Bücherwurmloch

Cemile Sahin: Alle Hunde sterben

„Wir werden aus unseren Häusern geholt, und dann verschwinden wir“

„Wir erzählen von der Gewalt, die uns widerfahren ist. Nur so können wir uns wehren. Damit die Geschichte, die das Militär diktiert, nicht zu einer Geschichte wird, die alle in diesem Land glauben.“

Neun Menschen, neun Episoden, neun Leben. Sie befinden sich in einem Hochhaus im Westen der Türkei, sie wollen hier nicht bleiben: Necla und Murat, Haydar, Sara, Nurten. Sie sind Eltern, sie sind Kinder, sie sind Verwundete, Vereinzelte. Ihre Kinder, ihre Geschwister, ihre Mütter und Väter sind in Gefängnissen oder tot. Sie erzählen, was passiert ist. Sie berichten von Folter und Mord, von den Grausamkeiten der Soldaten, von der Willkür der Wachmänner. Von Angst und Resignation, von einem Leben, das nicht lebenswert ist, nicht einmal ein bisschen.

„Und wer hier schreit, der schreit nur aus Verzweiflung.“

Dies ist ein Buch, das einen mit Gänsehaut überzieht. Man liest es mit aufgerissenen Augen, mit dieser Mischung aus Schock und Empathie. Und mit Menschenhass. Weil alles, wovon Cemile Sahin schreibt, die Wahrheit ist. Weil es so geschieht, in der Türkei, und nicht nur dort, sondern überall, wo Menschen unterdrückt werden, gefoltert, verschleppt, getötet. Die Autorin hat eine Sprache gefunden für das, was sprachlos macht. Sie hat jenen eine Stimme gegeben, die mundtot gemacht werden sollen. Und deshalb ist dieses Buch so gut. Deshalb ist dieses Buch so wichtig.

„Meine Kinder fingen an zu laufen, weil ich sagte: Ihr müsst gehen. Nur so überlebt man Gewalt, ist stärker als sie: indem man seine Kinder beschützt. Ja, nur so.“

Ich wollte kurz reinschnuppern in das giftgrüne Buch, und es hat mich sofort eingesaugt. Es hat mir schwarze Flecken ins Herz getropft und mich gewürgt mit seinen Bildern, mit seiner klaren, ungeschönten, pointierten Sprache. Es. Ist. So. Gut! Ich bewunderte Cemile Sahin sehr dafür, dass sie für das Unaussprechliche Worte gefunden hat – und zwar genau die richtigen.

„Ich habe mein Leben im Gefängnis gelassen. Ich vergesse nichts, das würde ich ihm gern sagen, aber in Wahrheit rede ich bloß nicht darüber, wie viel ich weiß.“

Alle Hunde sterben von Cemile Sahin ist erschienen im Aufbau Verlag.

 

 

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