„Als Frau und Gemahlin besaß ich keinerlei Macht und musste gleichwohl unser Schicksal irgendwie in die Hand nehmen“
Und dieses Schicksal ist ein herausforderndes, denn nach einem kurzen Techtelmechtel mit einem gewissen John McArthur passiert der jungen Elizabeth dasselbe, was vielen Frauen ihrer Zeit – wir schreiben das Jahr 1788 – geschehen ist: Sie muss ihn heiraten. Sie ist als Halbwaise ohne Mitgift keine gute Partie, hat ihre Unschuld an ihn verloren, und so findet sie sich plötzlich in einer ungewollten, lieblosen Ehe mit einem Mann wieder, der sich schnell als herrschsüchtig, eingebildet und leicht reizbar entpuppt.
„Wie viele Ehefrauen lernen wohl wie ich, das Klima im Raum zu prüfen? Darauf zu achten, wie der Ehemann den Kopf neigt, die Füße setzt, den Löffel hält, die Faust neben den Teller legt? In einem Wimpernschlag zu erfassen, ob Sonne oder Schatten die Oberhand hat?“
Als John beschließt, eine Stelle als Lieutnant in der Strafkolonie in New South Wales in Australien anzutreten, hat Elizabeth keine Wahl, sie muss mit ihm gehen. Sie hat kein Selbstbestimmungsrecht, nicht über ihr Leben, nicht über ihren Körper, den John sich nach Belieben zu eigen macht, nicht über die Kinder, die sie bekommt. Sie versucht zwar, mit gezielten, klug überlegten Strategien seine Eitelkeit zu beeinflussen, ist damit aber nicht immer erfolgreich.
Kate Grenville, die zu den wichtigsten Schriftstellerinnen Australiens gehört, hat einen Roman geschrieben, der beispielhaft ist für das Leben aller Frauen, die vor uns kamen: Sie erzählt, wie es ist, der Besitz eines Mannes zu sein, der sämtliche Entscheidungen trifft. Eingebettet in eine ausufernd altertümliche Sprache, die mich zwischendrin, ich gestehe es, auch ein wenig eingeschläfert hat, ist dies im Kern natürlich ein hart feministisches Buch, denn in der Umkehrwirkung zeigt es, wie viel sich seither verändert hat – und wie viel sich noch verändern muss. Sehr pfiffig geschrieben und raffiniert konstruiert, spannend auch der Einblick in die Geschichte Australiens: Ich finde es nach wie vor unfassbar, dass man gedacht hat, man könnte einfach alle unliebsamen Straftäter:innen dorthin verschicken (und den Eingeborenen das Land stehlen). Empfehlung!
Ein Raum aus Blättern von Kate Grenville ist erschienen bei Nagel & Kimche.