Prost Mahlzeit: 1 Stern

TillerGute Idee in schlechter Umsetzung
David hat sein Gedächtnis verloren und weiß nicht mehr, wer er ist. Drei Menschen, die ihn gekannt haben, schreiben ihm Briefe. Diese drei sind: Davids Jugendfreund Jon, sein Stiefvater Arvid und seine erste Freundin Silje. Jon will als Musiker Fuß fassen und schafft es nicht, was jedoch weniger an mangelndem Talent als viel mehr an seiner destruktiven Art liegt. Die Beziehung zu seiner Familie ist eine Katastrophe, er kann keine fünf Minuten mit seiner Mutter und seinem Bruder in einem Raum sein, ohne dass der Hass in ihm hochkocht. Arvid ist dagegen inzwischen alt und hat resigniert. Der ehemalige Pfarrer erinnert sich an die Zeit mit David und dessen Mutter, die er beide sehr geliebt hat. Er berichtet auch von Davids Pubertät und all den Verletzungen, die dieser seinen Eltern zugefügt hat. Silje befindet sich in einem merkwürdigen Zustand: Sie liebt ihren Mann und ihre Kinder, fühlt sich aber gefangen in ihrem Leben. Sie wollte als Jugendliche etwas Besonderes sein und kommt jetzt mit ihrer 08/15-Existenz nicht klar.

Carl Frode Tiller ist ein bekannter norwegischer Autor, mit vielen Preisen bedacht und dutzendfach übersetzt. Ich fand, dass das Konzept seines Romans Kennen Sie diesen Mann? sehr spannend klang: dass jemand, der sich selbst verloren hat, Briefe von Menschen erhält, sie sich an ihn erinnern. Allein: Diese Briefe sind absolut uninteressant. Alle drei Schreiber drehen sich viel zu sehr um sich selbst, zerlegen ihr langweiliges Leben in alle noch langweiligeren Einzelheiten, geben zwar manches von David preis – aber lang nicht genug, um ihn als Person greifbar zu machen. Stattdessen erzählen sie in ihren Briefen von einer recht gewöhnlichen Vergangenheit, und in anderen Episoden erhalte ich Einblick in ihre Gegenwart, nicht in Briefen, nicht in der Ich-Form. Diese Gegenwart ist unglücklicherweise auch nicht interessanter, und der Kontrast zwischen damals und heute ist viel zu schwach, um irgendein Gefühl in mir hervorzurufen. Denn auch die Protagonisten haben kaum Gefühle außer Resignation, Hass und Enttäuschung. Zu allem Übel gleichen sich die drei Figuren bzw. die drei Teile des Buchs sehr stark: Allerorts wird nur gestritten, niemand versteht sich, keiner ist glücklich. Das zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman, und Abwechslung davon gibt es nicht. Das ist deprimierend. Und anstrengend. Die Ausgangsfrage des Romans wird letztlich nicht beantwortet: Wer David ist, bleibt unklar – und was ihm geschehen ist, ebenfalls. Ein leider ganz und gar überflüssiger Roman.

Banner

Kennen Sie diesen Mann? von Karl Frode Tiller ist erschienen im btb Verlag (ISBN 978-3-442-75616-2, 352 Seiten, 19,99 Euro).

High Five

IMG_0078Wenn ich eine Figur in einem Roman wäre, würde ich nicht wollen, dass der Roman endet. Da sich das aber schwer vermeiden lässt, würde ich zumindest versuchen, mich in den Ausgang der Geschichte einzumischen, besonders dann, wenn die Autorin/der Autor vorhätte, mich sterben zu lassen. Ich würde hingehen, an ihre/seine Tür klopfen und sie/ihn dazu überreden, mich leben zu lassen und eine Fortsetzung zu schreiben. Mein Filmtip zum Thema: Stranger than Fiction.

