwohl ich kurz vorm Ausflippen bin. Aber ich platze innerlich ganz leise vor Stolz und spüre ein ganz tiefes Gefühl der Verbundenheit.
  5. Durch meine Kinder treffe ich einige der besten Freunde wieder, die ich je hatte: Pipi Langstrumpf, Pumuckl und die kleine Hexe, Mio, meinen Mio, den Räuber Hotzenplotz, Tom Turbo, Michel und Ronja. Sie sind alle noch da, und ihre Abenteuer sind immer noch genauso spannend.
  6. Ich lerne neue Freunde kennen, den Drachen Kokosnuss und Tafiti, Käpt’n Sjarky und Hexe Lilli, Yakari und den kleinen Raben Socke. The more, the merrier!
  7. Ich fülle meine Kinder mit Geschichten ab, bis obenhin. Hier liegen überall Bücher, auf jeder Autofahrt hören wir eins unserer mindestens 50 Hörbücher. Und ich bin wahnsinnig gespannt, was dabei herauskommt. Ob sie später ebenso bibliophil sind wie ich – oder ob kein einziges Buch in ihrer Wohnung steht (Gott bewahre!).
  8. Ich erlebe jedes Buch intensiver. Weil ich ihm die Zeit widme, die ich mir abzwacken muss und die daher sehr wertvoll ist.
  9. Ich entdecke Neues, weil ich nicht mehr so viel Zeit zum Lesen habe. Für mich bedeutet das: Seit ich Kinder habe, lese ich Kurzgeschichten – die mir früher verhasst waren. Damals waren sie mir zu fragmentarisch, ich wollte versinken in einer langen, vielschichtigen Handlung. Jetzt passen sie zu meiner veränderten Lebenssituation, weil ich manchmal zwischendrin ein paar Minuten zum Lesen stehle und gar nicht so tief in einen Roman eintauchen kann und will.
  10. Ich wähle meine Lektüre besser aus, quäle mich nicht mehr durch Bücher, weil ich sie zwar nicht lesen will, aber das Gefühl habe, ich muss. Ich muss nämlich gar nicht.
  11. Ich habe einen anderen Zugang zu Inhalten und besonders zu Gefühlen. Ich verstehe Figuren, die aus Liebe zu ihren Kindern handeln oder einen großen Verlust erleiden, besser. Bücher berühren mich nun mehr.

P. S.: Diese Liste stellt quasi das Gegengewicht dar zur Liste 7 Gründe, warum es fast unmöglich ist, als Kleinkindmama zu bloggen. Und ja, es sind mehr Gründe! War aber nicht Absicht. Das kam einfach so. 🙂

Bücherwurmloch

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Kennt ihr das, dass ihr etwas sagen möchtet, aber ihr schweigt, weil es euch so nahegeht, und ihr schweigt immer länger und länger, bis sich all die Emotionen schon so angestaut haben, dass ihr sie kaum noch in Worte fassen könnt? Ich kenne das eigentlich nicht. Es kommt selten vor, dass ich nicht sage, was ich denke. Doch seit einigen Monaten sitzen mir diese drei Wörter auf der Brust, und sie drücken schwer: Ich schäme mich. Ich schäme mich entsetzlich. Für  alle, die ihre Herzen vernagelt haben, für Traiskirchen, für die beschissenen Zelte, in die es hineinregnet, für die mitleidslosen, handlungsunfähigen, schweigsamen Politiker, für jeden einzelnen Flüchtling, der in diesem reichen Land so menschenunwürdig behandelt wird. Erst haben wir sie alle im Mittelmeer ersaufen lassen, und jetzt geben wir denen, die es trotzdem geschafft haben, die den ganzen weiten Weg unter großen Gefahren hinter sich gebracht haben, nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Und dann dachte ich: Wenn du darüber bloggst, wen interessiert das? Es wird untergehen. Nur Leute, die eh schon sensibilisiert sind, werden es lesen. Es wird nichts nützen. Aber: Zu schweigen, nützt noch viel weniger. Denn wenn wir alle schweigen, sind die Stimmen der Rechten so viel lauter, und das ist inakzeptabel. Wir müssen dagegenhalten!

