Bücherwurmloch

Frank Rudkoffsky: Mittnachtstraße

„Machen wir uns nix vor, du hältst mich für ein Monster“

Wenn ich über mein aktuelles Buch spreche, in dem die Frauen im Fokus stehen, kommt oft die Frage nach den Männern. Was ist mit ihnen? Wo bewegen sie sich gerade, wie geht es ihnen? Wer erzählt ihre Sicht auf die Dinge? Frank Rudkoffsky tut das. Er beschäftigt sich mit klarem Blick und scharfem Stift wie kein anderer mit überholten Rollenbildern und fragilen Egos. Sein Protagonist Malte ist eigentlich überzeugt, dass er alles richtig macht. Er kümmert sich um seine Kinder, hat seiner Frau den Rücken gestärkt für ihre Karriere, und naja gut, die Wutanfälle, die sind dem Stress der Lockdowns geschuldet und so schlimm auch wieder nicht. Aber dann entgleitet ihm zusehends alles mehr und mehr, als Journalist kann und will er nicht mehr arbeiten, und er versteckt sich am unwahrscheinlichsten aller Orte: in der Kleingartensiedlung, in der sein Vater ein wichtiger Mann war. Als Kind hat Malte es gehasst, sich hier aufhalten zu müssen zwischen biertrinkenden Kerlen, die mehr Zeit im Vereinshaus als bei ihren Familien und ihn permanent verspottet verbracht haben. Jetzt ist sein Vater alt und krank, die Frage nach dem Verzeihen schleicht sich in den Raum, aber Malte hat keine Antwort darauf. Wie kann er als Sohn eines Mannes, der ein Arschloch war, einen besseren Umgang mit seinen Kindern finden? Wie kann ein Mann den veralteten Rollenbildern entkommen, wenn wir noch keine neuen etabliert haben? 

Frank Rudkoffsky ist ein Meister der Entlarvung. Wie schon in „Fake“ zerlegt er seine Hauptfigur mit verblüffendem Witz und literarischer Gnadenlosigkeit. Die Kleingartensiedlung als Kulisse ist geradezu genial, gilt sie doch als Brutstätte für toxische Männlichkeit, homosoziale Seilschaften und rassistisches Gedankengut. Das Buch beschäftigt sich mit der Implosion des Einzelnen und der Frage, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein. Ist das in Zeiten wie diesen überhaupt noch möglich? Der Roman ist herrlich bissig, wütend und klug, und trotz seiner Tiefgründigkeit macht er beim Lesen richtig Spaß. Man möchte Malte mehr als einmal in den Arm nehmen und trösten, das ist das Sanfte, das verzweifelte Männer in uns auslösen, man möchte ihm aber auch sagen: Komm mal klar, finde neue Wege, es ist jetzt wirklich an der Zeit. 

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