Ich ordne meine Bücher? Haha. In meinen frühen Zwanzigern hatte ich mal eine Phase, in der ich die alten Suhrkamp-Taschenbücher nach Farben geordnet hatte, so mit Abstufungen nach dem Farbspektrum wie im Buntstiftkasten. Und viele Jahre später hat mich ein Freund einmal dazu gebracht, mit ihm gemeinsam meine Bücher nach alphabetischer Reihenfolge der Autoren zu ordnen, weil ich ihn darum beneidet hatte, dass er jedes Buch, das er suchte, innerhalb von 30 Sekunden fand. Beide Ordnungen hielten genau so lange, bis ich wieder so viele Bücher verborgt, zum Nachlesen herausgezogen und neben dem Bett, dem Sofa, dem Schreibtisch gestapelt, in panischen Aufräumaktionen kurz bevor Besuch kam irgendwo wieder hineingeschoben hatte, also ungefähr drei Monate. Seither steht (unabhängig von der Farbe des Covers) wieder Boyle gleich hinter Irving und Miller direkt vor Auster, was für mich durchaus Sinn macht, auch wenn ich oft lange suchen muss, bis ich ein bestimmtes Buch finde. Falls ich es nicht gerade verborgt habe.

Das Cover meines aktuellen Buchs ist eine leuchtend blaue, mediterrane Schönheit. Michael Hochleitner von den Typejockeys, die auch meine Webseite designt haben, hat es für mich entworfen und von Hand gezeichnet. Er hat sich von Adria-Plakaten aus den 50er-Jahren, aber auch von Buchcovers aus dem anglo-amerikanischen Raum inspirieren lassen und die Atmosphäre und die Stimmung des Buches wunderbar in Farben, Grafik und Typografie übersetzt. Es ist ein ungewöhnliches, mutiges Cover und ich liebe es!

Viel zu selten verwendet wird das Wort versonnen. Eigentlich kommt dieses Wort vom veralteten sich versinnen = sich in Gedanken verlieren. Ich bin für die Wiedereinführung dieses Ausdrucks – und dafür, sich öfter zu versinnen. Wer sich in Gedanken verliert, findet sich in den Sinnen wieder.

Das Buch meines Lebens werde ich hoffentlich noch schreiben. Von denen, die andere geschrieben haben, gibt es eigentlich zu viele, die mich schon fast mein Leben lang begleiten, als dass ich mich für eines entscheiden könnte. Weil das hier aber eine Art Spiel ist und ich kein Spielverderber bin, greife ich (wie viele bei solchen Fragen) auf meine Kindheit zurück … und das ist vielleicht auch gar nicht so falsch, denn die prägt ja bekanntlich das Erwachsenenleben. Und ich glaube tatsächlich, dass Winnie-the-Pooh meine Einstellung zum Leben, dem Universum und dem ganzen Rest nachhaltig beeinflusst hat. „You can’t stay in your corner of the Forest waiting for others to come to you. You have to go to them sometimes.

Cerha


Ruth Cerha
, 1963 geboren, ist sehr musikalisch und unterrichtet Klavier. Seit 2004 schreibt sie. Ihre ersten Romane Kopf aus den Wolken (2010) und Zehntelbrüder (2012) erschienen bei Eichborn, das neueste Werk Bora. Eine Geschichte vom Wind in der Frankfurter Verlagsanstalt. Hier findet ihr eine Leseprobe. Foto von Stefanie Luger.

 

 

 

 

 

Bücherwurmloch

thumb_IMG_6368_1024Gratulation: Du hast gewonnen!
Bis gestern, 6. Dezember 2015, Mitternacht, lief das große Gewinnspiel zu „Das Schiff des Theseus“, und über 60 Teilnehmer haben ihr Glück versucht. Vielen Dank an euch alle fürs Mitmachen sowie für die vielen positiven und interessanten Kommentare zu meiner kleinen Blogparade! Das Los hat heute Früh entschieden, wer dieses besondere Buch bald in den Händen halten darf. Glücksfee durfte meine kleine zweijährige Tochter spielen, die ganz sicher nicht beeinflussbar ist, weil sie noch nicht einmal lesen kann. (Sämtliche Kinder wurden freilich für ihre Arbeit entsprechend entlohnt.)

thumb_IMG_6370_1024

Und jetzt der Trommelwirbel! Gewonnen hat:

thumb_IMG_6374_1024

Herzlichen Glückwunsch! Ich freu mich sehr für dich, liebe Seitengeraschel-Mareike. Bitte melde dich bei mir mit deiner Adresse! Das Buch bekommst du vom Verlag geschickt, quasi deinem persönlichen Christkind. Und bei manchen anderen, die heute nicht gewonnen haben, liegt das Buch ja vielleicht trotzdem unter dem Christbaum …