Im Jahr 1957 ist mein Opa, der in Slowenien aufgewachsen ist, vor Titos Regime geflohen. Als er durch die Mur geschwommen ist, haben sie ihm nachgeschossen. Er war in einem Auffanglager in Graz und wollte eigentlich nach Kanada – dass er in Österreich geblieben ist, war nur ein Zufall. Mein Opa ist ein Flüchtling. Meine Oma stammt aus Düsseldorf, sie wurde 1940 geboren während eines Fliegeralarms. Und meine Vorfahren väterlicherseits waren fahrende Handwerker aus Böhmen und Mären. Sie alle haben sich einst hier niedergelassen, und ich bin hier geboren. Aber macht mich das zum Österreicher? Gibt es mir das Recht, zu sagen, dies ist MEIN Land, mit einer völlig willkürlich im Lauf der Geschichte gezogenen Grenze, und sonst darf hier keiner rein? Warum denn, bitteschön? Wir sind alle Menschen und alle gleich. DEN Österreicher an sich, den gibt es doch gar nicht, weil all die Pavicics und Havels und Dvoraks Vorfahren aus anderen Ländern haben, aus der alten Monarchie, und gut ist das! Jeder hat einen Flüchtling in seiner Familiengeschichte, einen Einwanderer, einen, der mal ein Ausländer war. Wie STS einst sang: I bin die feine Mischung, special blend, soiche wie mi, waßt wie ma de nennt, i bin die wilde Sorte, do werd’n Braune bleich, i bin aus Österreich. Ich sehe deshalb nicht ein, warum auch nur einer von uns mehr Rechte haben sollte, hier zu leben, an diesem zufällig gewählten Ort, als einer aus Syrien, dem Irak, dem Kosovo. Wer hier geboren ist, hat einfach Glück gehabt, so viel Glück, dass er es leicht mit anderen teilen könnte.

Nur leider sind die Menschen scheiße. Sie sind verachtenswert. Sie sind gierig, egoistisch, neidisch und herzlos. Sie sind schlimmer als Tiere. In Griechenland wurde Tränengas gegen die Flüchtlinge eingesetzt. TRÄNENGAS! Gegen Menschen, die Tausende Kilometer vor Bomben und Terror geflohen sind! Als ich das gelesen habe, habe ich geheult. Das System Menschheit kollabiert. Wir bringen uns gegenseitig um, und vielleicht, so denke ich oft, ist das auch besser so, dann sind wir irgendwann endlich weg, und die Erde hat wieder ihre Ruhe. Seit ich 14 bin und ein bisschen was von der Welt verstehe, leide ich an Menschheitshass. Vor lauter Grausamkeit, Gewalt, Umweltverschmutzung und Tiermord möchte ich an manchen Tagen einfach gar nicht mehr hier sein. Weil mir vorkommt, dass niemand Mitgefühl, Anstand und Verstand hat. Weil wir alle, mich eingeschlossen, über unser Wohlstandsbäuchlein jammern und die drei Kilo zu viel, aber so tun, als hätten wir den Flüchtlingen nichts zu geben. Ich ertrage es nicht. Und ich fühle mich ohnmächtig.

Aber gut. Ich BIN nun mal hier. Und was tue ich? Wie kann ich helfen? Es vergeht kein Tag, an dem ich mich das nicht frage. Ich habe bereits alles Mögliche ins Flüchtlingsheim Thalgau getragen, Handtücher, Kleidung, Gläser, Schuhe, habe für die Männer dort Hygieneartikel gekauft und meinen Sohn seinen Ersatz-CD-Player zu den „Früchtlingen“ bringen lassen, damit sie Deutsch lernen können. Aber das reicht natürlich nicht. Wie könnte es! Ich bräuchte Zeit, um vielleicht jemandem beim Lernen der Sprache zu helfen, eine Patenschaft zu übernehmen, aber ich kann von Montag bis Samstag wegen meiner kleinen Kinder und unserer beider Arbeit kaum allein weg. Ich fühle mich sehr schuldig deswegen. Aber immerhin kann ich protestieren. Den Mund aufmachen. Nicht mehr schweigen. Euch auf die Spendenaktion von #BloggerfuerFluechtlinge aufmerksam machen, für die bereits in kürzester Zeit fast 10.000 Euro zusammengekommen sind, oder auf näherliegende Salzburger Initiativen, die z. B die gute Güte gesammelt hat. Ich kann euch bitten, das hier zu teilen oder selbst unter dem Hashtag zu bloggen, ich kann euch bitten, nicht wegzuschauen, sondern zu helfen. Keiner dieser Flüchtlinge hat freiwillig seine Heimat verlassen, um bei uns zu schmarotzen, sie würden viel lieber in Frieden leben, in ihrem Zuhause. Sie haben nichts, gar nichts. Aber sie bringen Mut und Andersartigkeit, viele Talente, neue Sichtweisen, sie bringen Kinder, von denen wir ohnehin zu wenig haben in unserer Wohlstandsfaulheit, sie bringen Vielfalt. Rücken wir zusammen, machen wir ein bisschen Platz. Es ist doch wohl wirklich genug für alle da. Wir müssen nur endlich lernen, zu teilen.

