Bücherwurmloch

Andreas Bernard: Laufende Ermittlungen

„Als die Sonne hinter den Gipfeln verschwand, wurde sofort das ganze Gewicht der Berge spürbar“
Es sind Beobachtungen, die so oder ähnlich jeder von uns schon gemacht hat, von denen Andreas Bernard da berichtet. Der Unterschied ist nur: Während unsereins vermutlich nicht einmal innegehalten hat, um den Moment zu registrieren, hat er sogar die richtigen Worte dafür gefunden. Wer jemals versucht hat, etwas zu schreiben, der weiß: Je kürzer, desto schwieriger. Alles, was pointiert sein muss, alles, was komprimiert sein muss, ist ungleich schwerer zu formulieren als ausführliches Geschwafel. Andreas Bernard scheint der Meister seines Fachs zu sein: Seine Kurzbeschreibungen sind so treffend, dass sie Augenblicke lebhaft heraufbeschwören und uns verständnisvoll nicken lassen, oft mit einem Schmunzeln im Gesicht. Weil wir uns erkannt fühlen, weil wir eine Art Verbundenheit spüren, weil wir wissen, wovon er spricht.

Laufende Ermittlungen besteht aus lauter solchen Momentaufnahmen, die Andreas für das ZEITmagazin geschrieben und gesammelt hat. Man kann das Buch immer mal wieder in die Hand nehmen, ein paar Seiten lesen und es wieder weglegen, es spielt keine Rolle, an welcher Stelle man es öffnet, die „Notizen aus dem Alltag“ haben eine angenehme Allgemeingültigkeit. Sie schaffen außerdem etwas Schönes: dass man selbst auch wieder aufmerksamer wird für das, was einem begegnet, die Geräusche, Gesichter, das Verhalten der Menschen, die vermeintlichen Zufälle, die kleinen Zwischenmomente. Dies ist ein Buch, das wie eine freundliche Aufforderung wirkt, die Augen zu öffnen und all das, wovon Andreas Bernard erzählt, zu bemerken. Auch wenn wir es garantiert nicht so treffend formulieren können wie er.

Lieblingsnotiz:
„Der Schriftsteller, der in Depressionen verfiel, als er einmal beim Gang durch ein Möbelhaus seinen Roman im Regal eines Musterzimmers fand.“

Laufende Ermittlungen von Andreas Bernard ist erschienen bei Klett-Cotta/Tropen.

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