Bücherwurmloch

Sven Heuchert: Könige von Nichts

„Du wirst leicht wie eine Feder, alles ist rund und weich und schön“

„Aber wenn ihr Gesicht anschwillt, dann weiß ich doch, sie hat genug, sie hat’s verstanden. Nein, mein Alter musste noch mal reinlangen, und noch mal, und noch mal.“

So sind sie, die Typen in Sven Heucherts Geschichten: Zuhauer. Trinker. Gewalttätige, Abgesoffene, Arbeitslose, Einsame. Er schreibt nie über die, die glücklich sind. Oder nein, so ganz stimmt das nicht: Er schreibt über die, die vielleicht mal glücklich waren. Die das Glück sehen und riechen konnten und es jetzt umso mehr vermissen. Und über die, denen das Glück immer nur aus der Ferne zugewunken hat wie so eine hämische Fata Morgana. In Sven Heucherts Sprache, vor allem natürlich in den Dialogen, liegt, was man Lokalkolorit nennt. Er lässt seine Leute reden, wie ihnen das Maul gewachsen ist – und auf ebendieses Maul draufhauen lässt er sie auch.

In seinem großartigen Erzählband Asche hat er das Krasse, das Abgefuckte kultiviert. Sein neues Werk, die Story-Sammlung Könige von Nichts, ist sanfter. Da gibt es überraschend viele weiche Töne, da gibt es Wehmut und Verständnis und die Ahnung, wie schön alles sein könnte, eigentlich. Was es aber nicht gibt, ist Firlefanz. Weil Sven so reduziert und minimalistisch schreibt, wie er nur kann – das ist sein Ziel, das ist sein Ding. Und die Ironie liegt ja darin: Je weniger Worte, desto schwieriger. Blumig und ausschweifend, das kann fast jeder – am Punkt zu sein, gelingt nur wenigen. Ihm gelingt es, keine Frage. In den scharfen Alltagsbeobachtungen, in den kurzen Dialogen, die so voll sind mit Ungesagtem, in den Seufzern, die man seine Protagonisten ausstoßen hört. Sven Heuchert beschreibt nicht und erklärt nicht und rechtfertigt nicht. Er ist wie seine Figuren: Er haut direkt zu.

Und doch, die Wandlung ist da: Der Drive ist anders, der Ton auch. Könige von Nichts hat mehr Zärtlichkeit, mehr traurigen Charme des Scheiterns und – entschuldige, Sven, ich seh dich schon das Gesicht verziehen – es hat Herz. Well done.

„Der Tod kündigt sich nicht an. Ein Kuss, der sich schon lange nicht mehr so anfühlt. Ihre Körper werden unter der Decke wärmer. Füße berühren sich. Ein letzter Herzschlag. Ein letztes Mal atmen. Ein letztes Mal den Atem des anderen spüren. Wie er sanft über die Stirn hinwegstreicht. Es könnte jede Nacht geschehen, jetzt gleich, morgen.“

Könige von Nichts ist erschienen im Bernstein Verlag (ISBN 978-3-945426-39-5, 12,80 Euro).

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