„Im Heimatroman gibt es eine gerechte Welt“
„Dass ein Mädchen schön ist, ist eine überflüssige Information. Mädchen in Heimatromanen sind immer schön.“
Und Männer sind immer spitz, die Berge leuchten im Sonnenlicht, und es gibt Schnitzel. So weit, so gut. Aber: Gut ist in diesem Heimatroman gar nix. Eigentlich ist das ja nur ein Plan, nicht mal ein wirklicher Roman, die Autorin quält sich, die Lektorin mischt sich ein, nichts läuft so, wie es soll, nicht für den Heimatroman und für Toni und Moni schon gar nicht. Die sollen sich nämlich, wie es sich gehört, verlieben und heiraten. Aber die Moni hat, wie es sich überhaupt nicht gehört, einen eigenen Kopf und will was anderes für ihre Zukunft. Das kann die Autorin nur leider nicht zulassen. Und der Toni auch nicht …
Also, ich halte ja wirklich viel aus. Sarkasmus ist mein zweiter Vorname, Humor sollte mir schwarz und bitter serviert werden. Und dann kommt Petra Piuk – die schon mit Lucy fliegt einen scharfen, entlarvenden Blick bewiesen hat – und haut mir Toni und Moni um die Ohren. Das ist ein Buch, da bleibt einem das Lachen aber sowas von im Hals stecken, dass es nicht mal aus dem Bauch rauskommt. Aufgebaut wie eine nüchterne, ordentlich durchnummerierte und kategorisierte Anleitung, nimmt dieser Hammer von einem Buch die gesamte Bergidylle Österreichs auseinander. Von den geeigneten Erziehungsmaßnahmen über das traditionelle Liedgut bis hin zu den Dingen, die im Dorf jeder weiß und über die keiner redet, reißt Petra Piuk wie ein Wirbelsturm mit wenigen, sehr treffenden Worten alle Kulissen des Alpenkitsch ein und zeigt das ganze Grausige dahinter. Die abscheuliche Wahrheit. Und das, meine Damen und Herren, muss man erst mal aushalten können.
Jetzt weiß ich gar nicht, ob man dieses Buch verstehen kann, wenn man kein Österreicher (oder maximal ein Bayer) ist. Ich glaub nämlich nicht. Man muss schon mit diesem ganzen Alpenglühen aufgewachsen sein, man muss diese dörfliche Scheinheiligkeit am eigenen Leib gespürt haben und den Enzianschnaps im Blut haben, um zu begreifen, wie vielschichtig böse Toni und Moni wirklich ist. Wie abgrundtief ironisch. Das ist kein Roman, sondern eine Persiflage auf ein Genre – aber auch eine rabenschwarze Geschichte auf einer sehr komplizierten, konsequent durchgezogenen Metaebene. Als feierten Muttertag und Die Piefke-Saga gemeinsam ein bierseliges Fest, bei dem, das muss so sein, ein paar Menschen zu Tode kommen. Die Autorin packt uns direkt an unserem erlernten und ererbten Kulturgut und beutelt uns ordentlich durch. Ein beeindruckendes, heftiges, überaus zynisches Buch, das mich echt Nerven gekostet hat. Chapeau.
Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman von Petra Piuk ist erschienen bei Kremayr & Scheriau (ISBN ISBN: 978-3-218-01079-5, 208 Seiten, 19,99 Euro).
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