Bücherwurmloch

Stefanie vor Schulte: Schlangen im Garten

„Überraschend und doch eigentlich erwartbar ist der Sommer in der Stadt. Ganz so wie der Tod“

Seite eins, und wusch: So ist es passiert, dass ich mich in dieses Buch verliebt habe. Es gab gar keine Möglichkeit, auch nur einmal zu blinzeln, schon waren wir Freunde. Stefanie vor Schulte hat mich auf der Stelle mit ihrer zarten, besonderen Sprache abgeholt, die funkelt und schmunzelt, obwohl sie vom Traurigsten überhaupt erzählt: dem Tod der dreifachen Mutter Johanne. Sie ist fort, und ihr Mann Adam, die Söhne Steve und Micha sowie Tochter Linne können keinen Schritt tun, weder vor noch zurück. Sie versuchen, sich ein Leben umzuhängen wie ein Kleid, sie gehen ins Freibad und ins Altenheim, wo Micha vorliest, sie essen, sie schlafen. Aber in Wirklichkeit treten sie auf der Stelle, und das ruft Ginster auf den Plan, denn die Familie wird beschuldigt, die Trauerarbeit zu verschleppen. Kann der Mitarbeiter des Traueramts da etwas ausrichten? Und muss er das überhaupt?

Dies ist ein Buch, in dem das Wort Seele vorkommt und das trotzdem nicht kitschig ist. Es ist vorsichtig und liebevoll, ein bisschen wild ist es auch, und vor allem wahnsinnig originell. Wie kann Stefanie vor Schulte nur so viele gute Sätze aneinanderreihen, hab ich mich gefragt, die schwer sind von Traurigkeit und dabei gleichzeitig zu lächeln scheinen? Es ist mir ein Rätsel. Wunderbar komponiert ist dieser Roman, sehr fein, sehr klug, ein Stück wertvolle Literatur, das man so schnell nicht vergisst. Ich habe ihn innerhalb weniger Stunden inhaliert, mich darauf gestürzt mit dem Hunger jener, die von all den anderen Büchern nicht satt werden, weil immer etwas fehlt. Hier ist alles rund, schmerzhaft und dennoch leicht, eine Wundertüte von einem Roman, der überhaupt nichts will und dabei alles kann. Für mich definitiv eins der besten Bücher dieses Jahres.

„Denn hat man ein Herz, ist man schon verloren.“

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