Bücherwurmloch, Für Gourmets: 5 Sterne

thumb_IMG_6195_1024Gewinnspiel! Gewinnspiel! Gewinnspiel!
Nun habe ich euch eine ganze Woche lang mit Beiträgen zu Schiff des Theseus zugespamt. Ich hoffe, es ist mir gelungen, euch meine Begeisterung für dieses einmalig schöne Buch zu vermitteln. Und natürlich weiß ich, dass es einen stolzen Preis hat, aber ich könnte mir kein schöneres Weihnachtsgeschenk für bücherliebende Menschen vorstellen. Oder für euch selbst! Hab ich euch eigentlich schon verraten, dass es sogar nach altem Buch riecht, weil es extra eingeduftet wurde? Nein? Am besten macht ihr noch bis Sonntag, 6. Dezember 2015, beim Gewinnspiel* mit, dann habt ihr nämlich die Chance darauf, bald selbst dieses Mammut von einem Buch in der Hand zu halten. Kommentiert dazu einfach hier oder unter einem der anderen S-Beiträge, es gibt ja jetzt genügend davon (feine Selbstironie bitte hier einsetzen).

Wenn ihr noch ein bisschen mehr Interessantes über Schiff des Theseus lesen möchtet, werdet ihr beispielsweise fündig bei Druckfrisch, der Süddeutschen Zeitung, Zeilensprünge, Lesestunden und der Welt. Hier findet ihr den schönen Buchtrailer, und hier könnt ihr Kossi beim Unpacking zusehen.

Abschließend bleibt mir zu sagen, dass dieses Buch mich persönlich sehr bereichert hat, weil es mir mit Einfallsreichtum, Fantasie und großem Produktionsaufwand gezeigt hat, wie schön es ist, zu lesen. Es hat mich daran erinnert, wie sehr ich als Kind literarische Schnitzeljagden von Thomas Brezina oder anderen Autoren mochte, mit Codes und Rätseln. Und es hat auf eine sehr greifbare, haptische Art bewiesen, dass man, wenn man fest an eine vielleicht verrückte Idee glaubt, alles erreichen kann. Das ist sehr amerikanisch. Und sehr schön.

*Unter allen, die bis 6. 12. 2015 um 0.00 Uhr einen Kommentar unter den Special-Beiträgen hinterlassen, wird ein Exemplar von Schiff des Theseus verlost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

 

 

 

 

 

 

Bücherwurmloch, Für Gourmets: 5 Sterne

IMG_0929
„Dieses Buch ist so besonders, dass wir es unbedingt publizieren wollten“

Ein Interview mit Mona Lang, Lektorat Kiepenheuer & Witsch.

„Das Schiff des Theseus“ wird allerorts als große Buchkunst gefeiert. Was hat Sie dazu bewogen, ein derart besonderes Buch ins Programm aufzunehmen, dessen Umsetzung so aufwendig ist? Deine Frage beinhaltet tatsächlich schon unsere Antwort: Dieses Buch ist so besonders, dass wir es unbedingt publizieren wollten. Schnell war klar, wer dieses Buch (damals noch die Originalausgabe) in Händen hält, macht große Augen und die erste Reaktion war eigentlich immer: „Das möchte ich unbedingt haben!“. So ging es uns selbst auch. Am Anfang konnte man den Aufwand schwer abschätzen, doch alle Kosten und Mühen haben wir gerne auf uns genommen, um dieses einzigartige Werk auf Deutsch nun einem breiten Publikum zugänglich machen zu können.

Was war die größte Herausforderung bei der Übersetzung? Ganz klar: Die Codes in den Fußnoten. Die Codes sind wirklich sehr ausgeklügelt und unsere erste Aufgabe war: verstehen, wie sie funktionieren. Die zweite Aufgabe: das auf Deutsch genauso toll hinzubekommen. Ein Beispiel: In Kapitel 4 wird das Codewort ermittelt, durch die Wörter nach den Worten, die mit „ex“ beginnen. Wir mussten also deutsche Wörter finden, die mit der Silbe „ex“ beginnen, gleichzeitig aber inhaltlich Sinn machen, denn die Fußnote beinhaltet ja einen sinnvollen Fließtext.

