„Dies ist ein weiblicher Text geschrieben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wie spät es ist. Wie viel sich verändert hat. Wie wenig.“
Mir ist dieses Buch mehrmals begegnet, bevor es von Cornelius Reiber und Jens Friebe ins Deutsche übersetzt wurde, trotzdem hatte ich keine Ahnung, was mich erwartet, als ich es in die Hand genommen habe: Was willst du von mir, habe ich mich auf den ersten Seiten gefragt, was bist du? Aber schon nach kurzer Zeit habe ich gedacht: Es ist mir egal, was du bist und was du willst, ich gehe mit dir, ich folge dir überallhin. So sehr hat die irische Lyrikerin Doireann Ní Ghríofa mich in den Bann gezogen. Und das ist erstaunlich, denn auch jetzt, nachdem ich dieses preisgekrönte Buch inhaliert, gelesen, geliebt habe, kann ich euch nicht genau beschreiben, was euch erwartet, kann euch kein klares Genre nennen. Aber ich weiß, dass dies noch Ende des Jahres eines der allerbesten Bücher sein wird, die ich 2023 gelesen haben werde, da bin ich mir absolut sicher. Als sie es geschrieben hat, hatte Doireann Ní Ghríofa vier Kinder unter sechs Jahren, eines davon ein Baby, sie hat gestillt und Milch abgepumpt, beschreibt detailliert, wie sie sich in Care-Arbeit verloren hat und darin aufgegangen ist, sie ist nah am weiblichen Körper, an Schwangerschaft, an Mutterschaft. In dieser Zeit hat sie sich auch mit einem sehr besonderen irischen Gedicht aus dem 18. Jahrhundert beschäftigt, das ein nationaler Mythos ist. Viele Jahre lang hat Doireann Ní Ghríofa nach Spuren von Eibhlín Dubh Ní Chonaill gesucht, hat durch die Jahrhunderte nach ihr gerufen, hat geforscht und recherchiert, ihre Zeilen übersetzt, wieder und wieder, um ihr nahe zu kommen. Und hat festgestellt, dass es Aufzeichnungen über die Männer gibt – während die Frauen es nicht wert waren, erwähnt zu werden. „Ein Geist in der Kehle“ ist eine wilde, faszinierende, unglaublich kreative und sprachmächtige Mischung aus Autofiktion, Recherchebericht und Lyrik. Ich finde es großartig, dass der Verlag dieses Buch zum Spitzentitel gemacht hat – und gleichzeitig kurios, dass sie es von Männern übersetzen haben lassen. Ob das einen Unterschied macht, kann ich nicht beurteilen. Aber Tatsache ist, dass es stimmt: Dies ist ein weiblicher Text. Und ein hervorragender noch dazu. Lest ihn unbedingt!