Bücherwurmloch

Mercedes Spannagel: Das Palais muss brennen

„Unsere Herzen waren dicke Kinder, die auf dünnem Boden sprangen“
„Irgendein linkes Szenelokal schmiss eine Party, um die politische Situation zu feiern, wir trafen Lili und ihren existenzialistischen More-Night-Stand in der Schlange davor.“ Und dieser existenzialistische More-Night-Stand trägt einen Pullover, auf dem steht: Ronald Reagan sold more cocaine than your favourite rapper. Diese kurze Stelle zeigt schon recht deutlich den Sound von Mercedes Spannnagels schmalem Debütroman, dessen Ich-Erzählerin Luise die Tochter der rechtskonservativen Bundespräsidentin von Österreich ist, und dieser Sound ist auch das Besondere. Er ist modern, freilich, die Autorin ist 1995 geboren, er ist außerdem durchzogen von Anglizismen, Namedropping und jener Blasiertheit, wie nur reiche Jugendliche sie haben. Die „Kinder der Nazis“, wie sie sich selbst nennen, wohnen in Palais, sind in erster Linie Töchter und Söhne und erst dann eigenständige Menschen, um Geld müssen sie sich keine Sorgen machen, um die politische Zukunft des Landes schon. Da gibt es also die Bundespräsidentin, die reinrassige Wildhunde züchten will, wobei ihr ein Assistent mit Schmiss hilft, da gibt es Luise, die sich aus Protest einen Mops anschafft, den sie Karl Marx nennt, Freunderlwirtschaft und feministische Pornos, bi- und pansexuelle Beziehungen ohne monogame Exklusivität gibt es auch. Und einen Skandal, der – wo sonst! – auf dem Opernball ans Licht kommt.

Das ist alles sehr österreichisch und sehr authentisch. Die meisten Figuren hat Mercedes Spannnagel nicht erfinden müssen, die laufen eh in unserem Land herum, sie hat einfach genau hingeschaut. Und die richtigen Worte gefunden, um diese Figuren in die Literatur zu heben. Auch ein überraschend geleakte Video mit scharmützelnden Politikern existiert tatsächlich (und bestimmt nicht nur das eine). Scharfsinnig ist das alles auch, böse natürlich (eben weil österreichisch), rotzig, ziemlich angepisst, dabei aber auch resigniert. Einerseits wollen sie sich wehren, die Nazi-Kinder, wollen etwas verändern, andererseits kommen sie nicht in die Gänge, sie kiffen viel, sie reden viel, ohne etwas in die Tat umzusetzen. „Das Buch will revolutionär sein, bleibt aber letztlich nur ein aufsässiger Teenager“, habe ich zu jemandem gesagt, der es ebenfalls gelesen hat, und dessen Antwort war: „Aber genau das will es sein.“ Und so gesehen ist das eh der einzig mögliche Schluss für einen Roman wie diesen: dass alles bleibt, wie es ist, dass die Politiker die Bevölkerung verarschen und damit immer durchkommen, dass das rechtskonservative Gedankengut weiter verbreitet wird. Ich hätte mir aber mehr neue Erkenntnisse erwartet, mehr Spektakel, zumindest ein paar Flämmchen. Das Palais wird vielleicht ein wenig angekokelt, aber es brennt ganz sicher nicht.

Das Palais muss brennen von Mercedes Spannagel ist erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.

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