Bücherwurmloch

Katrine Marçal: Die Mutter der Erfindung. Wie in einer Welt für Männer gute Ideen ignoriert werden

„Wenn man Frauen nicht mit in den Blick nimmt, ergibt sich ein verzerrtes Bild der Menschheit“
Sehr anschaulich und mit vielen Beispielen erklärt die schwedische Autorin Katrine Marçal, die bereits mit „Who cooked Adam Smith’s dinner?“ einen internationalen Bestseller gelandet hat, in diesem Buch, wie wir uns als Gesellschaft selbst ausbremsen, indem wir Ideen und Technologien in unsere binären Schemata pressen – und nur das als förderungswürdig und wichtig einstufen, was wir als männlich codieren. Für alle, die sich bereits mit patriarchalen Strukturen beschäftigt haben, klingt das nicht überraschend, und vieles, was sie beschreibt, wusste ich bereits – vieles aber auch nicht. Von Forschung, die darauf hinweist, dass steinzeitliche Funde keine Waffen, sondern Grabstöcke von Frauen waren, über die ersten Computer, die von weiblichen Programmiererinnen bedient wurden, bis hin zu künstlicher Intelligenz, von der wir fürchten, sie könnte uns Menschen bald überlegen sein, weil wir sie nur mit dem vergleichen, was für männliche Wissenschaftler als menschlich gilt, führt Katrine Marçal aus, wo wir in unserer Geschichte wieder und wieder falsch abgebogen sind und aus welchen Gründen.

„Wenn das, womit Frauen sich beschäftigen, von vornherein nicht als Technologie gilt und sich Männer zunehmend auf militärische Innovationen spezialisieren, dann legen wir in der Betrachtung der Technikgeschichte zu viel Gewicht auf Gewalt und Tod.“

Sie berichtet von den Elektroautos, die es vor hundert Jahren gab, ordnet den Erfindungen unsere Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit zu und zeigt, wie schlecht es für uns alle ist, dass wir die „weiblichen“ Aspekte des Lebens ignorieren und abwerten. Ein kleiner Mangel des Buchs ist, dass es seltsam ungeordnet daherkommt, ich konnte keine richtige Struktur erkennen, die Kapitel wirken ein wenig zusammengewürfelt. Inhaltlich aber sind sie regelrecht mindblowing: Dieses Buch lässt aufhorchen, es macht wütend, immer wieder musste ich sofort jemandem laut daraus vorlesen, weil ich nicht wusste, wohin mit all den Gefühlen, die dieses neue Wissen in mir ausgelöst hat.

„Dass über 97 Prozent des Wagniskapitals an Männer vergeben wird, bedeutet auch, dass unsere Software, unsere Apps und Social-Media-Netzwerke, künstliche Intelligenz und Hardware von Männern sowohl erfunden als auch entwickelt und finanziert werden. Gegen Männer an sich ist nichts einzuwenden. Aber sehr wohl gegen ein System, das Frauen ausschließt.“

Mit jedem feministischen Sachbuch, das ich lese, erkenne ich, dass die Probleme, die wir geschaffen haben, noch viel größer sind, als ich bisher angenommen habe. Auf jeden Fall ein sehr wichtiges Buch.

„Das Schlimmste ist der Erfindungsreichtum, der dadurch brachliegt.“

Die Mutter der Erfindung von Katrine Marçal ist erschienen bei Rowohlt.

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