„Wenn man einmal was erzählt hat, dann ist es da“
Es gibt ja vieles, das scheiße ist, wenn man siebzehn ist. Die Erwartungen der Eltern zum Beispiel. Die Zukunft, die wechselweise wie eine Drohung oder eine Verheißung aussieht. Und in den besten Freund verliebt zu sein. Johanna steht auf Boris, aber Boris ist unglücklicherweise mit Ana-Clara aus Portugal zusammen. Johanna und Boris hängen immer zusammen ab, und sie küssen sich fast, aber sie küssen sich eben nicht, und abgesehen davon, dass Johanna darunter leidet, kann sie es auch nicht verstehen. Was findet er an Ana-Clara, die nicht mal hier ist? Und wieso will er sie, Johanna, nicht? Diese Fragen rücken allerdings in den Hintergrund, als Boris verschwindet und einen Brief hinterlässt, der Johanna sowie seine Familie in Panik versetzt. Die viel wichtigere Frage ist jetzt: Wo ist er? Und: Können sie ihn finden?
Jan Schomburg ist Regisseur, Drehbuchschreiber und Autor, dies ist sein erster Roman. Ich wusste nicht, dass es sich dabei um ein Jugendbuch handelt bzw. um ein Exemplar aus jener neuen Gattung, in der uns Jugendbücher als Erwachsenenromane verkauft werden und man sie erst als das erkennen kann, was sie sind, wenn man sie liest. Young Adult nennt sich das und Coming of Age. Ich war überrascht, und nun ja, nicht auf sehr positive Weise, weil ich Jugendbücher nicht sonderlich mag. Ich finde, dass sie sich fast immer anhören wie das Tagebuch eines Pubertierenden, das er später nur mit Unbehagen selbst lesen würde.
„Das Tolle an der Schule ist doch, dass man sich mit Menschen auseinandersetzen muss, mit denen man sonst niemals was zu tun hätte“, sagt meine Mutter manchmal, wenn ich über Babette oder Marcel oder irgendjemand anderen rede, der was besonders Idiotisches gemacht oder gesagt hat. Ich kann nur die Augen verdrehen bei sowas. Das ist so die Art von Aussage, die man echt gar nicht gebrauchen kann. Das ist so, als würde man gar nicht jetzt leben, sondern nur für später, wenn man die Erfahrung vielleicht mal für irgendwas gebrauchen kann.
Das ist mir stets eine Spur zu banal und gleichzeitig eine Spur zu pathetisch. Aber: Dafür, dass ich den weinerlichen Ton von Siebzehnjährigen nicht ausstehen kann, ist Das Licht und die Geräusche überraschend erträglich. Jan Schomburg hat Talent, er hat Einfühlungsvermögen, und er vermittelt diese wirre Emotionswelt, in der Teenager sich befinden, auf authentische Weise. Zwar macht Johanna ständig Dinge, die ich nicht im Geringsten nachvollziehen kann, ihr Leben dreht sich um Mobbing, Klassenkameraden, ihre Verliebtheit und erste sexuelle Erfahrungen, die auf merkwürdige Art aus dem Ruder laufen. Vielleicht bin ich einfach schon zu weit weg von dem, was Siebzehnjährige bewegt. So oder so: Jugendbücher mag ich immer noch nicht. Aber es hätte schlimmer sein können.
Das Licht und die Geräusche von Jan Schomburg ist erschienen im dtv (ISBN 978-3-423-28108-9, 20 Euro). Ähnlich wie ich sieht das übrigens Tobias von Buchrevier.
Liebe Mareike,
bei deiner Umschreibung “um ein Exemplar aus jener neuen Gattung, in der uns Jugendbücher als Erwachsenenromane verkauft werden und man sie erst als das erkennen kann, was sie sind, wenn man sie liest.” musste ich schmunzeln =). Ich habe glaube ich eine weniger große Abneigung gegen Jugendbücher als du, aber es gibt ja ohnehin solche und solche. “Das Licht und die Geräusche” klingt aber auf jeden Fall nach einem, das man mögen könnte, wenn man Jugendbücher mag und es steht jetzt auf meiner Liste.
Liebe Grüße!
Milena