Bücherwurmloch

Shida Bazyar: Drei Kameradinnen

„Dieser Text ist der Versuch, mich eine Nacht lang zusammenzureißen“
Dieses Buch spricht mit dir. Und zwar nicht sehr freundlich. Wenn du ein weißer Mensch bist, bist du automatisch ein rassistischer Mensch. Und da setzt Shida Bazyar, die sich mit ihrem Debütroman Nachts ist es leise in Teheran einen Namen gemacht hat, an. Sie packt dich an deiner Nase und drückt sie in alle deine Vorurteile, bis du nicht mehr schnaufen kannst.

„Ich habe eine Schreibpause eingelegt, für wenige Minuten. Ihr habt das nicht gemerkt, denn ohne mich und meine wohlwollende Informationsvergabe seid ihr nun mal aufgeschmissen, ohne mich checkt ihr hier gar nichts. Ihr braucht mich, aber ich kann euch auch verarschen, ohne dass ihr irgendwas davon merkt.“

Hani, Kasih und Saya sind Freundinnen seit ihrer Jugend, treffen sich nach Jahren wieder. Sie werden trinken und auf Bänken sitzen, sie werden über Nazis sprechen und sich im Jobcenter demütigen lassen, es wird eine Hochzeit geben und einen Brand. Shida Bazyar erzählt das nicht verblümt und poetisch, sondern schonungslos und direkt. Kein Erbarmen hat sie dabei mit dir: wie du alles besser weißt und die drei Freundinnen sofort abwertest. Wegen ihrer Namen. Wegen ihrer Eltern. Weil sie das Wort „Knast“ benutzen. Da denkst du, eh klar, sitzt wahrscheinlich die halbe Familie drin. Interessant finde ich, dass sie nicht nur anklagend und vorwurfsvoll schreibt, sondern auch ihre drei Protagonistinnen – von denen Kasih die Ich-Erzählerin ist – nicht am selben Strang ziehen lässt. Sie sind einander ähnlich, aber unterschiedlich sind sie auch.

„Wir sind drei Freundinnen, die sich zu lange kennen, um sich nicht zu verstehen, obwohl sie sich eigentlich nicht richtig verstehen.“

Dadurch zeigt sie: Es gibt keine Migrant:innenmasse, es gibt nicht DIE Ausländer. Jede:r ist individuell und hat eine eigene Geschichte, die es anzuhören gilt. Dieses Buch ist alles andere als subtil, das macht es streckenweise wahnsinnig anstrengend, als würde man sich stundenlang mit jemandem unterhalten, von dem man nur beschimpft wird. Andererseits sind diese Beschimpfungen ja berechtigt – und nicht einmal ansatzweise so schlimm wie das, was die von Rassismus betroffenen Menschen erdulden müssen.

„Was man zusammenfassen kann, ist, dass Saya mit Hani und mir nicht zufrieden war, weil ich zu weinerlich, Hani dagegen nicht weinerlich genug war. Dabei hatte Saya, als sie hierher geflogen war, eigentlich gedacht, sie besucht jetzt die beiden Ninja Turtles, mit denen sie die Welt retten kann.“

Drei Kameradinnen von Shida Bazyar ist erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.

 

 

 

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