Bücherwurmloch

Alix Ohlin: Robin und Lark

„Außerdem sehen die Leute gut aus und benehmen sich schlecht“

„Gesten der Zuneigung gingen uns nicht leicht von der Hand; sie waren eine Sprache, die wir nicht beherrschten.“

Das sagt Ich-Erzählerin Lark, die zusammen mit ihrer Schwester Robin bei einer lieblosen, die Kinder vernachlässigenden Mutter aufwächst. Das Umfeld macht die Schwestern einerseits zu Verbündeten, gibt ihnen jedoch andererseits kein Werkzeug an die Hand, um miteinander zu reden, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen, sich mitzuteilen und anzuvertrauen. Das haben sie nie gelernt, und das wird ihnen später zum Verhängnis, als sie, erwachsen geworden, zeitweise gemeinsam in New York leben, wo Lark eine Filmschule besucht und Robin an der renommierten Juilliard Klavier studiert. Es kommt, wie es kommen muss: Die Schwestern verlieren einander. Doch als sie Jahre später getrennt voneinander in Schwierigkeiten geraten, zeigt sich, dass Blut oft doch dicker ist als Wasser – und Familienbande nicht so leicht zerreißen.

Die kanadische Autorin Alix Ohlin, deren Roman In einer anderen Haut ich 2013 ganz gern mochte, hat ein emotionales, schönes Buch über eine Schwesternbeziehung geschrieben, das mit einer schnörkellosen, ruhigen Sprache besticht – und einer Geschichte, in die man sich richtig hineinfühlen kann. Es geht um die Wunden, die Mütter ihren Kindern zufügen und die wohl nie verheilen, es geht um das Bedürfnis, einander zu helfen, und um das Scheitern dabei. In erster Linie geht es aber um Sprachlosigkeit. Denn das ist es, wovon der Umgang zwischen Robin und Lark getragen ist: Sie, die aus Platzmangel im selben Bett schlafen, finden keinen Weg, miteinander zu reden. Ich-Erzählerin Lark spürt oft, dass mit ihrer Schwester etwas nicht stimmt, hat allerdings keinen Zugang zu ihr, und Robin erzählt ihr nicht, was sie bewegt. Das gibt dem Roman den Ton der Verzweiflung und Resignation, der jedoch immer wieder aufbricht, wenn eine der Schwestern erneut versucht, sich der anderen anzunähern. Im letzten Drittel ist die Story in meinen Augen ein wenig ausgefranst und verliert zu sehr an Tempo, ansonsten aber ist Robin und Lark ein lesenswerter, gefühliger Roman, den man getrost jedem empfehlen kann.

Robin und Lark von Alix Ohlin ist erschienen bei C. H. Beck.

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