Wie sind die beiden Übersetzer Tobias Schnettler und Bert Schröder vorgegangen: chronologisch oder je nach Figur/Randnotiz? Zunächst muss ich sagen: Tobias und Bert waren ein Segen für mich. Die beiden sind mit vollem Elan an dieses Projekt herangegangen und wir hatten viel Spaß dabei, zusammen zu rätseln und Lösungen zu finden. Ganz konkret hat Tobias Schnettler den Romantext von V. M. Straka und Bert Schröder die Randanmerkungen und Beileger übersetzt. Die beiden waren in ständigem Austausch darüber, wie sie gewisse Redewendungen und Begriffe übersetzen, damit alles nachher kohärent ist.

Was gefällt Ihnen persönlich an „Schiff des Theseus“ am besten? Ganz klar: Dass es nicht nur ein Kunstwerk ist, über das man nur staunen kann, sondern auch ein wirklich guter Roman, ein wirkliches Stück Literatur. Denis Scheck brachte es für mich auf den Punkt, als er dieses Buch „eine literarische Schnitzeljagd“ nannte.

Du hättest auch gern ein Exemplar dieses besonderen Buchs? Dann hinterlass bis Sonntag, 6. Dezember 2015, hier einen Kommentar, um am Gewinnspiel teilzunehmen! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

Bücherwurmloch, Für Gourmets: 5 Sterne

DSC_3483_b„Und alle waren von dem Virus befallen, dass das das perfekte Buch werden soll!
Ein Interview mit Monika König, Herstellungsleiterin bei Kiepenheuer & Witsch.

„Das Schiff des Theseus“ wird allerorts als große Buchkunst gefeiert. Hatten Sie Lust drauf, ein solch aufwendiges Buch zu machen, oder waren Sie anfangs eher skeptisch? Nein, ich war überhaupt nicht skeptisch, es hatte gleich einen großen Reiz! Wir haben schon einige herstellerisch sehr aufwendige Bücher produziert. Aber ein Buchprojekt mit einer so außergewöhnlichen Komplexität hatte es noch nicht gegeben. Ich hatte große Lust, mein herstellerisches Wissen und meine Erfahrungen hier einzubringen.Und ehrlich gesagt wusste ich da ja noch nicht, was tatsächlich auf mich zukommt. Bei der ersten kurzen Inaugenscheinnahme der amerikanischen Originalausgabe vor ca. zwei Jahren auf der Buchmesse war mir das ganze Ausmaß der Herausforderungen noch nicht klar. Das kam erst bei Projektbeginn und immer wieder während des Projektes. Die Tücken wurden nicht auf den ersten und sogar zweiten Blick sichtbar, sondern nach und nach bei der Erarbeitung! Zum Beispiel habe ich erst ganz zum Ende der Produktionszeit gesehen, dass die Schließe, die außen an der Kassette ist, nicht nur auf beiden zu öffnenden Seiten perforiert ist, sondern dass der abgelöste Teil auch noch gummiert ist und als Sticker verwendet werden kann…

Was war die größte Herausforderung für die Herstellung? Vertragliche Vorgabe war, dass man sich in der Umsetzung strikt an der amerikanischen Originalausgabe zu orientieren hat. Unsere Ausgabe sollte exakt gleich aussehen. Bei der Druckabstimmung mussten wir aber feststellen, dass die amerikanischen Ausgaben, die wir uns besorgt haben, im Druckbild unterschiedlich waren, da sie aus unterschiedlichen Auflagen stammten. Die Farbtöne differierten. Wir haben kurzerhand eine Ausgabe als Master erklärt und daraufhin die Daten noch mal angepasst. Die größte Herausforderung bei „S.- Das Schiff des Theseus“ war, dieses extrem kleinteilige Projekt an sich in den Griff zu kriegen und zu steuern – bezogen auf Materialrecherche und rechtzeitige Materialbeschaffung, bezogen auf Personen (Handletterer für die handschriftlichen Kommentare, Setzerin, Drucker) und bezogen auf die technischen Möglichkeiten. Alle Entscheidungen, die man traf, waren immer auf den Gesamtzusammenhang zurückzurechnen. Echtes Zeit- und Projektmanagement!

