Bücherwurmloch

Angela Lehner: 2001

„Im Fernsehen berichten sie heute nicht, dass jemand gestorben wäre, aber ich bin mir sicher, dass es trotzdem so ist“
Die Julia Hofer wohnt im Tal und geht in die Restmüllklasse. Da werden in der Hauptschule jene versammelt, um die es nicht allzu gut steht, intelligenztechnisch. Gemeinsam mit ihrer Crew drückt die Julia aber jeden Schultag irgendwie durch, auch wenn so Arschloch-Lehrer wie der Brandstätter sie ganz besonders herzapfen. Der Brandstätter ist es auch, der eines Tages mit der Idee für ein Experiment daherkommt: Er will nämlich Direktor werden, und um Eindruck zu schinden, möchte er in der ganzen Klasse Rollen verteilen. Die Schüler:innen ziehen einen Zettel, jede:r von ihnen ist fortan ein Politiker oder die Presse, ein Augenzeuge oder – wie die Julia – die UNO. Sie sollen herausfinden, wie sie zu agieren haben. Eh nicht so blöd eigentlich, aber da der Brandstätter ein Arschloch ist und die Klasse Restmüll, haut das nicht so hin wie geplant. Überhaupt nichts haut so hin wie geplant, denn mit ihrer Musik kommt die Julia nicht weiter, ihr Bruder macht die Matura am Gymnasium und kann im Tal nicht studieren, weil es hier nichts gibt außer eine abgeranzte Bar, einen Lidl und Touristen. Das Jahr 2001 ist also für Julia ungefähr so wie ihr ganzes bisheriges Leben: ein einziger Scheiß.

Dieses Buch lebt von der Zeit, in der es spielt. Es lebt von der ausgefeilten Recherche seiner Autorin, die uns die Musik, die Begriffe, die Outfits und das Lebensgefühl des Jahres 20021 zurückbringt: Das ist ein ganz eigener Sound. Ich hab im Jahr 2001 maturiert, bin also ähnlich alt wie die Protagonistin und während der Lektüre ständig am Nicken. Das Geräusch eines Modems und der Satz „geil, in zehn Minuten geht’s los“: Ich kenn’s. Die Songs, die Zukunftsangst, das Schwärmen für irgendwen, der nicht mal rüberschaut: Alles meins. Großartig auch, dass der Roman alle seine Austriazismen behalten durfte, dass er sich anhört und liest, als würde man wirklich in so einem österreichischen Tal stehen. Oida, gemma, tu weiter, mein Herz freut sich bei jedem dieser Ausdrücke, die zu einer ganz eigenen Sprachmelodie beitragen. Zwar war es bei mir kein Tal, sondern ein Bergdorf, dort gab es aber nicht einmal einen Lidl. Eigentlich gab es überhaupt nichts, schön war es irgendwie trotzdem. So erlebt es auch die Julia: dass es dennoch Zusammenhalt gibt, Freundschaft, eine Perspektive. Wenn man aus Tal weggeht, eh klar.

2001 von Angela Lehner ist erschienen bei Hanser.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.