Bücherwurmloch

Shirley Jackson: Krawall und Kekse

„Ist noch nie ein Vater bei draufgegangen“, sagte der Arzt

Die Familie braucht ein neues Zuhause, weil sie aus der alten Wohnung geworfen wird: So fängt alles an. Also ziehen die Ich-Erzählerin, ihr Mann und die zwei Kinder – später werden es mehr – aus der Stadt in ein günstiges, architektonisch eigenartiges Haus mit Säulen, in dem sie sich bald heimisch fühlen. Mit seltsamen Häusern kennt die Autorin Shirley Jackson sich freilich gut aus: Sie ist eigentlich bekannt für ihre Spuk-Romane. Aber die 1916 geborene Schriftstellerin, die auch für den New Yorker gearbeitet hat, hat eben nicht nur für das Horrorgenre geschrieben – sondern auch für Zeitschriften wie „Good Housekeeping“ und „Mademoiselle“. Sie selbst hat sich abfällig über diese Texte geäußert, so erzählt es die Übersetzerin Nicole Seifert im Nachwort, aber sie wurde dafür gut bezahlt. Alle, die sich mit schreibenden Frauen durch die Jahrhunderte beschäftigt haben, dürfte es überraschen, dass Shirley Jackson den Großteil des Familieneinkommens verdiente, vier Kinder hatte, sich um Haushalt und Ehemann kümmerte – und trotzdem erfolgreich war. Das war (und ist) in dieser Kombination selten, und den hier vorliegenden Geschichten merkt man deutlich an, dass die Autorin weiß, wovon sie spricht.

Es geht um Kindergeschrei und Care-Arbeit, um irrwitzige Dialoge mit dem Ehegatten oder anderen Müttern, um Streiche, zu flickende Hosen und dieses ganze große, liebenswerte Chaos eines Familienlebens. Ich habe gegrinst und genickt, mich an manchen Stellen gelangweilt, und auch das gehört wohl dazu: das Normale, das Alltägliche. Das, wovon kaum erzählt werden durfte und konnte, weil die erlebte Realität von Frauen fast nie Gegenstand von Literatur war. Auch diese Texte galten ja nicht als „Literatur“, und doch: Sie sind es. Sie sind unverblümt und witzig, sie zeigen eine erstaunliche Stilsicherheit, und es ist ein Glück, dass wir sie heute wiederentdecken können, dass sie anders eingeordnet und neu bewertet werden. Ich verstehe gut, warum Shirley Jackson damit eine große Leserinnenschaft für sich gewonnen hat, denn als Frau und Mütter erkennt man sich wieder, hat das Gefühl, eine Verbündete gefunden zu haben in all dem Wahnsinn, nicht so allein zu sein. 

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