Wie sind Sie bei der Produktion der vielen Einleger — Karten, Briefe, Servietten, Notizen — und beim Druck vorgegangen, wie macht man so etwas? Das war sehr komplex, ich sage es mal in Kurzform: Auch jedes Einzelteil musste perfekt der Originalausgabe nachgeahmt werden – dafür mussten wir auf dem gesamten europäischen Markt die richtigen Materialien suchen und finden – dahinter musste immer eine schnelle Lieferbarkeit stehen. Ein schönes Beispiel ist der bei uns im Haus berühmt gewordene „Pinöckel“(das ist kölsch). Wir haben sehr lange suchen müssen, bis wir diese kleine Metallöse im Durchmesser von 8 mm in der richtigen Farbe gefunden hatten. Und dann wäre die Herstellung der Decodierscheibe doch fast an der langen Lieferzeit des Ösenherstellers gescheitert. Dank der Hartnäckigkeit und des Findungsreichtums unserer tschechischen Druckerei konnte das Problem in letzter Minute behoben werden. Nicht zu unterschätzen waren auch die buchbinderischen Probleme: wie muss ein Buch gebunden werden, das 22 Beilagen enthält, ohne aufzusperren und nicht im Rücken durch die starke Belastung zu brechen? Die Lösung dieses Problems hat lange gedauert und war nur der Leidenschaft und Ausdauer aller Beteiligter zu verdanken. Und ihrem Mut, weil sie Standardvorgaben außer Kraft setzen mussten, um dieses Ergebnis zu erreichen. Der Druck aller Teile war natürlich ein enges Zusammenspiel zwischen Grafikerin, Herstellung, Druckerei, Verarbeitung und den Zulieferern. Und alle waren von dem Virus befallen, dass das das perfekte Buch werden soll!

Was gefällt Ihnen persönlich an „Schiff des Theseus“ am besten? Die Gesamtkonzeption. Das Buch ist einfach die perfekte Umsetzung seines Inhalts. Hier begeistert mich einfach alles!

Du hättest auch gern ein Exemplar dieses besonderen Buchs? Dann hinterlass bis Sonntag, 6. Dezember 2015, hier einen Kommentar, um am Gewinnspiel teilzunehmen! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

 

Für Gourmets: 5 Sterne

Ich kann das auch. Nur längst nicht so gut …

Ich hab mir überlegt: Für Schiff des Theseus muss ich eine Rezension schreiben, die das Besondere an diesem Buch hervorhebt. Und zwar in ihrer Form. Ich bin so alt, dass ich nicht als Digital Native gelte und noch Handschrift beherrsche, nur verstellen kann ich diese Handschrift nicht gut. Aber hej – immerhin hab ich verschiedene Farben verwendet! Okay, ja, ich hätte eine zweite Person gebraucht, die das Buch auch gelesen hat (und eine ordentliche Kamera), aber ich hab hier keine, also ist diese Rezension quasi ein Gespräch mit den Stimmen in meinem Kopf. Natürlich sieht mein Versuch im Vergleich zum Buch aus, als hätte ein Kleinkind ein Bild von Monet nachgemalt. Seid nachsichtig! Bei Kleinkindern drückt man ja auch beide Augen zu und lobt sie dafür, dass sie sich Mühe gegeben haben. Und außerdem habt ihr dadurch was zu lachen, das kann man ja immer brauchen. Was ich über Schiff des Theseus denke, das steht hier:

thumb_IMG_6197_1024

Der schwarze Erzählstrang ist sozusagen meine Hauptgeschichte:

thumb_IMG_6220_1024

Diese Hauptgeschichte wurde zum Teil recht negativ kommentiert. Wie ich sie empfunden habe, seht ihr hier in Blau:

thumb_IMG_6201_1024

Eric ist die Farbe Grün gewidmet, aber Orange quatscht auch ein bisschen rein:

Und Jen ist ganz gendertypisch in Rosa gehalten, ebenfalls mit orangefarbenen Anmerkungen (total meta!):

