Bücherwurmloch

Silke Stamm: Hohe Berge

„Den Entschluss weiterzugehen nicht bewusst gefasst zu haben“

Eine Skidurchquerung in den Schweizer Alpen, das bedeutet: körperliche Höchstbelastung, Gefahr durch Lawinen, klamme Nächte in unbeheizten Hütten, aber auch atemberaubende Ausblicke, unberührte Natur und ein großes Zurückgeworfensein auf sich selbst. Während man bei den ersten Worten des Klappentexts kurz zusammenzuckt und Schlimmes befürchtet, weil da steht „Eine Frau. Fünf Männer“ und so die meisten Geschichten beginnen, in denen eine Frau Gewalt erlebt, hat Silke Stamm eine ganz andere Story geschrieben: Es geht um die Eintönigkeit von immergleichen Bewegungen, einen Fuß vor den anderen und nicht aufgeben, um das Charisma eines Bergführers und um die Dynamik von Menschen, die einander fremd sind und dann eine Woche miteinander verbringen, dicht an dicht und quasi ohne Rückzugsmöglichkeit, es geht darum, was die Berge dir nehmen und was sie dir geben können. Auffällig am Roman ist seine sprachliche Konstruktion, denn er ist zur Gänze in Infinitivsätzen gehalten, die Protagonistin ist keine Ich-Erzählerin im eigentlichen Sinn.

Ich habe eine Hassliebe zum Schnee, ich bin darin aufgewachsen. Das Bergdorf, aus dem ich stamme, verfügt über einen Skilift, wie könnte es anders sein, und auch wenn ich nie zu so anstrengenden Touren aufgebrochen bin, wie Silke Stamm sie in diesem Buch beschreibt, kenne ich alles, was darin vorkommt: die nassen Stiefel, den Geruch einer Hüttenküche, wie die Sonne auf dem Schnee glitzert, wie man anders atmet dort oben. Ich habe gefühlt Tausende Werbetexte zum Skifahren in den Alpen geschrieben, und ich musste auch im Buch über die eine oder andere Formulierung schmunzeln: Da steckt naturgemäß viel Klischee drin in der Beschreibung der Bergwelt, aber eben auch viel Schönheit. Plot hat der Roman kaum, aber das stört nicht weiter, die eigentliche Hauptfigur ist ohnehin die Landschaft in all ihrer weißen Pracht (da, schon wieder). Sehr elegant ist das, ein wenig poetisch, oft auch profan, kein Detail hat die Autorin ausgelassen, was ich gut finde, jede körperliche und emotionale Regung wird ausgepackt und zugelassen, darf sein und wieder vergehen. Ein schmales, der Liebe zu den Bergen gewidmetes Buch, das ich gern gelesen habe.

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