Bücherwurmloch

Elinor Cleghorn: Die kranke Frau. Wie Sexismus, Mythen und Fehldiagnosen die Medizin bis heute beeinflussen

„Das Frausein verschmolz mit dem weiblichen Geschlecht und wird darauf reduziert“

Als ich dieses Buch das erste Mal in der Hand hielt, dachte ich: Oha, ganz schön dick. Als ich anfing, es zu lesen, dachte ich: Ja, natürlich ist das dick. Denn Elinor Cleghorn – promovierte Kulturhistorikerin und Feministin – beginnt ganz am Anfang, und die Geschichte der sexistischen Medizin geht genauso weit zurück wie die Geschichte der Medizin an sich. Die Autorin hat selbst ein Autoimmunerkrankung und beschäftigt sich aus dieser persönlichen Motivation heraus mit dem Leidensweg kranker Frauen, die von Ärzt:innen nicht ernstgenommen, falsch diagnostiziert oder gar nicht behandelt werden. Die Reise ins Innere der misogynen menschlichen Medizin beginnt im antiken Griechenland, geht durch das Mittelalter und das 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit, in der sich manches geändert hat, aber so viel dann auch wieder nicht. Von Anfang an wurde der weibliche Körper auf das einzige Organ reduziert, das ihn für die Gesellschaft „interessant“ machte: den Uterus. Was Frauen durch die Jahrhunderte Schreckliches zugeschrieben und Furchtbares angetan wurde, ist kaum zu ertragen.

„Wenn die Bevölkerung wieder wachsen sollte, galt es, Frauen – deren Körper ein „schwaches Werkzeug“ für Empfängnis, Geburt und neues Leben war – zu prüfen, zu regulieren und zu kontrollieren.“

Dies ist ein umfassendes, wichtiges Werk, das zeigt, dass wir nicht irgendwo falsch abgebogen sind, sondern von Anfang an in die falsche Richtung unterwegs waren. Das zu lesen, ist heftig, schmerzhaft, nervenaufreibend und macht wütend. Es ist aber auch ganz simpel ein Beweis für alle Frauen, ein schriftlicher Beweis, dass wir nicht verrückt sind, dass die Ungleichbehandlung, die wir erleben, real ist. Sich zu wünschen, es könnte ein Standardwerk in der Ausbildung von medizinischem Personal werden, ist natürlich müßig, aber ich denke, dass alle diese Bücher, die nun erscheinen, zumindest an den patriarchalen Strukturen nagen. Sie legen schriftlich Zeugnis ab, schreiben die Geschichte so, wie sie wirklich war – und geben uns vor, was wir ändern müssen. Sehr lesenswert!

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