Die Fußnoten und Codes waren mir ehrlich gesagt zum Teil zu kompliziert, da konnte ich nicht immer mithalten und mitdenken. Man muss wirklich mit viel Aufmerksamkeit am Ball bleiben, um das Buch zu verstehen. Manchmal wusste ich nicht einmal, WIE ich lesen sollte: die Hauptgeschichte zuerst? Oder die Anmerkungen? Die Fußnoten, die beigelegte Postkarte? Und was hatte das alles miteinander zu tun? Gerade diese Herausforderung macht das Leseerlebnis jedoch so einzigartig. Eigentlich stecken da mindestens drei Bücher in einem. Wunderbar fand ich den spritzigen und lebendigen Dialog zwischen Jen und Eric, der einen ganz eigenen Drive bekommt und nicht immer nur harmonisch ist. Dass sich derart viel Handlung nur über Anmerkungen entwickeln kann, hätte ich nicht gedacht. Was letztlich hinter ALLEM steckt, ist keine Überraschung, aber irgendwie doch:

thumb_IMG_6212_1024

Als Fazit bleibt mir über Schiff des Theseus zu sagen:

thumb_IMG_6206_1024

Schiff des Theseus von J. J. Abrams und Doug Dorst ist erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch (ISBN 978-3-462-04726-4, 45 Euro).

Du hättest auch gern ein Exemplar dieses besonderen Buchs? Dann hinterlass bis Sonntag, 6. Dezember 2015, hier einen Kommentar, um am Gewinnspiel teilzunehmen! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Und übrigens: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

 

Für Gourmets: 5 Sterne

Ein Porno für Bibliophile

collage1

Wer hier schon ein Weilchen mitliest, der weiß, dass ich aus Gründen für diesen Blog nicht allzu viel Zeit aufwenden kann. Deshalb führe ich keine Interviews, besuche kaum Veranstaltungen und mache keine Gewinnspiele. ABER! Dann bekam ich diesen Wahnsinn von einem Buch in die Hand und war ein ganzes Wochenende lang versunken in einer komplexen, verrückten, fantasievollen Welt. Da hab ich mir gedacht: Ein derart besonderes Buch verlangt nach besonderen Maßnahmen. Deshalb gibt es in dieser Woche eine Ausnahme im Bücherwurmloch – für ein Ausnahmewerk. Ich hab mir richtig viel Arbeit gemacht, hab fotografiert und geschrieben, überlegt und gesammelt. Und ein Gewinnspiel* gibt es AUCH NOCH! Ich mache sozusagen eine Blogparade mit mir selbst und feiere dieses Buch so richtig. Jeden Tag wird hier ein Posting erscheinen – und wer eins davon (oder alle zusammen) kommentiert**, nimmt automatisch an der Verlosung teil, die am Sonntag, 6. Dezember 2015, stattfinden wird. Was es zu gewinnen gibt? DAS Buch 2015:

SCHIFF DES THESEUS von J. J. Abrams & Doug Dorst

 

thumb_IMG_6180_1024

»Als hätten Franz Kafka und Karl May nach einer durchzechten Nacht gemeinsam einen Abenteuerroman geschrieben.« Süddeutsche Zeitung

»Ein wahres Zauberbuch, ein Werk, das meine Vorstellungen dessen, was Literatur zu leisten vermag, beträchtlich erweitert hat, ein Fest für Leser und ein Ereignis in der langen Evolutionsgeschichte des Gutenbergmediums Buchs.« ARD Druckfrisch, Denis Scheck

»Abrams/Dorst sind mit allen literarischen Wassern gewaschen. Sie nutzen die Strategien des Fantasy- und Abenteuerromans oder Spionagethrillers und folgen offenen Fragen um reale Rätsel, wie etwa die wahren Identitäten von William Shakespeare und B. Traven.« Rhein-Neckar-Zeitung

» S. ist ein starkes Argument für gedruckte Bücher und ein selbstbewusstes Statement in Richtung Digitalisierung.« Xaver Stadtmagazin

collage3

Bestimmt habt ihr schon von diesem Buch gehört, denn es gibt wohl keinen bibliophilen Menschen, der im Herbst 2015 an Schiff des Theseus vorbeikam. J. J. Abrams, der als Kopf hinter der Fernsehserie „Lost“ berühmt wurde und als Hollywood-Nerd gilt, hat sich mit dem Autor Doug Dorst zusammengetan, um eine Ode an das gedruckte Buch zu veröffentlichen. Herausgekommen ist ein liebevoll gestaltetes Wunderwerk, ein kompliziertes Gedankenexperiment, ein Porno für alle Bibliophilen. Wenn ein normales Buch ein Quickie ist, bei dem es ein bisschen raschelt, dann ist dieses Buch überwältigender Sex: wild und ausufernd, geheimnisvoll und rätselhaft, dafür aber umso intensiver – und unvergesslich.

