Bücherwurmloch

Sarah Raich: Dieses makellose Blau

„Sie hätte gern etwas gesagt. Aber der bloße Gedanke, vielleicht reichte der auch“
Ich liebe ja Kurzgeschichten, wenn sie es schaffen, das Aufblitzen eines Gedankens, eines Gefühls einzufangen, von dem wir nicht wussten, wie wir es in Worte fassen sollten. Wenn sie ein bisschen weird und nicht ganz auserklärt sind, dabei sprachlich zugespitzt und im Idealfall erbarmungslos. Sie sollen mich verblüfft zurücklassen, sie sollen mich treffen. Und dann, wenn ich solche Kurzgeschichten finde, frage ich mich jedes Mal, wie ich sie euch nacherzählen, wie ich sie euch näherbringen kann. Denn das fällt mir unheimlich schwer: das Inhaltliche von Short Storys zu erklären. In den Geschichten von Sarah Raich geht es auf jeden Fall um vordergründig kleine Alltagsmomente, in denen aber etwas Größeres steckt. Es geht um Frauen, die nicht so wollen, wie sie zu wollen hätten, wenn man die Gesellschaft fragt. Um eine vermisste Katze geht es und um seltsame Begegnungen, aber auch um Verzweiflung und Einsamkeit und ein bisschen sogar um Leben und Tod.

„Menschen tranken. Menschen lagen auf Straßen und wurden überfahren. Männer trafen Frauen auf Partys und verstanden nicht. Vielleicht gab es nicht mehr Sinn als das.“

Ich habe Sarah Raich im März zufällig in einer Hotelbar in Leipzig kennengelernt, und ich bin sehr froh darüber. Weil ich jetzt in Kontakt bin mit dieser klugen, feinsichtigen Autorin, die so viel Herzblut und Eigensinn in ihre Figurenzeichnung legt. Die mir gleich auf Seite 11 dieses kleinen Büchleins mit einem Catperson-Moment gezeigt hat, dass wir irgendwo, auf irgendeiner Ebene, ähnlich ticken. Dies ist meine erste Kurzgeschichtensammlung von mikrotext, und auch über diese Entdeckung freue ich mich. Es lohnt sich, hinzuschauen: auf diese besonderen Bücher einerseits, auf die Menschen andererseits. Denn dank ihrer hervorragenden Beobachtungsgabe sind Sarah Raich zutiefst menschliche Geschichten gelungen, die mir richtig gut gefallen haben. Sie sind schlau, gewitzt, feministisch und überraschend. Ich weiß außerdem, dass Sarah Raich einen Roman geschrieben hat, der gerade bei einigen Verlagen auf dem Tisch liegt. Veröffentlicht ihn, denn ich will ihn lesen!

Dieses makellose Blau von Sarah Raich ist erschienen bei mikrotext.

 

 

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