Bücherwurmloch

Judith Holofernes: Die Träume anderer Leute

„Es war auch ohne zu bekletternde Bühnentrassen nicht leicht, die Kinder überhaupt am Leben zu halten“

Im Jahr 2010 habe ich mein erstes Kind bekommen, und ich weiß noch, dass ich ein Interview mit Judith Holofernes gelesen habe damals, in dem stand, dass sie mit Mann und Band und Kindern tourt, und ich dachte nur: Wie. Warum schafft sie das, und ich schaffe nichts? Zu dem Zeitpunkt war ich noch eine Frau, die sich vergleicht. Als ich jetzt, so viele Jahre später, Judiths Buch lesen durfte, war ich im ersten Drittel so erleichtert. Und berührt. Und traurig und am Weinen. In jedem Satz hab ich mich gefunden, auch wenn ich nicht singen kann und nie ein Konzert gegeben habe, aber: das Muttersein. Das Sich-Aufreiben an allem, der Versuch, es besser zu machen, das Einsehen-Müssen, dass es weit über die eigenen Kräfte hinausgeht. Es fasziniert mich, dass Judith so bereitwillig, ehrlich und gleichzeitig scheu erzählen kann, so bei sich selbst, mit einer Offenheit, die ich mir von vielen Frauen und Müttern wünschen würde, nein, von allen. 

„Über Misserfolg wird kaum jemals geredet. Weniger Erfolg zu haben, als man einmal hatte, ist ein Tabu, besetzt mit schamvollen Bildern von Suff, Dschungelcamps und Auftritten in Möbelhäusern.“

Wo sie Recht hat, hat sie Recht, aber jetzt, nachdem ich alles gelesen habe, was Judith berichtet hat vom Ende der Helden, von ihren Soloalben, von dunklen und hellen Zeiten, möchte ich auch sagen: eigentlich nicht. Vielleicht hat sich nur ihre Art von Erfolg geändert, und die Definition, die wir haben, ist falsch. Darüber habe ich viel nachgedacht, und generell ist dieses Buch eines, das wach macht und reflektiert, dabei aber schelmisch bleibt, fröhlich, auf angenehme Weise zuversichtlich. Und oh, ihr werdet Ohrwürmer bekommen, ihr werdet die Lieder beim Lesen summen, tagelang werden sie euch durch den Kopf gehen, ihr werdet neben dem Umblättern Songs auf eure Playlist legen und sie später im Auto hören. Danke, Judith, für das Verweben von Musik und Literatur. Danke für dieses Buch.

„Aus den Federn, die ich gelassen habe, soll sich irgendwer einen fantastischen Kopfputz basteln.“

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