Bücherwurmloch

Elisabeth R. Hager: Fünf Tage im Mai

„Für manche is’ das Leben wie eine Hühnerleiter. Kurz und beschissen“
„Du, dein Papa und i. Wir hab’n unersättliche Herz’n. Die hören von selber nit zum Schlagen auf“, sagt Urgroßvater Tat’ka zu Illy – und erklärt dadurch sein hohes Alter. Überhaupt erklärt er ihr viel, aber nicht auf eine belehrende, sondern auf eine großherzige Weise und indem er sie ihr vorlebt. Er ist ein großer, starker, sturer Mann, bekannt im Dorf als der alte Fassbinder, der mal beim Kartenspiel das Haus gewonnen hat, in dem er wohnt. Freundlich ist er nicht immer, nicht zu allen Leuten – außer zu Illy. Und manchmal gelingt das, dass eine Generation an eine andere weitergibt, was sie gelernt und erfahren hat, manchmal entsteht eine Verbindung, die stärker ist als alle anderen. Immer wieder im Mai stoßen wir zu Illy und ihrem Urgroßvater und bekommen erzählt, was in der Zwischenzeit geschehen ist – bis Illy erwachsen ist und sich lösen kann von allem, was sie gefangen hält im Innen und im Außen.

Fünf Tage im Mai geht so ans Herz! Es war mein Überraschungshighlight in diesem Frühling (und ich hab es daher auch für das Bücher-Battle für die Kategorie Österreich ausgewählt). Es hat mich beschäftigt, berührt und tatsächlich, am Ende, zum Weinen gebracht. Weil ich es mag, wenn Geschichten herzerwärmend sind, ohne dabei kitschig zu werden – und das ist der Österreicherin Elisabeth R. Hager ausgezeichnet gelungen. Überhaupt, das Österreichische, das ich jetzt schon mehrfach zur Sprache gebracht hab: Es macht diesen Roman besonders. Er ist melancholisch und witzig, er ist Tirolerisch, voller Dialekt und jenem Flair, das in den Bergen herrscht. Es ist einfach etwas anderes, ein solches Buch zu lesen, es geht auf direkterem Weg unter die Haut, es muss kaum Hürden überwinden, es bringt eine Seite in meiner Seele zum Klingen, die nur selten angerührt wird. Ein solches Buch ist, Verzeihung, ein Stückchen Heimat.

„Ich sah den baumlangen Kraftmenschen vor mir, der mich durch meine Kindheit begleitet hatte, den grauen Filzhut auf dem Kopf und ein spitzbübisches Lächeln im Gesicht. Es war möglich, den Schmerz zu bannen, indem man ihn mit anderen teilte. Es war möglich, zwischen den Menschen unsichtbare Brücken aus Wörtern zu bauen, auf denen die Gefühle von einem zum andern wandern konnten.“

Und das ist schön, genau wie dieses Buch. Lest es und lernt den alten Tat’ka kennen, ihr werdet es nicht bereuen.

Fünf Tage im Mai von Elisabeth R. Hager ist erschienen bei Klett-Cotta (ISBN 978-3-608-96264-2, 221 Seiten, 20 Euro).

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