Bücherwurmloch

Sebastian Stuertz: Das eiserne Herz des Charlie Berg

„Mögen die Spiele beginnen!“
Es gibt diese Bücher, die fangen völlig verrückt an und lassen dann spürbar nach. Und es gibt dieses Buch. Es fängt völlig verrückt an und steigert sich mehr und mehr bis zum furiosen Finale. Sebastian Stuertz hat auf über 700 Seiten eine Geschichte entworfen, die so wild, fantasievoll, originell und crazy ist, dass sie sich mit nichts vergleichen lässt. Und das ist auch gut so, denn diese krasse Mischung aus geilem 90ies-Trash, Coming of Age, Liebesromanze, Familiengeschichte und Krimi ist wahrhaft einzigartig. Ein Buch, bei dem ich abwechselnd den Kopf geschüttelt und gelacht habe. Worum es geht? Tja nun. Da ist Charlie. Er hat ein schwaches Herz und eine starke Nase – mit der er sogar riechen kann, wer gerade mit wem Sex hatte, wo sich ein Lichtschalter befindet und wie weit ein Hirsch entfernt ist. So einen jagt er mit seinem Großvater, und das geht nicht gut aus, weder für den Hirsch noch für den Großvater. Dann gibt es Mayra, Charlies heimliche Heldin und große Liebe, die leider in Mexiko lebt, seinen Vater Dito, der nur kifft und Musik macht, seine autistische Schwester Fritzi sowie die hübsche Sera, mit der Charlie eine Nacht verbracht hat, die er lieber vergessen möchte. Und wenn ihr jetzt denkt: Oh, ganz schön viel, dann seid versichert, dass ich euch noch nicht mal einen Bruchteil dessen geschildert habe, was in dieser Story abgeht. Ihr solltet sie deshalb am besten einfach selbst lesen. Und euch so richtig drauf einlassen.

Man kriegt mich mit guten Ideen. Nichts langweilt mich mehr als die immergleichen Settings in der Literatur, und Sebastian Stuertz beweist mit seinem Debüt, wie viel Spaß Schreiben und Lesen machen können. Es hat mich daran erinnert, wie viel Vergnügen mir Lesen in meiner Kindheit bereitet hat, als nichts eine Rolle gespielt hat, als ich nicht mit Lektorinnenaugen Formulierungen seziert und überkritisch auf jede Wendung reagiert habe, sondern eingetaucht bin in die Zügellosigkeit der Fantasie. Natürlich ist das stellenweise zu viel. Natürlich hätten es nicht 700 Seiten und gar so viele tollkühne Überraschungen sein müssen. Aber who cares! Das eiserne Herz des Charlie Berg ist für alle, die noch nicht aufgegeben haben. Die noch an Geschichten glauben, an Musik, an die Liebe, an Gulasch und an die Kraft der Literatur. Dieses Buch ist wie ein Rausch, eine Partynacht, in der so wahnwitzige Dinge passieren, dass ihr am Morgen denkt: Niemand wird mir das jemals glauben. Und in diesem Wissen schlaft ihr ein – mit einem fetten Grinsen im Gesicht.

Das eiserne Herz des Charlie Berg von Sebastian Stuertz ist erschienen bei btb.

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