„Du wirst lachen: Ich trolle“
Dieser Roman und ich, wir haben eine Geschichte. Anders kann ich nicht anfangen, über ihn zu berichten, denn ich kannte ihn bereits, da war er noch ein erstes Manuskript. Und: Er war schon damals sehr gut. Witzig, bissig, originell, getragen von einer richtig guten Idee. Das sahen auch die Verlage so, an die mein Bloggerfreund und Kollege Frank Rudkoffsky es geschickt hat. Allein: Erschienen ist es nicht. Und dann hat er ein Durchhaltevermögen an den Tag gelegt, wie ich es wohl nicht besessen hätte – und für das ich ihn sehr bewundere. Umso mehr hab ich mich nun richtig ehrlich gefreut, dass Fake – einst hieß es noch 1Elf – bei Voland & Quist eine so großartige Heimat gefunden hat. Und nicht nur das: Das Buch ist auch noch besser geworden.
Frank Rudkoffsky, der bereits mit seinem Debüt Dezemberfieber aufhorchen hat lassen, erzählt darin eine Geschichte, die aktueller nicht sein könnte: Es geht um Hatespeech und Trolle im Internet, um die Art, auf die wir uns virtuell gegenseitig fertigmachen, aber auch um Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Karrierechancen und Frustpotenzial. Frank schreibt darüber derart lässig, dass man es unheimlich gern lesen mag – und dann, obwohl es lustig ist, obwohl man lacht, langsam ins Nachdenken kommt. Das ist eine der Stärken dieses Romans, der uns so ungeschönt vor Augen führt, wie unkontrolliert wir uns im Internet austoben, hassen, zerfleischen – und welche Folgen das haben kann und hat. Konkreter: Sophia hat es bei Daimler weit gebracht und wollte eigentlich mit Jan eine Weltreise machen. Doch eine ungeplante Schwangerschaft machte ihr einen Strich durch die Rechnung, und so muss Sophia jetzt sowohl auf die Karriere als auch auf den Trip verzichten und ist stattdessen in einer Wohnung in Stuttgart gefangen – mit einem plärrenden Baby. So weit, so schlimm, und wie Frank Rudkoffsky das beschreibt, Leute, so ist es wirklich: Geradezu meisterhaft hat er die Wut und die Müdigkeit eingefangen, die Hilflosigkeit, die man angesichts eines schreienden Kindes empfindet, die Liebe, die aufwallt, aber auch niedergewalzt wird von dem Wunsch, alles möge anders sein. Um ihren aufgestauten Zorn irgendwo entladen zu können, legt Sophia mehrere Fake-Profile an und trollt munter durch verschiedene Foren und auf Facebook. Jan strauchelt derweil beruflich, er möchte sich als freischaffender Journalist einen Namen machen, und das gelingt mehr schlecht als recht – bis er aus dem Herzen einer Pegida-Demonstration berichtet. Doch was er sich da geleistet hat, war nicht ganz sauber, und so schwitzt Jan Blut und Wasser vor Angst, dass er auffliegen könnte. Jemand scheint ihm auch schon auf den Fersen zu sein – natürlich im Netz.
Das Internet ist ein seltsamer Ort: Ich bin nicht der Meinung, dass es uns zu schlechteren Menschen macht. Ich denke, die Menschen sind sowieso schlecht, und das Netz bietet ihnen eine weitere Möglichkeit, das auszuleben. Und zwar ohne jegliche Zurückhaltung. Davon schreibt Frank Rudkoffsky rasant, gewitzt und klug und mit viel Gefühl für eine gute Story. Fake ist das Buch der Stunde, das Buch unserer Zeit. Es zeigt, wie schnell die Dinge entgleiten und entgleisen – sei es im engen Familienverband, sei es im großen virtuellen Netzwerk – und wie stark wir gelenkt werden von unseren Egos, denen wir sogar unsere Partnerschaften opfern würden. Frank, ich mochte dein Buch von Anfang an, und jetzt, wo es gedruckt ist, mag ich es noch mehr. Es ist scharf und schlau und raffiniert. Ich lege es euch mit Nachdruck ans Herz, ihr werdet alle etwas darin wiederfinden, das ihr auf diese Weise schon gedacht und empfunden habt – nur nicht in so gute Formulierungen gegossen.
Fake von Frank Rudkoffsky ist erschienen bei Voland & Quist (ISBN 978-3-863912-47-5, 240 Seiten, 20 Euro).