*Unter allen, die bis 6. 12. 2015 um 0.00 Uhr einen Kommentar unter den Special-Beiträgen hinterlassen, wird ein Exemplar von Schiff des Theseus verlost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
**Wichtige Info: Wenn WordPress eure Mail-Adresse kennt bzw. ihr ein Gravatar-Profil habt, werdet ihr aufgefordert, euch anzumelden. Falls ihr das nicht könnt oder wollt, lasst im Kommentarfeld einfach die Mail-Adresse weg, dann klappt es auch so. Ansonsten schickt mir bitte eine Nachricht auf Facebook, ich poste dann euren Kommentar für euch, damit ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt. 

Für Gourmets: 5 Sterne

Fritsch„Wir proben den Weltuntergang in unseren Nächten, wir leiden beide an den gleichen uralten Träumen“
„Nur Wochen bevor die Welt untergehen würde, verliebte sich Anton Winter das erste Mal in zweiundvierzig Jahren unsterblich in eine beinahe durchsichtige Frau, eine Frau, dürr wie er selbst, mit geradem Rücken und geröteten Augen, die ihm kampfbereit entgegenblickten.“ Diese Frau heißt Frederike. Sie begegnen sich und bleiben zusammen, in den ersten Nächten sprechen sie nicht, sind nur zwei ausgemergelte Körper, die einander halten und wärmen. Erst dann öffnen sich ihre Münder und sie finden auch mit Worten zueinander, erzählen sich, wer sie sind und warum, was sie an der drohenden Apokalypse am meisten fürchten, was sie aneinander lieben. Frederike arbeitet im Krankenhaus, wo trotz des nahenden Endes noch Kinder geboren werden, und Anton züchtet Vögel auf dem Hausdach. Über die fremde Frau findet Aton einen bekannten Menschen wieder, den er viele Jahre nicht gesehen hat: seinen Bruder Leander. Mit ihm und vielen anderen ist er einst in einer autonomen Gemeinschaft aufgewachsen, einem riesigen Feld der Gemeinsamkeit, einem Garten Eden für die Kinder. Dorthin kehren nun Anton und Leander mit ihren Frauen sowie Leanders Baby zurück, sie wollen hier die letzten Tage der Menschheit verbringen.

Man mag kaum glauben, dass die österreichische Fotokünstlerin und Autorin Valerie Fritsch erst 26 Jahre alt ist, denn sie schreibt, als trüge sie alles Wissen der Welt in sich. Ihr Buch Winters Garten, das völlig zu Recht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis stand, ist ein mit kaum 150 Seiten schmales, dafür aber umso wuchtigeres Werk. Denn Valerie Fritsch fackelt nicht lang: Sie lässt einfach mal die Welt untergehen. Und dieser Kunstgriff gibt freilich allem, was sie schreibt, eine gewisse Dringlichkeit: Jedes Gefühl wird intensiver, wenn es zum letzten Mal gespürt wird, jede Umarmung wird fester, wenn sie die letzte ihrer Art ist. Protagonist Anton ist ein Einzelgänger und ein Kauz, aufgewachsen in einem von der Welt entrückten kleinen Paradies. Der erste Teil des Buchs ist zur Gänze dieser besonderen Kindheit gewidmet, der Natur, den Gerüchten, den Ritualen, dem Tod. Er ist einsam und verloren, und erst kurz bevor es zu spät ist, begegnet Anton die Liebe, die – siehe oben – aufgrund dessen, dass ihr kaum noch Zeit bleibt, umso größer ist.

