Bücherwurmloch

Alexa Henning von Lange: Die Wahnsinnige

„Wie sollte Johanna sich von dieser Welt erholen, wenn nichts außer dieser erstickenden Welt um sie herum existierte?“
Spanien im Jahre 1503: Johanna von Kastilien ist die Thronerbin eines Weltreichs. Ihre Mutter, Isabella die Katholische, herrscht mit grausamer Hand, lässt die Inquisition durch die Lande ziehen und alle verdammen und verbrennen, die angeblich ungläubig sind. Johanna will dieses Land der tausend lodernden Scheiterhaufen nicht regieren, sie will nicht beten und nicht beichten. Sie hat sich in die arrangierte Ehe mit Philipp dem Schönen aus Flandern gefügt, verhält sich aber in den Augen ihrer Mutter zu widerspenstig – und wird deshalb von ihr in der Festung La Mota eingesperrt. Das ist nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass Johanna gegen ihren Willen festgehalten wird, auch ihr Mann tut ihr dasselbe an. Denn für die Mächtigen ist sie nichts weiter als ein Spielball, den man nach Belieben hin und her werfen kann, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Und es ist so einfach, sie als wahnsinnig hinzustellen, Gerüchte zu verbreiten und ihr jede Mündigkeit abzusprechen, weil sie schließlich nichts weiter ist als eine Frau.

„So ist das eben in unseren Zeiten, nicht wahr, Philipp? Ehen werden arrangiert, Kinder werden einander aus politischen und diplomatischen Gründen versprochen und verlobt, und doch gehen all diese ausgeklügelten Pläne niemals auf.“

Wer sich die Geschichtsbücher ansieht, was Frauen Unfassbares angetan wurde: Eingeschlossen hat man sie, weggesperrt, als verrückt gebrandmarkt, enthauptet. Sie wurden verheiratet und verschachtert, als Gebärmaschinen für Thronfolger missbraucht, getötet. Alexa Hennig von Lange hat sich einer wahren Geschichte angenommen und sie neu erzählt: Was, wenn Johanna die Wahnsinnige in Wahrheit ganz normal war, voller Sehnsucht nach Liebe, Stabilität, familiärer Sicherheit. Stattdessen geriet sie durch ihren politischen Status in ein Gewirr aus Lügen und Intrigen. Dieses Buch ist wie ein moderner Roman über Misogynie mit historischen Wurzeln. Teilweise hat Johanna für meinen Geschmack gar zu aufgeklärt gedacht, aber ich verstehe natürlich, dass das für die Erzählidee notwendig war. Ein krass gutes, neu gedachtes, intelligent gemachtes Buch, das mir tatsächlich noch einmal eine andere Sicht auf gewisse in der Schule gelernte Glaubenssätze geschenkt hat.

Die Wahnsinnige von Alexa Hennig von Lange ist erschienen bei Dumont.

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