Peng! Peng! PENG!
„Ich sitze zwischen Jan und Maria, und es fühlt sich an, als müsste es genau so sein.“ Als Kinder hatten sie eine Bande, Jan, Maria und Max. Dann hat Max versucht, Jan umzubringen, und Maria wurde seine erste Freundin. Das alles ist jedoch Jahre her, und die drei haben längst keinen Kontakt mehr. Erst als Max, inzwischen 29 und Lehrer, in sein Heimatdorf fährt, um den Hund zu hüten, während die Eltern im Urlaub weilen, laufen die ehemaligen Freunde einander über den Weg. Jan und Maria leben auf einem alten Hof, den Jan geerbt hat, zusammen mit anderen Freunden, sie bauen Gemüse an, trinken viel Wein, genießen den Sommer. Max lässt sich anstecken vom Easy-going-Lebensgefühl, das hier herrscht: „Schon wieder Weißwein, schon wieder Nebel im Kopf. Ich hab bereits Maria geküsst und Julia und Pelle und außerdem zweimal die Wahrheit gesagt.“ Er hat außerdem Bock, Jan zu küssen, denn Max legt sich nicht fest, er bevorzugt nicht Männlein oder Weiblein, er nimmt beides. So verbringt er feine Sommertage mit seinem schwulen besten Freund Valentin, der eigens angereist ist – bis eine furchtbare Nachricht seinem ganzen lockeren Lebensstil ein jähes Ende setzt.
Fabian Hischmann, Jahrgang 1983, hat mit seinem Debüt auf sich aufmerksam gemacht und fand sich mitten in einer Debatte darüber wieder, dass, so heißt es, die akademischen Schreibschulen langweilige Literatur hervorbringen. Fabian Hischmann hat an diesen Schulen studiert, und wer in die Debatte einsteigen will oder sich für die Hintergründe interessiert, sollte sein Buch am besten einfach selbst lesen. Immerhin war es auch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Mich hat der Titel zum Buch hingezogen, und als ich es in der Hand halte, gefällt mir auch das Cover außerordentlich gut: Transparent aufgedruckt ist „Peng“, ein Schuss, ein Geräusch, das immer wieder auftaucht im Roman, als Hinweis, Schrecksekunde, Einbildung. Und dann lerne ich Max kennen: Ende zwanzig, falscher Beruf, unverheiratet, kinderlos, sexuell flexibel, sehr schweigsam, sehr phlegmatisch. Als die Ferien beginnen, weiß er nichts mit sich anzufangen – außer fernzusehen und an seinem Schwanz rumzufummeln. Auch wenn er keine Lust drauf hat, den Hund zu bemuttern, bedeutet der Ausflug in seine Vergangenheit doch auch eine willkommene Abwechslung. Denn bevor man 30 wird, lässt man ja gern das bisherige Leben Revue passieren, sondiert die Lage, wägt ab, grübelt, fragt sich, wohin die Reise führt. Max führt sie recht überraschend nach Griechenland und nach New York und letztlich ein Stück weit zu sich selbst – ein bisserl Coming of age eben.
Es gibt Momente, da bin ich ganz bei Fabian Hischmann und seinem Protagonisten, mit dem er ganz zugespitzt den Zeitgeist einfängt und das Lebensgefühl einer Generation porträtiert: nur nicht festlegen, ein bisschen jobben, ein bisschen Sex, no strings attached. Und das wäre in Max‘ Fall sicher noch eine Weile gutgegangen, aber der Autor haut ihm das Hackl zwischen die Beine – damit halt was passiert in seinem Leben und in diesem Buch. Es gibt allerdings auch Momente, in denen der Autor mich völlig verliert und ich mich frage: WTF? Das liegt an der allgemeinen Orientierungslosigkeit von Max, der sich treiben lässt, anstößt, zurückrudert, überhaupt keinen Plan hat. Zwischendrin hab ich einfach keine Geduld mehr mit diesem Roman, vor allem in der New Yorker Episode, die mir überzogen und überflüssig zugleich erscheint. Sprachlich gesehen ist das Buch kühl, ein wenig unnahbar, manchmal steif trotz der Kraftausdrücke und des jugendlichen Jargons, der alles auflockern soll. Aufgrund der Einfachheit und Klarheit der Sprache ist der Roman jedoch sehr gut zu lesen, die Kapitel sind kurz, die Struktur unkompliziert. Das finde ich gut, aber mir fehlt ein wenig die Raffinesse. Am Ende schmeißen wir mit Gold ist wie Max selbst: interessant, bis zu einem gewissen Grad originell, letztlich aber irgendwie austauschbar, ohne richtige Ecken und Kanten, ohne wirklich tiefe seelische Abgründe. Glänzend getroffen hat Fabian Hischmann die sommerliche Leichtigkeit, das Jungsein, das Herumvögeln. Es gibt also durchaus ein Peng! Wenn auch ein sehr leises.
Am Ende schmeißen wir mit Gold von Fabian Hischmann ist erschienen im Berlin Verlag (ISBN 978-3-8270-1148-0, 256 Seiten, 18,99 Euro).
Was ihr tun könnt:
Die Rezension zum Buch in der Zeit lesen.
Dem Autor beim Lesen zusehen.
Den Roman auf ocelot.de bestellen.
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