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Die Initiative #BloggerfuerFluechtlinge wurde ins Leben gerufen von Karla Paul, Paul Huizing, Nico Lumma und Stevan Paul. Hier gibt es die Website dazu. Beiträge findet ihr beispielsweise bei Literaturen, Lust auf Lesen, buchkolumne, PinkfischLummaland und vielen weiteren. Macht auch mit. Wir sind viele. Wir sind MEHR!

Bücherwurmloch

IMG_4687Und schon wieder weg!
Ich gebe ja gern das ganze Geld, das ich nicht habe, fürs Wegfahren aus. Nach Sant’Andrea, Barcelona und Mailand folgt nun mein vierter (und leider letzter) Urlaub in diesem Jahr: Wir bleiben in Österreich, im Ausseerland, und machen es uns auf einem kleinen Bauernhof gemütlich, wo die Kinder toben und spielen können. Rundherum gibt’s zahlreiche Seen und Wanderwege. Und ich hoffe natürlich, ein bisschen Zeit zum Lesen zu finden!
Es grüßt und küsst
Mariki

Bücherwurmloch

IMG_45761. Ich bin zuständig. Und zwar für: gesunde Kindergartenjause, vollgekackte Windeln, sauberes Gewand, Rotznasen, Schnittwunden, Hunger, saubere Haut, Gute-Nacht-Geschichten, Höhlen aus Decken und Polstern, verrückte Plastilinfiguren, saubere Zähne, Huuunger, Spielplatzdates und, und, und.

2. Wenn ich nicht zuständig bin, muss ich arbeiten. Das sind die Tage, an denen ich niemanden tragen muss und allein aufs Klo gehen kann. Dafür warten Kundentermine, Brainstormings, Headlines, Imagefolder, Websites und Manuskripte.

3. Dazwischen muss ich einkaufen, Wäsche waschen, putzen, aufräumen, kochen, bügeln, einen Weg durchs Spielezimmer bahnen, bügeln, noch mehr aufräumen, Freunde trösten, Freunde treffen, Geschenke besorgen und meiner Mama am Telefon zuhören.

4. Die Ausführungen von eins bis drei zeigen: Ich habe keine Zeit. Und zwar nicht so wie früher, als man das halt so gesagt (und auch gedacht) hat. Sondern wirklich nicht. Ich muss manchmal so viel erledigen und es wurlt derart in meinem Kopf, dass es TILT macht und mein Körper wie erstarrt stehenbleibt, weil er nicht weiß, wo er anfangen soll. Hätte ich einen Mamablog, könnte ich über eins bis drei schreiben und euch Geschichten erzählen wie jene, dass sich Kind 2 gestern in den Obstsalat gesetzt hat. Aber nein! Es mussten ja Bücher sein.

4. Kleine Kinder sind laut. Und anstrengend. Und fordernd. Ich stehle mir die Zeit zum Lesen, zwacke sie minutenweise ab, mittags mal 30 Minuten, abends noch schnell eine Stunde. Meine Zwerge schlafen leider beschissen schlecht, und Kind 2 steht abends gern bis zu 17 Mal auf, bis endlich Ruhe ist. Ein Leseabend auf der Couch: Fehlanzeige. Bloggen: ebenso.

