Bücherwurmloch

Kristina Hauff: Unter Wasser Nacht

„Wenn Sophie da war, stand die Vergangenheit im Raum wie verbrauchte Luft“
Es hätte so schön sein können: Sophie und Thies, Inga und Bodo sind seit Langem Freunde und haben sich nebeneinander auf einem großen Hof im Wendland niedergelassen. Doch die Idylle ist keine mehr, seit Aaron, der Sohn von Sophie und Thies, in der Elbe ertrunken ist. Alles ist in eine Schieflage geraten, denn die Kinder von Inga und Bodo sind wohlauf, sind am Leben, mehr noch: Sie sind perfekt, während Aaron ein Unruhestifter war, ein Fiesling, ein Schläger.

„Die einzigen Gefühle, die er ihr zeigte, waren Wut und Hass, Häme und Triumph.“

Sophie konzentriert sich auf ihre Arbeit, Thies hat seine aufgegeben, und so navigieren sie aneinander vorbei in ihrem Unglück, bis eine Fremde auf dem Hof auftaucht: Mara aus Dänemark. Auf sie konzentrieren sich die Gefühle, Sehnsüchte und Fragen aller – aber die Antworten, die Mara hat, sind nicht das, was die zwei Elternpaare erwartet haben.

Ich habe dieses Buch zu gleichen Teilen gemocht und nicht gemocht. Interessant fand ich die Ausgangssituation: Vier Erwachsene auf engem Raum, Freunde, die einen mit der intakten Familie, die anderen mit einem ertrunkenen Kind. Großartige Idee, viel Konfliktpotenzial. Noch interessanter fand ich im Lauf der Lektüre, dass dieses ertrunkene Kind kein Liebling war, sondern gemein und bösartig. Die Dynamik von Familien mit Kindern, die durch Bosheit auffallen, faszinieren mich – deshalb habe ich selbst einen Roman über ein solches Kind geschrieben. Kristina Hauff hat mich mit ihrer Themenwahl also durchaus abgeholt. Und es ist angenehm, dass „Unter Wasser Nacht“ gut lesbar ist, am Seichten entlangschifft, nur gar so viele Klischees hätte es dabei nicht streifen müssen, da habe ich mehrfach aufgestöhnt. Am meisten gestört hat mich, dass die Figuren so gut über ihr eigenes Gefühlsleben Bescheid wissen. Ständig erklären sie mir, was sie fühlen, nie ist ihnen das eigene Empfinden ein Rätsel.

„Was er empfand, war nicht Trauer. Trauer bedeutete, an den Menschen zu denken, den man verloren hatte. Er hingegen kreiste um sich. Er vermisste nicht Aaron, sondern das Leben, das er selbst gern geführt hätte.“

Da hätte in meinen Augen das Buch mehr Kraft gewonnen, wenn manches ungesagt geblieben wäre und der/die Lesende es hätte erspüren können. Dafür gibt es ein schönes, kitschiges, rührendes Ende. Ich halte den Roman für sehr gut verkäuflich, so ein Allrounder mit Familiendrama, Geheimnissen und Nature Writing im Wendland.

Unter Wasser Nacht von Kristina Hauff ist erschienen bei hanserblau.

 

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