„Ich betrachte mein Buch wie ein Sternenbild“
Jenny Offill hat eine sehr eigene Art zu erzählen: Ihr Schreiben ist fragmentarisch, ihr neues Buch gleicht einem langen Prosagedicht. Sie stellt kurze Absätze zueinander, lässt die Aufmerksamkeit der Ich-Erzählerin springen und flirren. Aber bei näherem Hinsehen spürt man die feinen, fast unsichtbaren Zusammenhänge zwischen den Themen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Lizzie arbeitet für eine Professorin, die als Umweltaktivistin arbeitet, und beantwortet für sie E-Mails. Außerdem versucht sie, ihrem labilen Bruder zu helfen. Eingebettet ist die Erzählung in die Zeit der Präsidentenwahl von Donald Trump, auch Lizzies Sohn und Ehemann kommen vor. Stets jedoch in Bruchstücken, der rote Faden wird nicht auf den einzelnen Seiten sichtbar, sondern erst später, im großen Ganzen.
Dieses Buch strahlt eine eigenartige Ruhe aus. Jeden Abend ein bisschen darin zu lesen, hatte eine entspannende Wirkung auf mich. Vielleicht, weil es so still daherkommt und nicht viele Forderungen stellt an die Lesenden. Gleichzeitig hatte es aber manchmal den gegenteiligen Effekt: Liest man länger darin, wird das Unruhige anstrengend. Als wolle man einem Gespräch zuhören, von dem man nur Fetzen versteht, das ständig von einem Thema zum anderen springt, während man hinterherhechtet und nicht in der Lage ist, sich alle paar Zeilen auf etwas Neues einzustellen. Da sind die Gedanken über Fremde auf der Straße, über die Erderwärmung, ein Witz, eine Aussage von Lizzies Ehemann, Informationen über griechische Geschichte, E-Mails, kurze Episoden, und das alles folgt unmittelbar aufeinander. Dieses Buch ist interessant und anders, zugleich ist es gehetzt und abgehackt. Vielleicht ist es hochgradig seltsam – oder brillant.