5. Ich kann keine Lesungen besuchen, nicht zu Autorentreffen in andere Städte reisen und heuer auch nicht auf eine zweite Buchmesse fahren: Der logistische (und finanzielle) Aufwand ist einfach zu groß. Deshalb bin ich mit meinem Blog weniger präsent, schlechter vernetzt und kann all diese Inhalte auch nicht anbieten.

6. Ich kann keine Artikel schreiben, die viel Rechercheaufwand verlangen, keine Interviews machen, in die ich viel Zeit investieren muss, mich nicht übermäßig an den Facebook-Bloggergruppen oder an Booksentence beteiligen. Ich kann mich nicht als Buchpreis-Blogger anbieten, keine Debatten führen und keine Themen aufgreifen, die die Branche bewegen – mir fehlen schlicht und ergreifend die Kapazitäten. All das verlinke ich maximal auf Facebook und schiele neidisch zu meinen Bloggerkollegen, die um ein Vielfaches engagierter sind als ich.

7. Unter dem Zeitmangel leidet die Qualität. Ich lasse Kind 2 manchmal eine halbe Stunde Barbapapas schauen, um eine Besprechung schreiben zu können. Oder ich nutze den Leerlauf zwischen zwei Terminen in meinem Büro. Ich muss dabei sehr effizient sein und wahnsinnig schnell. Ich habe keine Zeit, um zweimal über eine Formulierung nachzudenken oder nochmal an allem zu feilen. So, wie es rauskommt, so steht es dann da. In einem Mamablog wäre das witzig. Bei Büchern ist es das nicht.

Aber: Ich liebe nun mal Bücher. Es hilft nix. Ich will bloggen. Deshalb ist es nur fast unmöglich, aber nicht ganz. Ich mache es möglich, irgendwie. Und: Es wird besser werden. Irgendwann werden beide in den Kindergarten gehen, später selbst lesen können und sich bei Bedarf was aus dem Kühlschrank nehmen. Bis dahin halte ich einfach durch. Und wische Obstsalat vom nackten Popsch.

Bücherwurmloch, High Five

Screen Shot 2013-09-13 at 9.48.41 PMEin Autor, fünf Gedanken
So lautet das sehr simple Konzept der neuen Interviewreihe High Five hier im Bücherwurmloch. Die Idee dazu spukte mir schon letztes Jahr im Kopf herum, doch Sophie von Literaturen ist mir mit ihrem wunderbaren „Bitte übernehmen Sie“ zuvorgekommen, und das wollte ich dann nicht sozusagen kopieren. Obwohl ich es selbst am liebsten lese. Deshalb habe ich mich für die Rubrik Lieblingsfutter auf die Lieblingsbücher verschiedenster Menschen konzentriert, doch mit dem Absturz meines Laptops ging Ende 2014 das gesamte Material dafür verloren. Nun ist es aber immer noch so, dass ich sehr gern Autoren prominenter auf meinem Blog zeigen möchte und dass nach es hier nach wie vor zu wenig menschelt. Klassische Interviews finde ich aber eher langweilig und lese sie auch selbst kaum. Daher bin ich wieder zur Short-questions-Idee zurückgekehrt, habe mir das Okay von Sophie geholt und werde in Zukunft den einen oder anderen Schriftsteller, von dem ich ein Buch rezensiert habe, bitten, fünf Satzanfänge zu vervollständigen. Das Ergebnis könnt ihr dann hier im Bücherwurmloch lesen. Und hoffentlich für gut befinden!

Bücherwurmloch

IMG_8657Das Bücherwurmloch lässt es sich gutgehen
Picasso! Das Meer! Tapas! Die Sagrada Familia! Bücher! Gaudì! Und das Beste: keine Kinder! Hehe. Die sind nämlich zuhause, während ich gerade in Barcelona weile und noch mehr Sommersprossen sammle.
Sonnige Grüße von Mariki

Bücherwurmloch

imagesDas Bücherwurmloch macht ein Päuschen
Wenn ihr das hier lest, weile ich schon am Meer und stecke hoffentlich gerade das mit Sonnencreme eingeschmierte Näschen in ein Buch. Die letzte Maiwoche verbringe ich in Italien und melde mich danach wieder mit neuem Futter.
Habt es fein! Mariki