Bücherwurmloch

Britta Boerdner: Was verborgen bleibt

„Kann man seine Heimat auch in einem Menschen finden?“
Das erste Problem ist schon der Kuss. Weil er nicht stattfindet. Der Kuss, den es nicht gibt, ist symptomatisch für alles, was folgt. Sie hat es sich so schön vorgestellt, dass sie nach New York kommt nach dieser langen Zeit der Trennung, dass sie Gregor in die Arme fällt, dass er sie küsst. Doch dann vergeht der Moment, ohne dass es passiert, alles gerät in eine Schieflage, kaum spürbar, aber wenn man genau hinsieht, bemerkt man den ersten haarfeinen Riss. Die Erzählerin möchte nach New York ziehen, zu ihrem Freund Gregor, der dort bereits arbeitet und wohnt, sie hatten es so abgemacht, er holt sie nach, es war ihr gemeinsamer Traum.

Unsere Geschichte ist eine Geschichte von Sehnsucht und Aufbruch, eine Geschichte, die ihren Ursprung in den grellen Lichtern des Times Square und in einer irischen Kneipe hat, die eine Frau und ein Mann am letzten Abend ihrer USA-Reise besuchen.

Jetzt ist sie da, aber nichts ist wie erträumt. In der Wohnung fühlt sie sich fremd und in der Stadt, in der Beziehung auch. Wie konnte das geschehen? Liegt es an der Entfernung, an der Entfremdung? Kann man die überwinden, und wie?

Ich war der lebendige Beweis dafür, in welche Verzweiflung einen die Liebe stürzen kann.

Sie wandert durch die Straßen, fest entschlossen, einen Platz für sich zu finden, sie nimmt sich jeden Tag vor, zum Hörer zu greifen und Telefonate wegen eines Jobs zu führen. Sie will mit Gregor reden, ihn konfrontieren, ihn schütteln, anschreien. Die Liebe, die einmal da war zwischen ihnen, aufwecken, reanimieren. Es ist ein Moment, von dem Britta Boerdner erzählt, dieser Moment, in dem etwas fehlt – und in dem etwas zu Ende geht. Mit klaren, unaufgeregten Sätzen fängt sie das Gefühl der Hilflosigkeit ein, wenn man nur zusehen kann, wie einem etwas zustößt, das man nicht möchte, wie sich etwas auflöst und verflüchtigt. Es schmerzt und es brennt und es ist elendig traurig. Genau wie dieses schmale Buch, das wie ein Hauch auf einer Fensterscheibe ist, wie ein Regengeräusch, leise, poetisch, es erzählt von Vergänglichkeit und Verlust.

Am ersten Morgen in dieser Stadt bin ich erfroren, am zweiten Tag erstarrt, am dritten Tag erstickt, und noch immer liegt mein Körper ungesehen zwischen den moosfaulen Wänden.

Was verborgen bleibt von Britta Boerdner ist erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt (ISBN 9783627001858, 160 Seiten, 18,90 Euro).

 

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