Bücherwurmloch

Emily Ratajkowski: My body

„Ich bin nichts Besonderes, außer, wenn ich nackt bin“
Es ist das Buch mit dem wohl hässlichsten Cover des Frühjahrs (und das ist angesichts des Inhalts ziemlich ironisch) und erinnert an „Botschaften an mich selbst“ von Emilie Pine, hinter dessen Umschlag ich nicht so viele persönliche Einblicke, Blut, Schweiß und Tränen vermutet habe. Genauso erging es mir mit diesen Essays von Emily Ratajkowski, ich wusste zuerst nicht einmal, wer sie ist. Das mag verwundern, weil dieser Frau 28 Millionen Menschen auf Instagram folgen und sie 2013 nackt im Video von „Blurred Lines“ getanzt hat, das in seiner zensierten Version fast 800 Millionen Mal geklickt wurde. Später hat sie gesagt, dass sie in einem solchen Video tanzen und Feministin sein kann, dass ihr Körper ihr gehört und sie die Kontrolle darüber hat. Doch davon ausgehend erzählt sie von ihrer Kindheit, von ihren Erfahrungen als Model, und es stellt sich heraus: So simpel ist es nicht. Und wem ihr Körper gehört, ist unklar.

„In meinen frühen Zwanzigern hatte ich nie darüber nachgedacht, dass die Frauen, die ihren Einfluss durch ihre Schönheit errungen hatten, dafür in der Schuld von Männern standen, deren Begierde den Frauen diese Macht allererst verlieh.“

Das Problem ist: Emily Ratajkowski ist schön. Schon als Mädchen wird sie anders wahrgenommen, anders beurteilt, scheint den Menschen durch ihre Schönheit etwas zu schulden. Bei Shootings zupft und zerrt jeder an ihr herum, ihre Nacktheit ist ein Gut, auf das alle zugreifen. Sie wird manipuliert und ausgebeutet, viele Erlebnisse sind hart an der Grenze zu sexualisierter Gewalt. Bilder werden gegen ihren Willen veröffentlicht und verkauft, mächtige Männer verdienen viel Geld mit Emilys Körper. An einem bestimmten Punkt während der Lektüre siegt meine Neugier und ich google ihren Namen. Dann sitze ich lange da, schaue ihre Bilder an und spüre, wie das Patriarchat in mir rumort: Wie kann sie Feministin sein und in sexy Posen Bikinis anpreisen? Wie kann sie schlau sein, wenn sie aussieht wie ein Püppchen? Diesen Effekt habe ich interessiert beobachtet und mich daran abgearbeitet. „My body“ ist definitiv ein Buch, das viel in mir angestoßen hat und über das ich immer noch nachdenke. Weil Emily Ratajkowski eindringlich schildert, wie komplex das Thema ist: Schönheit bedeutet Reichtum, bedeutet Macht – aber immer in Abhängigkeit vom männergemachten System, vom Verkauf der weiblichen Körper.

„Würde irgendjemanden interessieren, was ich schreibe, wenn ich Männer wie dich nicht beeindruckt hätte?“

Am Ende bekommt Emily Ratajkowski ihren Sohn, und auch wenn ich ihren Gedanken, dass ihr Körper nun endlich einen „Daseinszweck“, seine Bestimmung gefunden hat, nachvollziehbar und schön finde, hat er mir gleichzeitig Bauchweh beschert, weil er auf den alten patriarchalen Mythos einzahlt, Frauen müssten Kinder gebären, um vollständig zu sein. Und weil er dadurch alle Frauen ausschließt, die das nicht möchten oder können. Was ist mit ihren Körpern?

„Ich will alle meine Fehler und Widersprüche offenlegen, für alle Frauen, die das nicht können, für alle Frauen, die wir als Musen bezeichnet haben, ohne ihre Namen zu kennen, und deren Schweigen wir für Zustimmung hielten.“

Ein wichtiges, aufschlussreiches Buch, das unzählige Fragen rund um das Modelbusiness aufwirft, in dem Schönheit nichts anderes als eine Ware ist – und um unsere Vorurteile rund um das Thema. Die gilt es aufzubrechen, weshalb ich euch „My body“ dringend ans Herz legen möchte, es hat mich nachhaltig beeindruckt.

My body von Emily Ratajkowski ist erschienen bei Penguin.

 

 

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