Bücherwurmloch

Kim Hye-Jin: Die Tochter

„Wir sind hier. Wir existieren. Wir wollen einfach nur wahrgenommen werden“
Die Ich-Erzählerin ist Mutter, und für ihre Tochter Green, die längst erwachsen ist, wünscht sie sich einen guten Job, einen ordentlichen Ehemann, ein stabiles Einkommen und ein schönes Zuhause. Ist das so verwerflich? Nun ja – wenn man sich die Lebenswirklichkeit von Green ansieht, kommen Zweifel auf, denn sie lebt seit über sieben Jahren mit einer Frau zusammen. Das ignoriert die Mutter so lange weg, bis es unmöglich wird, weil Tochter und Freundin aus finanziellen Gründen bei ihr einziehen müssen. In ihrem Job als Altenpflegerin opfert die Mutter sich auf, zu ihrer Tochter ist sie hart und unfreundlich, findet sie abstoßend, falsch. Warum Green vor der Uni für ihre Rechte demonstriert, kann die Mutter nicht verstehen, doch als sie in die Ereignisse hineingezogen wird, muss sie sich in ihrer blinden Sturheit vielleicht doch ein wenig erweichen.

Wie schon in einigen anderen koreanischen Romanen begegnet mir auch in diesem eine extreme Nüchternheit: Kim Hye-Jin erzählt schmuck- und schnörkellos von einer Generation, die in ihrer gnadenlosen Homophobie alles Andersartige ablehnt. Das geht so weit, dass Familien entzweit werden, Kinder nicht ausleben dürfen, was sie fühlen, queere Menschen sich verstecken müssen. Ich habe lange gedacht, dass auch aus der Perspektive der Tochter erzählt wird, doch sie kommt nicht zu Wort, und bis zum Schluss hat mir gefehlt, was sie zu sagen gehabt hätte, das hätte die Geschichte für mich runder gemacht. So besteht dieser Roman aus einem beständigen Reproduzieren alter Vorurteile und Standardvorstellungen in Bezug auf Homosexualität, er zeigt den inneren Kampf einer Mutter, die sich am liebsten von ihrer Tochter abwenden würde, aber mit ihr zusammenleben muss. Was am Ende durchschimmert ist vielleicht Liebe, vielleicht auch nicht, das ist für mich durch den trockenen, formellen Stil schwer herauszufiltern. Dies ist ein schmales, trotzdem ein wenig sperriges Buch, das kein großes Lesevergnügen bietet, aber in seiner Botschaft natürlich essenziell und wichtig ist.

Die Tochter von Kim Hye-Jin ist erschienen bei Hanser Berlin.

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