Von allen Buchpreis-Büchern ist dies das einzige – ich gestehe es –, das ich lesen wollte. Und es ist ein wahres Juwel, ein Trüffel, den ich nach all dem Wühlen im Dreck freudestrahlend in den Händen halte. Dies ist ein Buch, das mir passt wie ein maßgeschneidertes Kleid. Melancholische Sprachkunst ist für mich persönlich das Beste, was Literatur zu bieten hat: nachdenklich und stimmungsvoll, präzise formuliert und fordernd. Winters Garten ist alles davon. Ich möchte mir aus diesem Roman eine Decke nähen. Ich möchte die Sätze darin auf meine Wand schreiben, damit ich sie immer sehen und mit den Fingern berühren kann. Die Kritik, dem Roman fehle eine solide Geschichte und womöglich auch ein wenig Humor, kann ich nachvollziehen. Ich war aber in dieser Hinsicht vorgewarnt, was sich vielleicht positiv auf meine Erwartungshaltung ausgewirkt hat. Dies ist garantiert kein Buch für jeden. Aber es ist das perfekte Buch für mich. Und sprachlich gesehen das Beste, was ich 2015 gelesen habe.

Banner

Winters Garten von Valerie Fritsch ist erschienen im Suhrkamp Verlag (ISBN  978-3-518-42471-1, 154 Seiten, 16,95 Euro). Hier findet ihr die begeisterte Rezension von Buchrevier, die mich davon überzeugt hat, dass ich dieses Buch lesen muss. Ebenso gut ist auch die Besprechung von Literaturen.

Gut und sättigend: 3 Sterne

Johnson„Mir ist natürlich klar, dass die Menschheit pervers ist“
Ein Pädophiler verdient sein Geld damit, die Computer von Männern zu reparieren, auf deren Festplatten sich Kinderpornos befinden. Er kämpft gegen seine Neigung. Aber die zwei kleinen Nachbarsmädchen sind so süß – und ständig unbeaufsichtigt … Die Frau eines Schriftstellers hat ihre Brüste an den Krebs verloren. Ihr Mann hat soeben den Pulitzer-Preis gewonnen, und sie neidet seinen vielen Verehrerinnen deren unversehrte Oberweite. Eine andere Frau, ebenfalls krank und ans Bett gefesselt, bekommt von ihrem Mann ein besonderes Geschenk: Er programmiert für sie ein Hologramm von Kurt Cobain, mit dem sie sich unterhalten kann. Und in Höhenschönhausen im Gebiet der ehemaligen DDR weigert sich ein früherer Stasi-Gefängnisaufseher, den Tatsachen ins Auge zu sehen: Er redet sich die Vergangenheit schön, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen.

Adam Johnson wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Meiner Meinung nach zu Recht, denn sein Roman Das geraubte Leben des Waisen Jun Do, der in Nordkorea spielt, ist grandios. Seine unter dem Titel Nirvana versammelten Short Storys sind dagegen ganz anders: unverfroren, kühn, höchst merkwürdig. Die Menschen, die darin vorkommen, sind hochgradig neurotisch, irgendwie angeschlagen und psychisch kaputt, verloren und auf der Suche. Krankheiten spielen eine große Rolle in diesen Geschichten, ebenso wie Naturkatastrophen und die Verfehlungen aus der Vergangenheit. Nicht alle Storys gefallen mir, sie wechseln sich kurioserweise ab, auf eine herausragend gute Geschichte folgt eine, der ich so gar nichts abgewinnen kann. Gemeinsam ist allen sechs Erzählungen, dass sie sehr kraftvoll und rau sind, intensiv und beklemmend. Adam Johnson schreibt unbekümmert und gradheraus, so wie jemand redet, dem völlig egal ist, was andere über ihn denken. Das mag ich sehr. Zudem überschreitet er in Nirvana Grenzen, macht Unmögliches möglich, thematisiert Pädophilie und Krebserkrankungen, gibt seinen Geschichten viele Ecken und Kanten, geht nicht zimperlich mit mir als Leserin um. Auf das Buch trifft ein Adjektiv zu, das ich für gewöhnlich meide, weil es so inflationär gebraucht wird: Es ist cool. Sehr cool sogar. Es ist ungewöhnlich und gut, es ist aber auch anstrengend und stellenweise langweilig, es ist niveauvoll und unterhaltsam, aber auch verwirrend und ausgefranst. So oder so ist es auf jeden Fall besonders.

Banner

Nirvana von Adam Johnson ist erschienen im Suhrkamp Verlag (ISBN  978-3-518-42500-8, 262 Seiten, 19,95 Euro).